Kompost für die Seele

Titel: Kompost für die Seele

Author: Rolf Müller

Verlag: www.i-g-t.com

Preis: 18,50 Euro; CHF 22,90

ISBN: ISBN 978-3-942641-86-9

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In unserer leistungsorientierten Gesellschaft reduzieren wir uns selbst und unseren Nächsten viel zu häufig auf Äußerlichkeiten, beruflichen Erfolg und Besitz. Dabei verlieren wir das Wesentliche aus den Augen.

Von Rolf Müller

Über dieses Buch

Rolf Müller schenkt uns mit seiner Kurzgeschichtensammlung »Kompost für die Seele« Einblicke in den Erfahrungsreichtum seiner 82 Lebensjahre. Er macht darauf aufmerksam, wie wichtig es ist, uns selbst und unser Gegenüber in allen Aspekten wahrzunehmen, da es für ein Zusammenleben wichtiger ist, wie wir sind, als was wir haben. Er weist auf die Natur als Lehrbuch für das Leben hin. In vielen Beispielen zeigt er, wie die Natur Lösungen aufzeigt. Im immerwährenden Jahreskreislauf der Natur spiegelt sich der menschliche Lebenskreislauf mit all seinen erfreulichen und betrüblichen Seiten. Er hilft uns hinzuschauen, wie zwischenmenschliche Probleme aufkeimen und mit welcher natürlichen Denkweise sie gelöst werden können oder gar nicht erst entstehen. 

Die zahlreichen Anregungen zu einer naturgemäßen Lebensweise sowie die Einblicke in andere Ebenen des Denkens machen dieses Buch zu einem kostbaren Begleiter auf der Reise durch das irdische Leben. Es regt dazu an, mit dem Herzauge durch die Kopfaugen zu schauen. Auch wenn das Klima von Beziehungen gestört ist, ist es eine echte Hilfe, da es uns die Entstehung von Konflikten aus einem anderen Blickwinkel betrachten lässt. Er motiviert uns, ein stetig Wachsender zu sein und dem Ziel der inneren Sehnsucht zuzufließen, wie der Fluss dem Meer.

Der Autor

Geboren 1939 in Zürich. Aufgewachsen mit vier Geschwistern in armen Verhältnissen, doch mit reichen Lebenserfahrungen. In Kindheit und Schulzeit (Rudolf-Steiner-Schule) war ich sowohl Träumer als auch Draufgänger und Anstifter zu gescheiten Dummheiten. Mein Kindertraum war das Ausbrechen aus einer Dreizimmerwohnung mit Eltern und fünf Kindern in die weite Welt und auf das offene Meer. Nachdem der Traum vom Matrosen auf dem Meer nach fünf Jahren ausgeträumt war, landete ich beim Militär. Es gefiel mir, mit Menschen zu arbeiten. 

Nach 20 Jahren Militär-Instruktor merkte ich, dass ich mich überwinden musste, die Uniform anzuziehen. Ich folgte dem Signal nach etwas Neuem und wurde Heilpraktiker und Homöopath. Zusammen mit meiner Partnerin Gabrielle führten wir Fastenwochen durch und später Familienstellen. All diese Stationen hatten ihre Richtigkeit, da es für mich keinen falschen Weg gibt. Rückblickend auf einige gemachte Fehler bin ich dankbar für das, was ich daraus gelernt habe. Ich hatte den Mut dazu aufgebracht, hinzuschauen. So kam ich meiner Berufung immer näher. Eine an der Natur orientierte ganzheitliche Sichtweise scheint mir Bedingung für das Gelingen des Lebens, der Beziehungen sowie für ein friedliches soziales Zusammenleben zu sein.

Wenn ich ein Apfelbaum bin,

aber unbedingt eine Rose werden möchte,

so werde ich keines von beiden,

nicht einmal ein Rosenapfel.

Eine Geschichte aus dem Buch

Zeugnistag

Liam setzte sich auf die Steinbank am hintersten Rand der Spielwiese, sein Schulranzen lag daneben auf dem Boden. Soeben war der Zeugnistag der fünften Klasse zu Ende gegangen. Tränen flossen über sein Gesicht, und er presste beide Hände auf seinen Bauch. Trotz der schwülen Augustsonne trockneten die Tränen nicht. Er strich mit dem Hemdärmel über die Stupsnase, seine braunen, völlig zerzausten Haare hingen über die Stirn. Ein paar Kinder spielten auf der Wiese, andere waren auf dem Heimweg. Er schüttelte schluchzend den Kopf, starrte zur Schultasche, holte mit dem Fuß aus und knallte ihn dagegen. 

»Scheißschule, Scheißzeugnis! Ich gehe nicht mehr in die Schule und nicht nach Hause.« Er kauerte in sich zusammen und vergrub sein patschnasses Gesicht in den Händen.

»Hallo Liam, kommst du mit uns nach Hause?«

Liam schniefte beim Aufschauen – vor der Bank standen sein Freund Archie und dessen Mutter.

»Hallo Frau Fischer.«

»Hast du Schmerzen?« 

Frau Fischer ging auf ihn zu. Archie hob den Ranzen auf.

»Ja, es tut so weh, im Bauch und hier.« Liam fasste sich an die Stirn.

Frau Fischer strich ihm über die Haare. »Komm, wir begleiten dich nach Hause, dann können wir etwas gegen die Schmerzen tun.«

»Ich will aber nicht nach Hause«, sagte Liam und wischte sich mit dem Handrücken über die nassen Augen.

»Ich weiß, dass deine Mama eine Überraschung für dich hat … und ich habe eine für Archie.«

 Archie schaute auf. »Für mich?«

»Ja, für dich.« Sie streckte Liam die Hand entgegen. »Komm!«

»Aber wenn Papa sieht, dass ich ungenügend bin …« 

»Die Überraschung kommt von Mama und Papa«, unterbrach ihn Frau Fischer. »Nun komm schon.«

Liams Gesicht gewann wieder an Farbe. Er stand auf, wischte sich die Hände an seinen Jeans ab, schlenzte den Schulranzen auf den Rücken und fasste ihre Hand. Archie ergriff seine andere.

Vor dem Haus, in dem beide Familien wohnten, angekommen, fragte Liam: »Erhalten alle Kinder eine Überraschung?«

»Das weiß ich nicht«, meinte Frau Fischer, »aber deine Eltern und wir haben uns etwas einfallen lassen.«

»Archie, zeigst du mir morgen deine Überraschung, ich zeige dir dann meine?«

»Ja, tschüss.«

»Tschüss Archie, danke Frau Fischer.«

»Bis morgen, und grüß deine Mama von mir.«

In der elterlichen Wohnung angekommen, legte Liam das Zeugnis wortlos auf den Tisch, rief seiner Mutter in der Küche zu: »Ich hab keinen Hunger« und verzog sich in sein Zimmer. 

Als der Vater nach Hause kam, las er zuerst das Notenzeugnis, rümpfte die Nase und rief: »Wo ist Liam?«

Mutters Stimme ertönte aus der Küche: »Guten Abend mein lieber Mann. Liam hat sich in seinem Zimmer verkrochen.«

»Hast du ihm schon unsere Meinung gesagt?«

»Nein, ich denke, es ist besser, wenn wir das gemeinsam tun.«

»Wo ist das grüne Zeugnis?«

»In der Tischschublade.«

»Bist du bereit?«

Die Mutter kam aus der Küche und die beiden umarmten sich. Dann streifte sie ihre blonden, halblangen Haare nach hinten, strahlte mit ihren blauen Augen ihren Ehemann an. »Ja.«

»Na dann los.«

Sie klopften an die Türe, hörten Liams mürrisches Ja und öffneten. An sein Bett gelehnt, saß er auf dem Boden und starrte vor sich hin.

»Wie war dein Tag, Liam?«, hörte er seinen Papa fragen.

»Zeugnistag, Scheißtag«, schoss es aus ihm heraus. »Jetzt wissen alle, dass ich ungenügend bin. Ich gehe nicht mehr aus meinem Zimmer, dann muss mich niemand sehen.«

Seine Eltern stellten sich vor ihn hin. »Du bist nicht ungenügend«, sagte sein Vater mit klarer und bestimmter Stimme. »Die Lehrer in der Schule wissen nicht, wer und wie du bist. Sie können einzig sehen, wie sie dich in der Schule erleben und die Resultate der Prüfungen beurteilen. Du bist aber unendlich vielmehr, als im Notenzeugnis zu lesen ist, unermesslich mehr als nüchterne Zahlen. Damit dein Schulzeugnis nicht so einseitig auf weiter Flur steht, haben wir dir ein Lebenszeugnis geschrieben mit all dem Vielen, was deine Lehrer nicht über dich wissen.«

Die Mutter hielt das grüne Zeugnis an der einen Ecke, der Vater an der anderen, und sie streckten es ihrem Sohn entgegen.

»Ich liebe dich, Liam«, flüsterte die Mutter mit glänzenden Augen.

»Ich liebe dich, mein Sohn.« Vaters Stimme klang warm und herzlich.

Liam hob den Kopf, ergriff das Zeugnis, schaute zu Mama und Papa. Sein Gesicht hellte sich auf, als er anfing zu lesen:

Unser lieber Liam,

deine Lehrer haben ein Zeugnis geschrieben über das, was du gelernt hast. Demzufolge über das, was du hast. Leben ist jedoch nicht, was wir haben, sondern wie wir sind. Darum haben wir ein Zeugnis geschrieben, wie du bist. Wie wir dich als Mensch und unseren Sohn erleben.

Als dein Opa uns fragte, wie es dir in der Schule geht, haben wir gesagt: »Liam ist ein prächtiger Junge. Er begeistert sich für alles, was das Leben ausmacht. Verschiedenes in der Schule passt ihm nicht, stresst ihn, trotzdem steht er voll im Leben. Das gefällt uns!« Und weißt du, was der Opa gesagt hat? »Ich traue Liam zu, dass er seinen Lebensweg gehen wird.«

Der Stolz ist uns um Haaresbreite über den Kopf gewachsen, wie du mit Max beim Spielen im Hof die Geldbörse von Frau Fischer mit Geld darinnen gefunden hast. Ohne zu zögern, habt ihr sie ihr zurückgebracht. Das hat uns gezeigt, dass es dir wichtiger ist, wie du bist, als was du hast. Du hast auf die Stimme deines Gewissens gehört und dadurch menschlich gehandelt. Das macht uns stolz, deine Eltern zu sein.

Wir haben uns betroffen gefühlt, als du uns in den Frühlingsferien angelogen hast. Wir überlegten lange, warum du kein Vertrauen zu uns hast. Ehrlichkeit fördert gegenseitiges Vertrauen und macht unsere Beziehung noch stärker. Dann haben wir darüber nachgedacht, wie ehrlich wir unserem eigenen Herzen gegenüber sind.

Wir ärgern uns immer wieder, wenn du dich in den gemeinsamen Wohnräumen nicht an die Abmachungen hältst, die wir gemeinsam vereinbart haben. Wenn Geben und Nehmen ausgeglichen sind, geht es allen gut.

Es bringt uns auf die Palme, wenn du immer nur Nein sagst, oder tue ich nicht, wenn wir etwas von dir verlangen. Auf der Palme hockend haben wir dann nachgegrübelt, wo wir selbst Nein sagen möchten, uns aber nicht getrauen. Danke, dass du uns das gezeigt hast.

Riesengroße Freude hat uns erfüllt, als du in den letzten Ferien deine Freunde dazu bewegt hast, gemeinsam einen ganzen Tag lang den Freizeitpark im Wald zu säubern. Fünf volle Müllsäcke habt ihr zusammengetragen. Das hat uns Einblick in deine verantwortungsvolle Grundhaltung zu Umwelt und Klima gegeben. Bravo! Hervorragend gemacht.

Unser Herz hat Freudensprünge vollbracht, als wir beobachtet haben, wie du den Regenwurm von der Straße aufgehoben und in die nahe Wiese gelegt hast. Es hat uns tief berührt, zu sehen, wie achtsam du mit allem Leben umgehst.

Schön, dass du da bist, Liam. Die Welt wäre ärmer ohne dich und wir ebenso.

Wir lieben dich! 

Deine Mama, dein Papa.

Liams Augen strahlten, als er aufschaute. Er stand auf, klammerte sich fest an Mama und Papa.

Nach einer Weile hörte er den Vater sagen: »Liam, wir helfen uns gegenseitig. Du hilfst uns, herzensgute Eltern zu bleiben, und wir helfen dir, ein wertvoller Mensch zu bleiben.«

»Wann ist man ein wertvoller Mensch, Papa?«

»Wenn dir das, wie du bist, wichtiger ist als das, was du hast. Du musst nicht dieses können und jenes leisten, damit wir dich wunderbar finden. Denn du bist es schon. Du bist ein wertvoller Mensch, Liam. Es geht darum, diese inneren Werte zu erhalten, damit du du selber bleibst. Dann bist du als Erwachsener authentisch und lässt dich nicht von wirtschaftlichen und politischen Organisationen für ihre Zwecke missbrauchen.« 

»In der Klasse lachen sie mich aus, weil ich nicht so gute Noten habe – nur Archie nicht.«

»Ja, leider wird der Wettstreit um gute Noten schon in der Schule gezüchtet. Aber später, wenn du ein erwachsener Mann bist, bist du nicht reich, wenn du viele Bank-Noten hast, sondern wenn dein Herz voller Werte ist und du dich an diesen inneren Werten orientierst. Wir helfen dir dabei, deine hohen Werte im Herzen zu finden.«

»Du, Mama, was heißt das, herzensgute Eltern?«

»Wenn wir dich beschützen, behüten und ernähren, damit du dich optimal entfalten kannst, so wie du bist. Wenn wir uns bemühen wahrzunehmen, was deiner Entwicklung nottut und wir dir eine Hilfe dabei sind, herauszufinden, wer du bist. Dazu braucht es Vertrauen, Geduld und Zuversicht. Denn wie eine Raupe zu einem Schmetterling wird, wirst du dich entwickeln, mit dem für dich richtigen Tempo.«

Liam fischte ein Taschentuch aus der Hosentasche und schnäuzte sich die Nase. »Was heißt entwickeln?«

Die Mutter zeigte auf das am Boden liegende Buch Naturführer für Kinder. »Schau, dieser blaue Schmetterling … der war winzig klein zusammengewickelt in der Raupe und niemand wusste, welche Farbe er mal haben wird. Wenn er sich entwickelt hat, sehen alle, wie er ist. Keiner hat ihn blau gefärbt, das hat er mit ins Leben gebracht.«

»Aber der Papa von Alessio hat gesagt, wir müssen mehr lernen als spielen, um etwas zu werden und erfolgreich zu sein.«

Seine Mama streichelte ihm über das Haar. »Erfolg richtet sich danach, ob man ein Ziel erreicht. Die Ziele können sehr verschieden sein. Für die einen ist das Ziel, mit viel Geld reich zu werden. Für die anderen, den inneren Reichtum, den jeder Mensch im Herzen trägt, im Alltag zu benutzen, was sich in seinem Umgang mit anderen Menschen und der Natur zeigt. Wir helfen dir, so zu werden wie du bist, damit du später deine Ziele erreichen kannst.«

»Was heißt authentisch, Papa?«

»Zuverlässig, glaubwürdig, aufrichtig, ehrlich. Ein authentischer Mensch ist einer, der sich selbst kennt, dem du blind vertrauen kannst, weil du weißt, dass er dich nicht betrügt. Voraussetzung dazu ist, dass man sich selbst kennenlernt.«

 Nach kurzer Zeit der Stille ergänzte der Vater: »Du bist ein kostbarer Mensch, Liam, erhalte es. Wir lieben, wie du bist, nicht, was du hast, darum hat dieses grüne Zeugnis größere Bedeutung als das von der Schule.« 

Liam schaute zu Mama und Papa auf, lehnte sich an sie an und atmete tief aus. 

Dann rief er: »Mama, ich habe Riesenhunger.«

Nach dem Abendessen zog sich Liam zurück. Die Eltern sahen ihm nach, wie er zufrieden in seinem Zimmer verschwand. Die Mutter setzte sich neben den Vater und sah ihn erwartungsvoll an. 

Er legte einen Arm um ihre Schultern und sagte mit grimmigem Unterton: »Unsere Schulen züchten Roboter für das staatsheilige Wirtschaftswachstum heran. Dabei geht es um die Menschenwürde der Kinder und Jugendlichen. Sie haben ein Anrecht auf die erforderliche Zeit, die eine ihrem Alter entsprechende, gesunde Gehirnentwicklung benötigt. Das gelingt nur in einer lebenden, analogen Welt.«

Die Mutter legte ihren Kopf an die Schulter ihres Mannes und meinte, das sei auf jeden Fall so. Sie gehe einig mit dem Neurobiologen Gerald Hüther und seiner Aussage, dass Menschlichkeit sich nur entwickle im unmittelbaren Umgang mit Menschen, nicht mit Maschinen, Geräten, Zahlen. Er plädiere für ein humanes Bildungssystem, das sich am Menschen orientiere und nicht an den wirtschaftlichen Vorgaben einer Erfolgszwangswirtschaft. Den Kindern fehle die notwendige Entwicklungszeit, die ein altersgerechtes Zusammenspiel von Herz, Kopf und Hand benötige.

Der Vater massierte zart ihr Ohrläppchen und betonte, dass er gleicher Meinung sei. Auch die Entwicklungspsychologie würde das bestätigen. Durch den Stress in der Schule bleibe den Kindern kein Zeitraum, um Kind zu sein. Hüther betone auch, dass es für die Hirnentwicklung unerlässlich sei, die Umwelt, besser Mitwelt, mit Bewegung, Neugier und kreativem Spiel zu erobern. Liam habe kaum die Möglichkeit dazu, zumal er stressbedingt immer mehr Zeit benötige, um die Hausaufgaben zu machen.

Die Mutter stimmte zu und sagte, sie würde sich darüber ärgern, dass zu Hause der Schulstress weitergehe. Nicht einmal für freies Spielen bleibe Platz und Liams angeborene Entdeckerfreude ersticke, weil er dauernd tun müsse, was ihm vorgegeben würde. Sie setzte sich gerade auf, trank ihre Teetasse leer. Energisch drehte sie den Kopf zu ihrem Mann, sah ernst in seine Augen. Deutlich äußerte sie ihre Überzeugung, dass sie seit längerer Zeit darüber nachdenke, ob es nicht besser wäre, Liam würde eine Schule besuchen, die sich an menschlichen Werten orientiere und nicht an der PISA-Studie.

Der Vater klopfte auf den Tisch und sagte, er sei damit einverstanden, die Schule zu wechseln. Wenn schon Hausaufgaben, dann sollten es Herzaufgaben sein, sonst besser keine.

 Er stützte die Ellenbogen auf den Tisch, legte sein Kinn auf die gefalteten Hände. Langsam sprechend erklärte er, das wichtigste Ziel des Schulunterrichtes sei, Schüler zu selbstständigen, verantwortungsvollen Menschen auszubilden, die selber denken, eigenständig entscheiden und handeln. Sonst würden die Menschen auf eine digitale Demenz hinsteuern. Je größer in Facebook, desto dürftiger im Herz. Je mehr Follower im Netz, desto einsamer bei sich. Daraus entstünde Suchtverhalten.

»Da ist auch der Druck der Gesellschaft«, beklagte die Mutter, »die vorgibt, wer man ist, je nach Schulabschluss.«

»Ja, leider«, ergänzte der Vater, »sie diktiert sogar, wie wir auszusehen, welche Kleider wir zu tragen haben. In den Medien sehen wir täglich, wie unsere Zähne aussehen müssen. Wie spiegelglatt unsere Haut sein soll und welche Produkte das bewirken. In welchem Auto sitzend wir gesehen werden. Viele arbeiten für zwei, um bezahlen zu können, was die Werbung verlangt, dafür gibt es einen Arbeitslosen mehr. Wer nicht seinen Gefühlen und der Sprache seines Körpers vertraut, glaubt dem Werbefeldzug der Wirtschaft und unterliegt dieser Fremdsteuerung. Mit diesem krank machenden Wettkampf, größer und stärker sein zu müssen als die anderen, bleibt die Evolution stehen, denn diese benötigt Kooperation statt Streit und Krieg. Ich befürchte, dass es eine Katastrophe braucht, um alles wieder in menschenwürdige Bahnen zu lenken.«

Er streckte und reckte sich, stand auf und sagte: »Komm, wir schlendern mit Liam durch den Wald, das bringt ihn wieder zu sich selbst. Wer mit der Natur verbunden ist, ist mit der eigenen Identität verbunden. Ein Waldspaziergang wird uns allen guttun.«

»Ja«, bestätigte die Mutter, »bemühen wir uns weiterhin, das Bestmögliche aus dem zu machen, was ist. Das Lebenszeugnis hilft unserem Sohn dabei, weil es ihn als Mensch anspricht.«

 

Aus dem Buch von Rolf Müller: „Kompost für die Seele“

ISBN 978-3-942641-86-9

Taschenbuch 296 Seiten, EUR 18.50, CHF 22.90

Erhältlich im Buchhandel oder im IGT

IGT, Institut für ganzheitliche Therapie

Eichlibachstrasse 14, CH 9545 Wängi

+41 (0)52 366 40 74, www.i-g-t.com

 

Rolf Müller, Eichlibachstrasse 14, CH 9545 Wängi, www.i-g-t.com, info@i-g-t.com