„Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder; vielmehr macht sie es sichtbar.”

(Paul Klee)

Woher kommt der kreative Impuls? Die westliche Kultur weiß darauf wenig zu antworten – es sei denn, man macht mit Freud „das Unbewusste“ dafür verantwortlich oder greift auf herkömmliche religiöse Begriffe wie „Seele” oder „Geist” zurück. Ich möchte daher vorschlagen, das Phänomen Kunst einmal von der Seite der östlichen Mystik anzugehen – genauer gesagt, von der Meditation als eine ihrer Grundlagen.

Meditation ist eine Methode, um zu unserer Quelle zurückzukehren, durch alle Schichten unserer Psyche hindurch – bis hin zu jenem Bewusstsein, das hinter ihr wohnt. Unsere Kreativität entquillt diesem Bewusstsein so natürlich wie aufwallendes Wasser einem frisch gegrabenen Brunnen – was aber nur deshalb möglich ist, weil diese Quelle jenseits von jedem „Ich” und „Mein” liegt. Diese Kraft erschafft pausenlos. Wie sonst könnte diese schöne Erde existieren? Sie ist nichts anderes als ein ständiger Verwandlungstanz kreativer Energie, ein nicht endendes Spiel, in dem das unsichtbare Bewusstsein sichtbare Ausdrucksformen annimmt.

Kreativität und Originalität kommen also aus dem tiefsten Inneren. Wenn man aber dorthin gehen und dies entdecken möchte, dann ist der Körper ein besserer Zugang als der Verstand. Meine Arbeit hat mich gelehrt, wie wichtig es ist, beim Malen den ganzen Körper einzusetzen. Aber dazu muss man erst einmal auf organischem Wege in Kontakt mit der eigenen Energie kommen – dann kann man diese auch zum Ausdruck bringen. Tanzen ist zum Beispiel eine ausgezeichnete Methode, diese organische Qualität in sich zu wecken. Es bewirkt ein Gefühl von unsichtbaren Wurzeln im Innern – als wäre man mit einer Energiequelle jenseits von sich selbst verbunden. Und dieses Gefühl ist von besonderer Bedeutung, wenn wir uns der Naturmalerei zuwenden. Denn man wird die Erfahrung machen, dass dieses Gefühl, das man in sich selbst entdeckt hast, einem auch von außen entgegen kommt – aus den Bäumen, Blumen und Pflanzen! Auch die Natur besitzt diese Verbindung zu einer unsichtbaren Quelle. Und wenn ein Künstler sowohl die Wurzeln in seinem Innern als auch die der Natur versteht, vermag er etwas sehr Tiefes und Geheimnisvolles zu vermitteln. Die Natur ist ein einziger Tanz! Darum kommt es mir auch gar nicht drauf an, ob jemand gut oder schlecht malt – Hauptsache, er malt voller Freude. Tanzt deine Hand übers Papier? Darauf kommt es an!

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Doch ich möchte andererseits auch, dass meine Schüler zu innerer Stille finden – ohne die jede Naturmalerei ausgeschlossen ist; denn dafür muss man sich zunächst auf die Stille der Natur einstimmen. Dein Blatt muss sein wie ein stiller, reglos glatter See, auf dessen Oberfläche sich die Natur spiegelt. Je tiefer du in dein Inneres gehst, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass du deine kreativen Quellen anzapfen wirst. Je tiefer du nach innen gehst, desto gewisser wirst du auf Stille, Leere und Seligkeit treffen. Alles zusammen kommt im gleichen Paket – ein unverhofftes Gratisgeschenk für Sucher, die zufällig auch Künstler sind.

 

Die Natur will gesehen werden

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Als ich einmal für meine jüngste Schwester auf deren Bitte einige Kirschblüten malte, wurde mir ein besonderes Erlebnis zuteil, das mein Selbstbild als Künstlerin wesentlich verändert und geprägt hat: Denn in dem Maße, wie das Gemälde Gestalt annahm, spürte ich auf einmal, wie sich etwas Mystisches unter die Blüten mischte – fast so etwas wie eine Erkenntlichkeit, ein Dankeschön von ihnen an mich. Da begriff ich, dass die Natur Augen braucht, die sehen können. Sie braucht jemanden, der ihre Farben, ihre Blumen, ihre Formen und Muster zu erkennen und wertzuschätzen vermag. Später entwickelte sich hieraus eines der wichtigsten Elemente meiner Maltrainings: die Schüler einzuladen, in sich den Sinn für Kommunikation mit der Natur aufzuspüren – fühlen zu lernen, dass diese Liebe auf Gegenseitigkeit beruht. Dass also nicht nur sie die Natur malen möchten, sondern auch die Natur von ihnen gemalt werden möchte. Dass sie ihre Mysterien auf eine möglichst einfühlsame, poetische, ja psychedelische Art und Weise offenbart sehen möchte.

Dann trifft die innere Vision auf die äußere Natur und umgekehrt, und diese Kollision zündet den schöpferischen Funken – und der springt über auf das Papier.

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