Spielen Sie schon oder werden Sie noch gespielt? Im Lebenstheater von Elisa Dorandt kommen all die unbewussten Strukturen und Emotionen auf die Bühne, die uns davon abhalten, unser Leben erfüllt und voller Kraft zu führen – durchaus manchmal eine Reality-Comedy mit emotionalen Entgleisungen.

 

„Wir haben vor nichts mehr Angst als vor unseren Emotionen“, sagt die elegante, groß gewachsene Frau. „Nur wer emotionale Balance erlangt und zeigt, was ihn wirklich bewegt, kann seine inneren Knoten lösen und wieder ins Leben kommen“. In dem von ihr geleiteten „Lebenstheater“ kann der Zuschauer selbst wählen, ob er als Hauptdarsteller mitmachen und endlich Regie in seinem Leben führen – mit allen damit zusammenhängenden Emotionen – oder wie gewohnt die Statistenrolle weiterspielen will. Dort, wo sonst die traditionellen Epen der Literaturgeschichte aufgeführt werden, zeigen und erkennen an diesem Abend die Zuschauer ihre eigenen Verstrickungen im Leben: Aufgeführt wird das eigene Lebensdrama.

„Verdrängte Emotionen schneiden uns von unserem Leben ab – es ist der „emotionale Müll“, der letztendlich unzufrieden, unglücklich und krank macht“, sagt Elisa Dorandt sehr deutlich. Die Kölnerin bezeichnet sich als Emotional-Mediatorin, die den Menschen zeigt, wie sie mit ihren verdrängten Gefühlen bewusster und sinnvoller umgehen können.
Jahrelang erfüllte die in den Medien bekannt gewordene temperamentvolle Frau lebensbedrohlich erkrankten Kindern mit großem Erfolg Herzenswünsche. Später erlangte sie durch den Bestseller von Eva Sanders „Ich hatte Krebs und wurde gesund“ Aufmerksamkeit – und weil sie schwerkranken Menschen über die von ihr entwickelte „Emotionalmedikation“ wieder Leben einhauchte. 2007 gründete sie die Elisa-Dorandt-Stiftung „der Mensch“, in der sie aufklärt und neue Lebensperspektiven aufzeigt.

 

Verantwortung für die eigenen Gefühle

Jetzt bietet sie über ihre Stiftung das so genannte „Lebenstheater“ an, in dem Zuschauer die Hauptrollen spielen können. Bei der Premiere des Lebenstheaters erzählen vom frisch verliebten Paar bis zur nach neuer Orientierung suchenden 50-jährigen Managerin ganz „normale Menschen“ von ihren Er- und Beziehungsproblemen, Krankheiten und ihren alltäglichen Sorgen.

Viele „Schauspieler“ sind frustriert und schildern auf der Bühne, wie sie Lebenspartner oder Vorgesetzte als arrogant, neidisch, egoistisch, ungehobelt, langweilig und so weiter empfinden. Der Sinn des Lebenstheaters besteht nun darin, den Geplagten und Frustrierten aufzuzeigen, dass der Andere immer nur der Auslöser der eigenen Gefühle ist und es die Verantwortung des Einzelnen ist, die entstandenen Gefühle als seine eigenen anzuerkennen.

 

Ende der Projektionen

Schuld sowie andere negative Empfindungen sollen nicht länger auf andere projiziert werden. Die Menschen auf der Bühne lernen, dass Fühlen allein dabei nicht ausreicht, sondern dass das Gefühl vielmehr ganz bewusst erlebt werden muss. Im Endeffekt geht es immer um den richtigen Umgang mit Gefühlen.

„Alles, was ich in mir nicht ertrage, regt mich bei anderen Menschen auf“, sagt Elisa Dorandt. Auf der Bühne lernen die Klienten schnell, den ausgestreckten, auf den anderen gerichteten drohenden Zeigefinger auf sich selbst zu lenken. Nichts anderes ist die Botschaft des Lebenstheaters: seine Emotionen erkennen und damit vorerst einmal bei sich zu bleiben. Haben die Probanden dies, meist nach einigem Widerstreben, erkannt, huscht bei vielen von ihnen ein sichtbares „Aha“ übers Gesicht. Entspannung tritt ein – auch bei Zuschauern, die das Gesehene auf ihre eigene Lebenssituation ummünzen.

Erkannt werden soll, dass wir alle in unseren Verhaltensweisen längst überholte Muster haben, die wir von Generation zu Generation weitergeben. Diese Prägungen bleiben lebenslänglich in den Körperzellen als Informationen gespeichert, die Unfrieden, Konflikte, Ängste und schließlich Krankheiten auslösen. So ziehen wir wie ein Magnet immer wieder Menschen an, die uns offensichtlich nicht gut tun. Gerade die Prägungen, die wir unbedingt loswerden wollen, lassen uns nicht los. Dorandt drückt es so aus: „Wir haben schlicht und einfach die Bedienungsanleitung vergessen, wie Leben geht“.

Auf der Bühne ist ein um seine Romanze bangendes Paar überrascht zu vernehmen, dass in der Liebe die Emotionen gegenseitig genutzt und geklärt werden können. Wir brauchen den anderen, um an unsere Emotionen heranzukommen, sagt Dorandt. Ein Zündholz brauche eben eine Reibefläche, um sich zu entzünden.

Eine junge Mutter, die ihr eigenes Leben bereits für ihr siebenmonatiges Baby aufgegeben hat, erfährt staunend, dass ihr auf der Bühne krabbelndes Kind ein eigenes Recht auf Emotionen hat und sie sich mit ihrer mütterlichen Fürsorge zurücknehmen soll. „Sie müssen alles für sich tun“, fordert Dorandt die Mutter auf. „Geben Sie Ihrem Kind nur eine klare Ordnung. Denn jedes Kind braucht von Anbeginn eine klare Ordnung für die emotionale Balance“.

Das Reality-Event soll aufzeigen, was jeder für ein Theater mit seinem Leben macht und warum er leidet. Und die Mediatorin fragt nach: „Wollen Sie weiter funktionieren, kämpfen, unter Schmerz, Verletzung, Schuldzuweisung leiden oder die Hauptrolle in Ihrem Leben übernehmen und zugleich Regie führen?“

Über den Autor

Avatar of Ingomar Schwelz

ist freier Autor und Journalist. Der gebürtige Österreicher ist seit 40 Jahren journalistisch tätig, davon war er über 20 Jahre Redakteur bei Zeitungen im deutschsprachigen Raum. Zuletzt war er langjähriger leitender Korrespondent der weltgrößten Nachrichtenagentur associated press [AP] in Berlin.

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