Einen großartigen Kommentar von B. Müller zu unserem Gesellschafts- und Sozialsystem gibt es auf süddeutsche.de zu lesen.

Müller erklärt dort, warum unser Sozialsystem und auch unsere Vorstellung von Gesellschaft längst überholt sind.

„Der Sozialstaat beruht auf der fundamentalen Tatsache, die gleichzeitig gründlich vertuscht wird, dass die Arbeit nicht für alle langt, das durch sie erzeugte Geld aber schon.“

Schon seit geraumer Zeit nimmt die Produktivität zu, die benötigte Arbeit ab:

„Die Produktivitätsrate der Arbeit, heißt es, steige hierzulande jährlich um 0,6 Prozent. Um denselben Wert zu erzeugen, braucht man also jedes Jahr 0,6 Prozent weniger Zeit und damit Arbeitskraft. […] Doch wie auch sonst so oft, ist es der Menschheit auch hier geglückt, aus einer Lösung ein Problem zu machen.“

Das liegt vor allem daran, dass sich die gesamte Gesellschaft über Arbeit definiert – sowohl ideologisch als auch wirtschaftlich. Das ist widersinnige Realitätsverweigerung, aber es ist scheint schwierig diese Konditionierung abzulegen. Und so führen wir ein System fort, dessen Disfunktionalität wir fleißig ignorieren. Derzeit haben wir folgerichtig eine Besteuerung, die bei rund 50 % liegt – brüderlich geteilte Einkünfte sozusagen.

Von der Arbeits- zur Lebensgemeinschaft

„Im Grunde garantieren Staat und Gesellschaft längst jedermann ein Grundeinkommen, das er in jedem Fall bezieht, egal, was ihm widerfährt. Es hat sich bislang auf verschiedene Weise verkleidet, um seinen einheitlichen Charakter nicht preisgeben zu müssen: bei denen, die im Erwerbsleben stehen, als Sockelfreibeträge in der Besteuerung oder als Kindergeld, bei den anderen als Sozialhilfe und Arbeitslosengeld, vulgo Hartz IV.

Wie wäre es, wenn man das Bürgergeld, das faktisch da ist, endlich auch bei seinem Namen nennen wollte, um es bedingungslos und lebenslagenunabhängig auszuzahlen? […]

Warum sollte man die Leute zwingen, nach einer Arbeit zu suchen, die es nicht mehr gibt?“

Arbeit soll sich auch nach Müller wieder lohnen: Wer nicht arbeitet, soll ein ordentliches Auskommen haben, wer es freiwillig tut, ordentlich dazuverdienen. Das würden Motivation und Innovation vorantreiben und außerdem das Tätigkeitsspektrum von überflüssiger Arbeit befreien.

„Außerdem bricht die Arbeit von unten nach oben weg, die Jobs verschwinden in der Reihenfolge ihrer Unattraktivität, […]. Die stumpfsinnigeren Dienstleistungen werden aussterben […].“

Den Arbeitswillen abtrainieren

Innovation wird außerdem fast alle warenproduzierende Jobs auslöschen, denn Waren werden nach Müllers Vision in nicht allzu ferner Zukunft wie von selbst und ohne menschliche Arbeitskraft „wachsen“. Bis dahin sollten wir die Gesellschaft von einer Arbeits- in eine Lebensgemeinschaft umgewandelt haben.

„Dann wäre es gut, wenn die Gesellschaft sich nicht länger über die Arbeit definiert: Es wird nämlich keine mehr da sein. Mit dem Abtrainieren sollten wir heute schon anfangen.“

Hier gibt es den ganzen Artikel

 


 

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6 Responses

  1. Cem

    Finde das BEDINGUNGSLOSE Grundeinkommen eine hervorragende Idee. Eine Frage stellt sich mir noch. Wenn jetzt z.B. Deutschland das BG einführen würde, wollten bestimmt ne Menge Leute hier her ziehen. Also müsste man das europa… nein, weltweit einführen?!?

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  2. Margarita

    „könnte mir vorstellen dass sich ziemlich Viele gänzlich in der virtuellen Realität verlieren werden. Eine ständige Berieselung mit diesen Medien macht den Menschen unselbstständig und träge was ihm schließlich gänzlich die Motivation nimmt sich ein neues Ziel im Leben zu suchen.“

    Für alles was man haben will, muss man bezahlen. Vielleicht wäre gut wenn TV und andere PC-Spiele werden fast die Hälfte von dem Grundeinkommen kosten. Oder lebt man sein eigenes Leben und gibt Geld aus für eigene Bedürfnisse und Positive Entwicklung oder um das Leben von anderen zu sehen bezahlt man mit seinem Geld, Zeit, Einsamkeit, Depressionen…
    Vor 5 Jahren habe mich entschieden ohne Fernseher und Computerspiele zu leben – habe nur Lebensqualität dadurch gewonnen, was auch allen wünsche. Viel Licht, Liebe, Harmonie und Erfolg in allem gutem wünscht allen Margarita.

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  3. Martin

    Naja .. ich muss dir sagen dass ich eine ganze Weile Arbeitslos gewesen bin. Das Arbeitslosengeld welches ich bekommen habe hat mir gereicht. Es hat meine Grundbedürfnisse gedeckt und ich musste mir keine grossen Sorgen um das Leben machen. Die erste Zeit habe ich tatsächlich viel Zeit vor dem TV und Computer verbracht. Ich denke, wenn man nicht zu lange in das Arbeitssystem eingebunden war, hat man keine grosse Mühe auf die Schufterei zu verzichten.
    Daher denke ich dass es jungen Menschen halt einfacher fällt ihren eigenen Interessen nachzugehen statt sich auf die Gewohnheit „Arbeit“ zu verlassen.
    Wie dem auch sei, mir hat es sehr gut gefallen nicht arbeiten zu müssen und trotzdem „sorgenfrei“ leben zu können. Aber ich habe natürlich bald gemerkt dass TV und Computer mir persönlich nicht viel geben und habe begonnen eigenen Projekten nachzugehen.
    Was ich damit sagen will ist, dass man sich vor allem Gedanken über die Jungen Leute machen muss und nicht über die jetzige Generation welche schon einige Jahre in der Arbeitswelt gelebt haben. Deiner angeführten Studie sollte man daher nur bedingt vertrauen.
    Ich denke dass die heutigen Massenmedien für junge Menschen eine sehr reizvolle Möglichkeit bietet sich darin zu verlieren.

    Zu deinem Argument nachdem sich der Markt von selbst regulieren wird muss ich sagen, dass dies wohl nicht im Interesse dieses Systems liegen kann. Was ist denn der Unterschied zu heute? Das Grundeinkommen muss ja so bemessen sein, dass die Grundbedürfnisse gedeckt sind. Wenn nun das Grundeinkommen für diese Grundbedürfnisse dank steigender Preise nicht mehr ausreicht ist man ja trotzdem auf einen Job angewiesen. Aber wie du selbst sagst könnte 90% der Arbeit von Maschinen erledigt werden wonach nur noch 10% Arbeit zur Verfügung stünde. Somit hätten wir wieder das Problem dass einige Leute keine Arbeit finden würden und sie sich halt das nötige „Kleingeld“ anders besorgen müssen (Stichwort Kriminalität, Gewalt usw.).

    Wichtig ist einfach zu erkennen, dass ein Grundeinkommen allein nicht ausreicht. Es muss sich auch ein Wandel in der Gesellschaft vollziehen der den Menschen je nach Interesse eine sinnvolle Beschäftigung garantiert.

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  4. redlope

    nun, ich denke auch, dass die meisten Menschen eigentlich etwas „tun“ wollen.
    Die, die wirklich nur vor der Glotze versauern würden, das sind die, die den Arbeitsethos schon viel zu sehr verinnerlich haben und denen nichts mehr einfällt mir ihrer Zeit zu tun, wenn ihnen keiner sagt, was sie tun sollen.

    Andere würden vielleicht für einige Wochen in diesen Trott verfallen, auch zur Erholung im weitesten Sinne – aber sie würden sich bald langweilen und nach einer sinnvollen Tätigkeit suchen.
    Da bin ich mir sehr sicher.

    Endlich käme man dazu, die Dinge zu tun, die man schon immer tun wollte, die Dinge, zu denen bisher die Zeit fehlte… weil…
    …weil man gezwungen war, seine Lebenszeit den Tätigkeiten zu füllen, die irgendjemandem, der Geld hat, Profit versprachen – und die deshalb Lohnarbeit wurden.
    Wie sinnvoll oder wichtig oder nötig eine solche Tätigkeit ist, wurde nie gefragt.
    Wir wurden ja auch von Kleinauf drauf trainiert (dressiert), Aufträge auszuführen, und wenn wir es gut machen, bekommen wir ein Lob.

    Das besten Beispiel sind entfremdete Callcenter-Verkaufsjobs und andere Formen der Arbeits-Prostitution. Niemand würde ihnen eine Träne nachweinen.

    Insofern sehe ich nicht das Problem, dass die Menschen nicht wüßte, was sie anfangen sollen. Reiche Müßiggänger fragt auch niemand, wie sie ihren Tag füllen, wenn ihnen keiner sagt, was sie tun sollen.

    Es gibt aber schon ein Problem, und das sind die unangenehmen, anstrengenden, stumpfsinnigen aber trotzdem notwendigen Tätigkeiten. Die müssten dann sehr gut bezahlt werden, damit jeder, der sich etwas zu seinem Bürgergeld dazuverdienen will, motiviert wäre, für eine gewisse Zeit einen solchen Job zu übernehmen.

    Wegfallen würden dann natürlich auch eine Menge der Finanz- und Bankerjobs, die nur mit der Not der Menschen jonglieren… 😀

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  5. pascal

    nunja martin, dazu möchte ich dir erstmal eine frage stellen..
    was würdest du denn machen, wenn du ein grundeinkommen hättest?
    würdest du den ganzen tag auf der couch liegen und tv gucken/ pc spielen?

    einer studie zufolge sagen 80% der bevölkreung dtls von sich selbst, dass sie ihren job weitermachen würden, glauben aber selbst, dass fast jeder andere nichts machen würde.

    außerdem gibt es derzeit rund 4 mio. menschen in dtl. die (notgedrungen oder nicht) nichts machen..
    einige die jetzt arbeiten könnten dann ihren job aufgrund von nichtgefallen etc. kündigen und quasi bedenkenlos wechseln oder wie du meintest rumhängen. andere der derzeit arbeitslosen könnten dadurch einen job finden.

    und um deine befürchtungen ein wenig zu nehmen; der markt würde sich von alleine regulieren. denn wenn keiner arbeiten geht, werden die produkte weniger und somit teurer. dadurch würden die leute nach jobs suchen, um ihr täglich brot zahlen zu können.

    schade find ich das zu viele motivierte menschen einen job suchen und leider keinen finden. aus solchen motivierten menschen werden dann depressive, evtl. agressive, gewalttätige oder kreminelle menschen.
    denn was tut man wenn man mit dem geld das einem bleibt nicht über die runden kommt? (ich rede von wirklichem hunger und existenzängsten) man ergreift jede chance um sich über wasser zu halten und dass das nicht selten kreminelle machenschaften sind, muss ich hier nicht erklären.

    also lieber ein existenzsicherndes system für jeden schaffen, und wer sich dann noch luxusartikel leisten möchte, der muss halt arbeiten gehen.

    das grundeinkommen wäre defenitiv der richtige weg in die zukunft.. denn 90% der gesammten arbeit können in zukunft von maschienen erledigt werden. das würde 90% arbeistlosigkeit bedeuten..

    und genau darauf arbeiten wir ja auch seid der industrialisierung hin:

    den menschen von der arbeit zu berfreien!

    netten gruß – pascal

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  6. Martin

    Interessante Idee.
    Aber nehmen wir mal an diese Vision würde Wirklichkeit. Jedermann erhält ein Grundeinkommen, dass ihm ein mehr oder weniger „sorgenfreies“ Leben garantiert. Keine Frage, es wäre sicherlich vielen Menschen geholfen und das Leben würde mit Sicherheit um ein vielfaches schöner.
    Aber was ist mit der Kehrseite der Medaille?
    Was wird die Menschen davon abhalten sich gänzlich der Ersatzbeschäftigung TV, Videospiele und Internet hinzugeben und stattdessen das gemeinschaftliche Zusammenleben, die Lebensgemeinschaft aktiv zu unterstützen? Dies wird sicherlich nicht auf Alle zutreffen, aber ich könnte mir vorstellen dass sich ziemlich Viele gänzlich in der virtuellen Realität verlieren werden. Eine ständige Berieselung mit diesen Medien macht den Menschen unselbstständig und träge was ihm schliesslich gänzlich die Motivation nimmt sich ein neues Ziel im Leben zu suchen.
    Vielfach ist es ja leider so, dass erst ein Mangel (in unserem Fall das Geld) den Menschen ein Ziel vorgibt und er erst dadurch die Motivation erhält sich Kreativ einzusetzen um den Missstand zu beseitigen.

    Gruss Martin

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