14 Tage vollkommene Schwärze. Keine Chance, der Konfrontation mit den eigenen Dämonen zu entkommen. Angela Reifer tauchte ein in vollkommene Dunkelheit und fand das Licht in ihrem Inneren.
Als ich das erstemal das Wort Dunkelraumretreat hörte, dachte ich, na ja, das sind mal drei Tage im Dunkeln quasi übers Wochenende. Das geht ja noch. Aber dann erzählte meine beste Freundin, dass die Dunkelheit 14 Tage dauern soll. Selbstversorgung. Essen und Trinken musste mitgebracht werden, ein Meditationskissen und eine extra Decke. Das warf viele Fragen auf. Wie werde ich mich fühlen, wenn ich 14 Tage lang hier nicht raus komme? Welche Ängste werden mich überfluten? Wie komme ich mit all diesen Menschen zurecht, die ich noch nicht mal sehen kann? Was esse ich in der Dunkelheit bzw. wie finde ich all mein Essen und Trinken, meine Socken?
Ich trug die ersten Wasserkästen in das verdunkelte Seminarhaus und richtete mit meinen Utensilien das Zimmer ein. Kann mir jemand sagen, was ich die ganze Zeit im Dunkeln tun soll, ohne Fernseher, Bücher, Telefon, ohne die alltägliche Ablenkung. Wie werde ich mit mir zurechtkommen? Was wird mit mir geschehen in der Dunkelheit? Ist jemand da für mich? Zum letzten warmen Essen trafen sich alle zusammen abends im Gruppenraum. Ja und dann ging das Licht aus, einfach so. Das Abenteuer begann und es war wirklich ein Abenteuer. Das, was in den nächsten 14 Tagen geschah, überstieg meine Erwartungen bei weitem. Ich wurde konfrontiert mit Bildern, Gedanken und Welten in mir, die ich öfter gewusst, manchmal geahnt und niemals vermutet hätte.

Das Licht im Inneren

Meine Motivation für dieses Retreat war zum einen, mich meinen psychischen Traumata zu stellen und zum anderen, mich spirituell weiterzuentwickeln. Was mir dabei half war tatsächlich die Dunkelheit und die Tatsache, dass ich mich 14 Tage lang nur um mich kümmern konnte. Sämtlicher Alltag war vergessen. Endlos Zeit. Im Schlaf wie im Wachzustand waren die Gefühle, Empfindungen, Gedanken und Wahrnehmungen viel stärker präsent. Ich konnte manchmal meine Gedanken und die der anderen hören, meine Gefühle fast mit den Händen berühren. Das Stärkste aber war die Dunkelheit. Das hätte ich mir vorher nicht vorstellen können. Es war nicht dunkel, es war schwarz um mich herum. Es war das große Nichts. Nirgendwo ein Lichtschein. Was geschieht mit mir, meinem Ich, meinem Selbst, wenn ich anfange leer zu werden? Was bleibt übrig?
Durch die lange Dunkelheit schüttete die Zirbeldrüse das Hormon Melatonin verstärkt aus. Körper und Geist begannen zu reparieren und sich zu erneuern. So viel Melatonin hatte ich wohl das letzte Mal im Mutterleib erhalten. Mein Gehirn begann deshalb selber Licht zu produzieren. Vor allem wenn ich aufwachte, sah ich Licht in allen möglichen Farben. Ich sah bunte Bilder im 3-D Format. Ich habe diese Art Bilder nicht wieder vergessen.

Der Geist entspannt sich

Irgendwann war die Dunkelheit fast normal für mich. Körper und Geist warteten nicht mehr auf das Licht. Es kam einfach keines mehr. Ich schloss die Augen auch nicht mehr, da ich ja sowieso nichts mehr sah. Und es war einfach zu anstrengend, die Augen ständig zusammen zu kneifen. In mir machte sich zunehmend die Entspannung breit. Irgendwann war ich meine Zellen, war ich der Tanz und war ich die Wasserflasche. Nach diesen bewegten 14 Tagen sah ich jünger denn je aus, war strahlend vor Glück. Gleichzeitig war ich so entspannt, dass es wunderbar war, auf der Welt zu sein und alles zu genießen. Seit dem Dunkelraumretreat ist Präsenz kein Wort mehr für mich, sondern Erfahrung und mein täglicher Alltag.

Information:

Infos zum Dunkelraum – das Darkroom ist eine alte Methode aus vielen Weisheitstraditionen. Der Rückzug in die Dunkelheit ist in Ägypten, im tibetischen Buddhismus und im Schamanismus eine Form der Initiation. Um ganz ohne Licht sein zu können, werden im Seminarhaus alle Fenster, Türen, auch Bäder und Toiletten so isoliert, das kein Lichtschein mehr hindurchfällt. Für sein Essen und Trinken sorgt jeder selbst. Es wird nicht gekocht. Empfehlungen können gegeben werden. Bevor es im Haus endgültig dunkel wird, haben alle Teilnehmer ausgiebig Gelegenheit ihre Zimmer, Einzel- und Mehrbettzimmer, einzurichten und sich mit dem Haus vertraut zu machen. Die meiste Zeit ist jeder für sich allein. Das Retreat wird betreut von einer erfahrenen und kompetenten Therapeutin. Sie leitet auch die Sessions im Gruppenraum. Dort ist Raum für Austausch, Bewegung, Tanz, Massagen und Meditation. Zeiten des Schweigens sind vorgesehen. In der gesamten Zeit gibt es keinen Kontakt nach außen, auch kein Handy oder Telefon. Die einzige Verbindung geht über den Seminarhausbesitzer. Voraussetzung für die Teilnahme sind Selbsterfahrung u. Selbstverantwortung. Das nächste Dunkelraumretreat findet im Februar 2004 statt und dauert 14 Tage. Kontakt und Informationen bei Angela Reifer, Telefon 030 – 787 036 23

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