Rupert Sheldrake im Gespräch mit SEIN

Tiere haben oft ein unglaubliches Gespür für Dinge, die noch gar nicht passiert sind, und einen Orientierungssinn, der an Wunder grenzt. Vor allem Hunde und Katzen spüren häufig, wann ihr Besitzer nach Hause kommt, manche, wenn „ihr Mensch“ in der Ferne einen Unfall erleidet. Vieles deutet darauf hin, daß Tiere über telepathische Fähigkeiten verfügen. Ihre Kommunikation scheint durch ein soziales bzw. morphisches Feld gesteuert zu werden – auch in Ihrer Beziehung zu Menschen, die sehr viel tiefer reicht, als bisher angenommen wurde. Was wir von Tieren lernen können ist eines der Themen, die Sheldrake im Rahmen seines ganzheitlichen Ansatzes  erläutern wird – ganz im Sinne seines Mottos, die „Natur mit Verstand und Herz zu erforschen“. Dabei stützt er sich auf Berichte von Tierbesitzern aus aller Welt sowie auf eigene ausführliche Experimente.

 

SEIN: Mr. Sheldrake, in Ihrem neuen Buch „Der Siebte Sinn der Tiere“ berichten Sie von vielen Beispielen der besonderen Wahrnehmungsfähigkeit von Tieren. Wie lassen sich z.B. deren Vorahnungen bei Erdbeben oder Unwettern erklären?

Sheldrake: Es gibt viele Beispiele von Vorahnungen von Tieren bei Erdbeben und Unwettern. Diese Vorahnungen könnten einen großen praktischen Wert haben und hätten, wie z.B. bei den Beben jetzt in der Türkei, in Griechenland oder Taiwan, Leben retten können. In China ist es schon seit 25 Jahren gang und gäbe, diese Methode der Voraussagung zu nutzen. Einige große Beben konnten so erfolgreich vorhergesagt werden und viele hunderttausend Menschenleben wurden so gerettet. Niemand weiß, wie Tiere auf die herannahenden Erdbeben im voraus ansprechen und bislang gab es auf diesem Gebiet auch keine Forschung hier im Westen. Eine Möglichkeit ist, daß die Tiere auf elektrische Ladungsänderungen reagieren, die den Erdbeben vorausgehen; eine andere Möglichkeit wäre, daß sie kleinste Erschütterungen spüren, die wir Menschen nicht wahrnehmen können. Veränderungen in ihrem Verhalten, beispielsweise vor Stürmen, könnten ihre Erklärung auch in höherer Sensivität gegenüber Luftdruck oder elektrischen Strömungen finden.

SEIN: Gibt es Situationen, die sich nicht ohne weiteres auf die besondere Empfindlichkeit gegenüber physikalischen Veränderungen oder dergleichen zurückführen lassen?
Sheldrake: Auch wenn einige der Vorahnungen mit physikalischen Gegebenheiten erklärt werden könnten, ist es bei anderen eher unwahrscheinlich. Während des zweiten Weltkriegs beispielsweise gaben viele britische Hunde und Katzen Warnungen vor Luftangriffen, als  die Bomber noch mehr als 200 Kilometer entfernt waren; viele deutsche Katzen und Hunde taten dies umgekehrt in ähnlicher Weise. Diese Reaktionen konnten nicht dadurch erklärt werden, daß etwas zu hören gewesen wäre, da sich die Flugzeuge in viel zu großer Entfernung befanden und noch dazu gegen den Wind flogen. Einige Londoner Hunde kündigten beharrlich die deutschen V2 Raketenangriffe an. Da diese aber mit Überschallgeschwindigkeit flogen, waren sie ihrem eigenen Geräusch voraus. Auch hier gibt es also keine Möglichkeit, dieses Phänomen mit Hören zu erklären. Es gibt noch einige andere Beispiele von Vorahnungen, auf die ich in meinem Buch näher eingehe und für die es scheinbar keine physikalischen Grundlagen gibt, die aber auf eine Art Vorauswahrnehmung schließen lassen.

SEIN: Gibt es Unterschiede der Wahrnehmung bei verschiedenen Tierarten?
Sheldrake: In meinem Buch spreche ich drei Hauptpunkte dieser unerklärbaren Kräfte an, nämlich Telepathie, Orientierungssinn und Vorahnungen. Die Tierarten unterscheiden sich in ihren Fähigkeiten. Hunde sind wahrscheinlich die sensibelsten Telepathen , gefolgt von Katzen, Papageien und Pferden. In Hinsicht auf den Orientierungssinn sind viele Tierarten in der Lage, den Weg durch unbekanntes Gebiet nach Hause zu finden – nicht nur Hunde und Katzen, sondern auch Pferde, Schafe, Kühe und Schweine. Aber die imposantesten Heimkehr – Darbietungen beobachten wir bei Vögeln. Brieftauben finden ihren Weg über hunderte von Kilometern, immer und immer wieder, selbst dann, wenn sie in unbekannten Gebieten frei gelassen werden. Der Orientierungssinn spielt auch eine Rolle beim Zug oder der Wanderung der Tiere. Und wieder sind es hier die Vögel, die uns das eindrucksvollste Schauspiel bieten: beispielsweise fliegen deutsche Schwalben im Herbst ihren Weg quer durch die Sahara nach West -Afrika und im Frühjahr finden sie ihren Weg zurück zu genau denselben Orten und sogar Gebäuden des Vorjahres. Der Orientierungssinn des Menschen ist wahrscheinlich bei traditionellen Gesellschaften und Völkern, wie z.B. bei den australischen Aborigines und den polynesischen Seeleuten, am besten ausgebildet, während er beim modernen Menschen häufig sehr verkümmert ist.

SEIN: Was können wir von den Haustieren lernen?
Sheldrake: Wir können sehr viel über diese unerklärbaren Kräfte von unseren Haustieren lernen, und durch das Studium der tierischen Natur entdecken wir mehr über unsere eigene. Wenn wir anerkennen, daß Telepathie bei Haustieren allgemein üblich ist und eine lange biologische Entwicklungsgeschichte hat,wird uns das helfen, unsere eigenen telepathischen Fähigkeiten in einem viel umfassenderen biologischen und evolutionären Kontext zu sehen.

SEIN: Wie ist Ihre Hypothese zu den morphischen Feldern und was ist die morphische Resonanz?
Sheldrake: Morphische Felder befinden sich innerhalb sich selbst organisierender Systeme und um sie herum, wie etwa bei sozialen Gruppierungen, und liegen deren Organisations- mustern zugrunde. So befinden sich beispielsweise die einzelnen Individuen in einer Schar von Vögeln oder einem Fischschwarm innerhalb des Feldes dieser Gruppe und reagieren auf Veränderungen in diesem Feld; daher können sie alle sehr schnell ihre Richtung ändern, ohne miteinander zusammenzustoßen. Morphische Felder koordinieren auch Tierherden oder Wolfsrudel. Die Mitglieder der Gruppe sind durch diese unsichtbaren Felder miteinander ver- bunden und selbst wenn ein Mitglied der Gruppe sich über die Reichweite der regulären Sinneswahrnehmung hinweg entfernt, bleibt es über dieses Feld mit den anderen verbunden.
Das ist auch, meiner Meinung nach, genau das, was passiert, wenn Menschen in Beziehung zu ihrem Hund oder anderen Haustieren stehen. Sie bleiben durch dieses Feld mit ihnen verbunden, auch wenn sie sich weit von zu Hause entfernen, so ähnlich wie durch ein dehnbares, elastisches Band, und das funktioniert als Kanal für telepathische Kommunikation.
Morphischen Feldern wohnt ein eigenes Gedächtnis inne, hervorgerufen durch den Prozeß, den ich morphische Resonanz nenne;  das ist die Beeinflussung von Ähnlichem durch Ähnliches über Raum und Zeit hinweg. Jede Spezies hat so ein kollektives Gedächnis, von dem jedes Individuum gespeist wird und zu dem es umgekehrt auch wieder beiträgt. In meinem Buch „Das Gedächtnis der Natur“ gehe ich sehr ausführlich auf diese Theorie ein.

SEIN: Welche Möglichkeit gibt es, Ihre Forschungen zu unterstützen?

Sheldrake: Es gibt mehrere Möglichkeiten, wie Menschen meine laufenden Forschungen unterstützen können. Eines der Dinge, die ich im Moment erforsche, ist das Gefühl, von hinten angestarrt zu werden. Auf meiner Web Seite  (www.sheldrake.org.) gebe ich Anweisungen (auch in deutscher Sprache) für ein einfaches Experiment zu diesem Thema. Ebenfalls sehr interessieren würden mich Erfahrungen, die Menschen mit der Kraft des Blicks von Tieren gemacht haben oder damit, Tiere mit dem Blick zu beeinflussen. Ich spreche dabei nicht von direkten, sondern von Blicken, die man nicht sieht, sondern nur spürt, wie z.B. von hinten.
Wovon ich auch interessiert wäre, mehr zu hören, sind telepathische Erfahrungen, die Mütter möglicherweise mit ihren Babies haben. Einige Mütter, die stillen, fanden z.B. heraus, daß ihre Milch manchmal zu fließen begann, obwohl sie von ihren Babys getrennt waren und dies, wie sie später herausfanden,  immer in Momenten, wo das Kind anfing zu schreien und die Mutter brauchte.
In meinem Buch schlage ich noch einige andere Möglichkeiten vor, wie Menschen sich in diese Forschung mit einbringen können und ich wäre sehr glücklich, wenn auch die Leser des Magazins SEIN dabei mithelfen könnten.
SEIN: Herzlichen Dank für das Gespräch!

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