Wir alle kommen immer wieder an den Punkt an dem die persönliche “Suche nach dem Licht”, die Überwindung persönlicher Krisen und Schicksalsschläge zur drängenden Not-wendigkeit wird.
In einer Welt an der Schwelle zum dritten Jahrtausend, die sich in einem geradezu dramatischen Umwandlungsprozeß befindet, ist es natürlich und wenig verwunderlich, daß auch wir, jeder einzelne, mit großen und manchmal unüberwindlich scheinenden Herausforderungen auf seinem Lebensweg konfrontiert sind.
Wenn wir uns vergegenwärtigen, daß die Welt, in die wir hineingewachsen sind, schon längst nicht mehr so funktioniert, wie wir es einmal gelernt haben, sollte es uns leichter fallen, persönlichen Krisen und Schwierigkeiten und unser ganz privates Leid nicht nur als Beleg unseres persönlichen Versagens oder gar unserer Unfähigkeit zu begreifen.

Die Erfahrungen von Krisensituationen oder Leid sind immer auch eine deutliche Aufforderung des Lebens an uns, den inneren Wandel, unsere persönliche Transformation und Heilung zum Gegenstand zu machen. Sie fordern uns auf, unser eigenes Wohlergehen wichtig und ernst zu nehmen.

Sie bieten immer auch die Chance, unsere persönliche Antwort darauf zu finden, was das Leben von uns fordert.
Wie die vielbewunderte Lotosblume ihre Schönheit und Faszination aus dem sumpfigen Brackwasser bezieht und ein funkelnder Diamant erst durch den Druck entsteht, dem der rohe Stein ausgesetzt war, erwächst auch bei uns Menschen oft aus dem zunächst Schlimmen unsere wirkliche Kraft.
Die Methoden und “Werkzeuge”, diesen inneren Aufbruch zu vollziehen und zu bewältigen sind in der heutigen Zeit im Überfluß vorhanden. So vielfältig und unüberschaubar, daß man sich schnell im Labyrinth der Techniken und Wege verirren kann. Und doch gibt es Wegmarkierungen, die uns dabei helfen und leiten können.

Der Beginn des Weges

Zunächst gilt es zu verstehen, daß das, was wir als Krise, Leid oder als Schicksalsschlag erleben, immer die Chance zu einer positiven Veränderung und zu einem Neuanfang in sich birgt. Der Schmerz über das Ende einer Beziehung, den Verlust eines “sicheren” Arbeitsplatzes oder andere leidvolle Erfahrungen bergen immer auch das Potential eines neuen Anfangs in sich. Und häufig erkennen wir viel später im Rückblick, daß gerade diese Erfahrungen der Anstoß waren, etwas zu verändern in unserem Leben – raus aus dem alten Trott hin zu mehr Wachheit, Wahrhaftigkeit und Eigenverantwortung.
So beginnt der “Weg ins Licht” meist mit der Begegnung mit “Dunkelheit und Schatten”.

Die Unzufriedenheit mit dem was ist, ist eine der stärksten Triebfedern für jede Entwicklung. Wäre dieses Motivationsprinzip nicht tief in unserer Psyche verankert, würden wir vielleicht noch heute in Höhlen sitzen und das Feuer bewachen.

Auch der Weg von Gautama Buddha begann damit, daß er unglücklich darüber war, ein selbstgefälliges Leben am Königshof seines Vaters zu führen und sich auf den Weg machte. Nicht nur aus seiner Lebensgeschichte wissen wir, daß der Weg bis zum Ziel manchmal durchaus langwierig und mühsam sein kann.

Auch in der heutigen Zeit gibt es keinen “Fahrstuhl zum Glück”. Keine der vielen und vielleicht vielversprechenden Methoden des schillernden Psychotherapie, Esoterik oder New Age Marktes kann uns die engagierte und kontinuierliche eigene Arbeit an uns selbst abnehmen.

Für welchen der Wege sich ein Mensch auch entscheidet, die nach meiner Erfahrung wichtigste Komponente für Erfolg oder Mißerfolg liegt nicht im Außen – sie ist eine Frage der inneren Haltung.
Unser neuer Kanzler Schröder hat uns vorgemacht, wie‘s geht. Wie bekannt hat er als junger Abgeordneter in seiner nächtlichen Attacke auf die Gitterstäbe des Kanzleramtes eindrucksvoll demonstriert, worauf es ankommt: “ Ich will da rein!”
Wirklich entscheidend ist die Kraft unserer persönlichen Motivation, etwas in unserem Leben zu bewegen und zu verändern.
Wenn die Sehnsucht nach mehr Lebensfreude, Erfüllung, Gesundheit und Freude im Leben stark genug ist, erwächst daraus die Stärke, auch die widrigsten Lebensumstände zu verwandeln und zu meisten. Ohne die Kraft des Herzens und der Seele wirkt die beste Methode häufig nur wie eine schnell verblassende Kosmetik.

Die Aufgabe des Lehrers

Auch wenn eine solide “handwerkliche” Ausbildung” unerläßlich ist, kann keine rein methodische  Ausbildung, und kein “Meister- Training” den Prozeß der persönlichen Läuterung ersetzen.
Jeder Therapeut, Seminarleiter oder Lehrer ist hier gefordert Stellung zu beziehen und Engagement zu zeigen. Nur wenn er sich seinem eigenen Leid gestellt und seine Schatten erforscht und erlöst hat, kann er den  Menschen, die sich ihm anvertrauen, ein authentischer Ratgeber und integerer Begleiter sein. Er kann sie nur dort “zu ihrem Licht führen”, wo er sich seinen eigenen dunklen Seiten gestellt hat und sich aufmacht, sie zu überwinden.

Ich habe auf meinem eigenen Weg durchaus leidvoll erfahren, wie groß die Gefahr  ist, die eigenen Schwächen, Ängste und Ungereimtheiten großzügig zu übersehen und der Verführung der Macht zu erliegen. Wenn Menschen sich öffnen und sich einem Lehrer anvertrauen, entsteht eine sehr brisante Dynamik von zumeist unbewußten Projektions- und Übertragungsmechanismen. Sie versuchen, ihre subjektiv erlebte “Minderwertigkeit” dadurch zu lösen, daß sie den Therapeuten oder die Methode idealisieren, so wie sie es früher bei Papa und Mama gelernt haben – und vergessen, das es schon damals nicht funktioniert hat.
Der “neue Papa” fühlt sich geehrt, er spürt seinen Einfluß und seine Macht, er genießt die Wertschätzung und Beachtung – und stürzt früher oder später selbst vom Sockel auf den er sich leichtfertig und vielleicht gerne stellen ließ. Dann sind  Elend und Enttäuschung groß – auf beiden Seiten!
Viele große und begabte Therapeuten und Lehrer haben sich und andere ins Unglück gestürzt, weil sie “auf diesem Auge blind” waren.

Für mich sind die persönliche Integrität und Reife des Lehrers eine unerläßliche Voraussetzung dafür, daß er einem Menschen auf der Suche ein guter Ratgeber und Führer sein kann. Seine Demut und Anteilnahme, sein aufrichtiges Engagement und seine tiefe Liebe für die Menschen, die sich ihm anvertrauen  schaffen Vertrauen, machen Mut und geben Kraft, Inspiration und Zuversicht.

So können Heilungs- und Transformationsprozesse beflügelt werden, die ansonsten unvorstellbar wären. Ein Lehrer, der dies gelernt hat, weiß, daß auch bei großer persönlicher Motivation der Weg durchaus eine Weile dauern kann. Er kennt die Grenzen seines Wirkens, er weiß um die Grenzen seiner Methode und ist mit den Gesetzmäßigkeiten von Heilungs- und Transformationsprozessen vertraut. Auch scheut er sich nicht, dies offen auszusprechen.

Die Natur und Gesetzmäßigkeiten des Weges

Als ich vor Jahren meinen Zahnarzt um eine Ausleitung des Giftes Amalgam bat, eröffnete er mir zunächst eine einfache Wahrheit: “Auch mit der effektivsten Methode braucht es etwa 1/10 der Zeit in der sich das Gift im Körper angereichert hat, um es auszuleiten.” So dauerte es dann fast 4 Jahre!
Auch wenn wir uns aufmachen, das Gift unserer enttäuschten Erfahrungen, unserer Schmerzen, negativen Überzeugungen und Lebensstrategien “auszuleiten” sind wir gut beraten, von ähnlichen Zeiträumen auszugehen. Auch hier wird der Reinigungs- und Erlösungsprozeß gelingen, wenn wir lange genug “am Ball bleiben!”
Die Urform der Psychotherapie, die traditionsreiche Psychoanalyse geht von sehr langen Veränderungszeiträumen aus. Viele Kollegen, die ihr täglich Brot damit verdienen, wissen ein sorgenvolles Lied davon zu singen, wie langsam und mühevoll Veränderungsprozesse in diesem Kontext meist sind. Und vielen Klienten geht auf diesem langen Weg irgendwann die Luft aus, sie brechen ihre Analyse ab.
Als Gegenpol erhebt der charismatische Coach und Seminarleiter Tony Robbins, zu dessen Kunden die Größen des amerikanischen Showbusineß gehören, den Anspruch, jedes Problem in einer Sitzung lösen zu können. Die Faszination dieser frohen Botschaft lockt bis zu 2500 Menschen in eine einzige seiner Seminarveranstaltung. Ich selbst hatte das Vergnügen, mehrmals einem solchen Spektakel beizuwohnen und habe es durchaus genossen. Seine Form, Theorie und Erfahrung lebendig, erfahrbar und unterhaltsam zu vermitteln, hat mich beeindruckt und inspiriert.
Nach meiner Erfahrung und Einschätzung, die ich in der Arbeit mit etwa 2500 Menschen über den Zeitraum der letzten 10 Jahre gewonnen habe, liegt die durchschnittliche Zeit, die wirkliche und dauerhafte Heilungs- und Transformationsprozesse brauchen, durchschnittlich im Zeitraum zwischen einem und drei Jahren. Natürlich gibt es hier große individuelle Schwankungen.

Unabhängig vom gewählten Weg gibt es recht allgemeine Gesetzmäßigkeiten und Entwicklungsverläufe. Sie zu kennen erleichtert die Orientierung, hilft uns, den Kurs zu halten und macht Mut.

Peggy Dylan, die große Frau des modernen Feuerlaufes, hat sie in der ihr eigenen Metaphernsprache sehr schön beschrieben. Ich stelle ihr Modell vor, weil es mir aus der Seele spricht und mir selbst immer wieder Mut gemacht hat.
Unser Weg beginnt meist – ausgelöst durch unangenehme und leidvolle Erfahrungen – in den Höhlen des Schmerzes und der Unzufriedenheit.
Aufgabe dieses Schmerzes oder der Unzufriedenheit ist es, uns aus alten Gewohnheiten im Denken und Handeln “herauszuschütteln”. Schmerz, Leid und Unzufriedenheit erzeugen die Energie und Motivation, die uns durch die Schwierigkeiten des Weges trägt. Sie bringen uns in Bewegung und halten uns auf Kurs.

So führen Schmerz und Unzufriedenheit zu Wachstum und Entwicklung. Sie sind die stärksten Triebfedern jeder Entwicklung und können so unsere Verbündeten werden.
Von dort gelangen wir meist in den Wald der Unruhe und  Angst.
Die meisten unserer alten Denk- und Verhaltensweisen wurden in der Kindheit geprägt, um uns zu schützen, vielleicht sogar, um unser Überleben zu sichern. Tasten wir sie an, machen wir uns auf, sie zu verändern, kann es sein, daß wir große Unruhe oder Angst erleben, denn ein Teil von uns fühlt sich in seinem Überleben bedroht.  Angst ist auch eine biochemische Reaktion des Körpers, die uns zeigt, daß etwas Neues bevorsteht. Das, was wir noch nicht kennen, macht fast immer Angst, und oft werden wir anschließend dafür belohnt, uns dieser Angst gestellt zu haben.

Jede wirkliche Veränderung macht immer auch und immer wieder mal Angst. Diese Angst ist Zeichen unserer Lebendigkeit und damit gesund und wichtig. Wo die Angst ist geht‘s lang!
Von dort gelangen wir meist in den Sumpf des Widerstandes. Wie ein Fels im Flußbett versucht er, die Bewegung zu verlangsamen. Er zeigt sich besonders, wenn wir uns zu schnell bewegen oder verändern, oder wenn wir an Themen und Muster geraten, die wir noch nicht wirklich aufgeben wollen. Der Widerstand kann ganz unterschiedliche Formen annehmen: körperliche Schmerzen, Langeweile, Wut, übermäßige Geschwätzigkeit, Neigung zu ständiger Ablenkung usw. Der Widerstand fordert uns auf, uns erneut zu vergewissern und – vielleicht- etwas langsamer zu werden.
So ist der Widerstand, den wir erleben, kein schlechtes Zeichen. Er ist ein Signal, das es zu erforschen, zu beachten und zu respektieren gilt. Jeder Ansatz, der versucht, diesen Widerstand zu brechen, ist gefährlich und schädlich. Hände weg davon!

Über den Autor

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Jahr­gang ’56, Diplom Psy­cho­loge, Heil­prak­ti­ker für Psy­cho­the­ra­pie.
Er ist seit 1987 als Semi­nar­lei­ter, The­ra­peut und Bera­ter in Grup­pen– und Ein­zel­ar­beit tätig.
Er lebt und arbei­tet in eige­ner Pra­xis in Frei­burg. In dem von ihm ent­wi­ckel­ten und gelei­te­ten 9-tägigen Semi­nar „ONE-Next-Step-Training“, ein Inten­siv­pro­gramm in Lebens­kom­pe­tenz, ver­mit­telt er seit 2000 Erfah­run­gen und Kom­pe­ten­zen für ein selbst­be­wuss­tes und authen­ti­sches Leben.

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