Eine schwäbische Familie ist vor der deutschen Schulpflicht in die USA geflohen und hat dort Asyl beantragt. Nun wurden sie von den USA als politisch Verfolgte anerkannt – eine Entscheidung mit weitreichenden Implikationen.

Familie Romeike möchte ihre Kinder nicht in eine Schule schicken, sondern sie selbst zu Hause unterrichten – in Deutschland wegen der Schulpflicht mindestens eine Ordnungswidrigkeit oder gar eine Straftat, die mit Geldstrafen (bis zu 50.000 Euro), Gefängnisstrafen und Sorgerechtsentzug bestraft wird. Nachdem die Polizei die Kinder „gewaltsam“ aus dem Elternhaus entfernt und in die Schule verschleppt hatte, sah die Familie keine andere Chance, als auszuwandern und in den USA Asyl zu beantragen.

USA: Homeschooling ist grundlegendes Menschenrecht

Am 26. Januar entschied das Gericht in Memphis, Tennessee, dass der Familie politisches Asyl gewährt wird. Der Richter begründete sein Urteil damit, dass hier ein grundlegendes Menschenrecht eingeschränkt werde:

„Wir können nicht erwarten, dass alle Länder sich an unsere Verfassung [die US-Verfassung] halten … Dennoch sind die Rechte, die hier verletzt werden grundlegende Menschenrechte, die kein Land das Recht hat zu verletzen.“

Er nannte die deutsche Rechtspraktik „sonderbar“ und „schlicht absurd“ und stellte fest: „Homeschooler sind eine spezielle soziale Gruppe, welche die deutsche Regierung zu unterdrücken versucht. Die Familie hat begründete Furcht vor Verfolgung und daher ein Anrecht auf Asyl.“

Tatsächlich ist die deutsche Rechtsprechung ein Sonderfall: Bis auf Deutschland haben alle EU-Länder Homeschooling als staatliche Alternative zur Schulpflicht weitgehend zugelassen. Deutschland ist eines der wenigen Länder, in denen eine Schulpflicht statt einer Unterrichtspflicht besteht.

Die US-Entscheidung ist historisch, einen vergleichbaren Fall gibt es bisher nicht. Das Urteil könnte nun zum Präzedenzfall werden, denn es wird vermutet, dass etwas über tausend Familien in Deutschland ihre Kinder heimlich zu Hause unterrichten und damit ein hohes Risiko in Kauf nehmen.

Ein Sprecher der Home School Legal Defense kommentierte das Urteil:

„Mit dieser Entscheidung wird endlich anerkannt, dass deutsche Homeschooler eine gesellschaftliche Gruppe sind, die von einer westlichen Demokratie verfolgt wird. Es ist peinlich für Deutschland, denn ein westliches Land sollte grundlegende Menschenrechte achten und dazu gehört auch das Recht der Eltern, ihre eigenen Kinder zu erziehen.“

Indoktrinierung oder Schutz?

Befürworter des Homeschoolings kritisieren, dass eine individuelle Förderung einzelner Schüler in normalen Schulen nicht möglich ist und das unnatürliche Schulsystem mit Noten und Konkurrenz zu schweren seelischen Problemen führen kann. Zudem können manche Schüler durch Mobbing und andere soziale Schwierigkeiten ebenfalls psychische Probleme bekommen.

Ein weiterer Grund vieler Homeschooler ist aber auch, dass sie mit den Einflüssen und Unterrichtsinhalten der staatlichen Schulen nicht einverstanden sind. Es sind vor allem auch religiöse Motive, die Eltern dazu veranlassen, ihre Kinder zu Hause zu unterrichten.

Gegner des Hausunterrichts argumentieren, dass Kinder in einer Demokratie von jung an lernen müssen, mit unterschiedlichen Ansichten und Werten umzugehen. Die staatliche Schule würde das Kind mit anderen Weltsichten konfrontieren und aus dem Einfluss religiöser Fanatiker entfernen. Dem könnte entgegengehalten werden, dass staatliche Schulen genauso indoktrinieren und Kinder zu einem bestimmten Zweck erziehen – und dass eine Demokratie es aushalten muss, wenn einige Eltern ihre Kinder mit anderen Werten, als den politisch gewollten aufwachsen lassen.

Aber auch die Qualität des Unterrichts stellt laut offizieller Meinung ein Problem dar: Wie soll kontrolliert werden, dass die Selbsteinschätzung der Eltern, dass sie ihre Kinder sinnvoll unterrichten können auch tatsächlich zutreffend ist? Schließlich haben die wenigsten eine pädagogische oder didaktische Ausbildung. Einige Bildungs-Experten fordern daher, das Recht auf Hausunterricht in Deutschland zwar deutlich zu lockern – aber nur unter der Bedingung, dass auch zu Hause nach strengen Lehrplänen unterrichtet wird und die Leistungen der Kinder regelmäßig durch Tests überprüft werden. Das widerspricht aber eben dem grundlegenden Verständnis vieler Homeschooler, die ihre Kinder gerade nicht nach einem Lehrplan-Schema, sondern nach deren Interessen und in ihrem eigenen Tempo unterrichten wollen.

Der Fall Romeike

Am Fall der Famile Romeike scheiden sich entsprechend die Geister. Denn die Eltern sind gläubige Christen und wollen ihre Kinder vor allem vor einem anti-christlichen Unterricht bewahren. Aber auch seelische Probleme der Kinder waren ein Grund.

„In den ersten Schuljahren unserer älteren Kinder litten sie unter Klassendruck, Gewalt unter Klassenkameraden, Enttäuschungen von „Freunden“ usw. Das führte bei unserer Tochter zu wiederholt auftretenden Kopfschmerzen, die sie vorher nicht hatte.

Wir entschieden uns dann im Sommer 2006, unsere Kinder fortan zu Hause zu unterrichten. Uns ist es wichtig, ihnen eine gesunde Herzens- und Charakterbildung zu vermitteln. Wir möchten, dass sie mit Freude lernen können und das in einem Tempo und einer Art, wie es ihren Fähigkeiten entspricht. All das ist beim Homeschooling möglich und Studien sowie die vielen zu Hause unterrichteten Kinder, die wir seither kennengelernt haben, sind Beweis dafür, dass es funktioniert.

Wir haben festgestellt, dass die staatlichen Schulen in Deutschland keinen wertneutralen Unterricht bieten, sondern traditionell christliche Werte wie Nächstenliebe, Treue, Zuverlässigkeit, Fleiß, Hilfsbereitschaft oder Respekt oft nicht mehr die Beachtung finden, die uns persönlich wichtig ist oder dass sie nur noch auf dem Papier stehen.“ schreiben die Eltern in einer Stellungnahme. Kritiker hingegen bezeichnen die Familie als fanatische Christen.

 


Hier eine Video-Reportage zur Familie Romeike auf Sein-TV

Homeschooler: Politisches Asyl in den USA

6 Responses

  1. mario

    Ich wollte nur nochmal auf den berechtigten Einwand von Orange auf den 3. Punkt eingehen. Ich gehe derzeit keineswegs davon aus, dass die staatlichen Schulen die besseren sind. Wir sind uns -denke ich- alle einig, dass sich am Schulsystem sehr grundlegend etwas ändern muss.
    Lehrer ist kein Beruf sondern eine Berufung und den Engagierten unter ihnen soll jede Unterstützung gewährt werden. Wir brauchen keine „Stundenreiter“ mit Pensionsanspruch.

    Ich fürchte nur dass gerade in Großstädten die Möglichkeit eines Homescooling ohne Überprüfung eine nicht geringe Zahl von Eltern dazu veranlaßt ihre Kinder zu Haus zu lassen ohne die entsprechende Werte und Bildung zu vermitteln. Damit entzieht man den Kindern das Recht auf Bildung und späterer Selbstbestimmung.

    Auch am Geld sollte es nicht liegen. Ich kenne durchaus auch Eltern, die mit verhältnismäßig bescheidenen Mitteln eine private Schule gegründet haben. Entscheidend ist dass sich die richtigen Menschen treffen und gemeinsam an der Umsetzung arbeiten. Vielleicht ist hier ein Austausch zwischen den erfolgreichen Gründungen und den Interessierten der richtige Weg um den Alternativen zu staatlichen Schulen ein Fundament zu geben.

    Ich gebe aber gerne zu, dass es im ländlichen Raum eher schwer ist genug Mitstreiter zu finden.

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  2. Paula

    Ich kann der Entscheidung der Familie Romeike nur beipflichten! Meine beiden Söhne (24 u. 26 J.) waren auf einer staatlichen Schule und ich hatte als alleinerziehende Mutter leider nicht die Möglichkeit, daran etwas zu ändern. Ich bin selbst Pädagogin, schäme mich aber für diejenigen in meinem Berufsstand, denen vor allem Engagement für diesen Beruf (Berufung!) fehlt! Einfühlungsvermögen, Herzlichkeit, Interesse an den Kindern. Wären die meisten der Lehrer damit ausgestattet, würden zahlreiche Studien inbezug auf unser Schulsystem deutlich besser ausfallen – und wir hätten sicher auch weniger Schulschwänzer.

    Ich kenne Lehrer, die ihren Beruf lieben – auch in Hauptschulen; auch in sozialen Brennpunkten. Sie gehen individuell auf ihre Schüler ein; sie fordern sie; sie engagieren sich für sie; sie haben die Gabe, die Lust der Schüler auf neues Wissen zu erhalten. Das Ergebnis: diese Kinder gehen gern zur Schule, die Eltern sind entspannt, da sie den Personen, denen sie ihre Kinder anvertrauen, auch wirklich vertrauen können.

    Für mich ist das Argument, der Familie Romeike studierte Lehrer als Vorbild vorzusetzen, schlichtweg unsachlich! Fachwissen allein reicht eben bei weitem nicht aus, wenn man beruflich mit Menschen zu tun hat!
    Und bevor Eltern gezwungen werden, Unwohlsein ihrer Kinder zu ignorieren und mit staatlicher Hilfe auch noch zu fördern, sollte diese unverschämte staatliche Arroganz und Anmaßung erstmal gerechtfertigt sein: in Deutschland sollte schnellstmöglich das Schulsystem überarbeitet werden. Dabei sollten kinderpsychologische Aspekte integriert und auch Eltern, Kitaerzieherinnen und Sozialpädagogen angehört werden. Unfähige, lustlose Lehrer, die alle Verantwortung von sich weisen und diese auf Eltern und Kinder – und Nachhilfelehrer – übertragen, gehören nicht in eine Bildungseinrichtung! Sie sollten sofort entlassen werden! Sie sind in diesem verantwortungsvollen Job fehl am Platze und schaden unseren Kindern!

    Dabei denke ich auch an einen weiteren dramatischen Nebeneffekt: die Zahl der Kinder, die auf kostenintensive Nachhilfe angewiesen sind, hat inzwischen astronomische Höhen erreicht! Das schadet zum einen den Kindern enorm: sie haben ihren „Job“ am Vormittag in der Schule absolviert und nun Anspruch auf Freizeit (wichtig für geistige, körperliche und seelische Gesundheit und dringliche Voraussetzung für den kommenden „Arbeitstag“). Nur aufgrund dessen, dass der Lehrer seinen! Job nur nachlässig erledigt (und dann Freizeit genießt!), ist das Kind gezwungen, mehr „Arbeitszeit“ zu investieren! Und der zweite unangenehme Nebeneffekt ist der Griff in den Geldbeutel der Eltern, um die Nachhilfe zu finanzieren. Dies müsste eigentlich vom Einkommen des Lehrers bestritten werden.

    Liebe zum und Engagement für den Beruf erzeugen in den meisten Fällen Spaß am Beruf, der sich auf alle Beteiligten auswirkt!

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  3. orange

    In gewisser Weise kann ich Marios contra-Argumenten folgen. Aber es gibt zu vielen Punkten wiederum ein contra. Auf 2 möchte ich kurz eingehen:
    >>>Schutz der Kinder vor ihren Eltern<<< - ich finde, daran ändert die Schulpflicht nur partiell etwas, nämlich in der Zeit, in der die Kids zur Schule gehen. Das sollte aber nicht die Funktion einer Schule sein, dafür gibt es andere Institutionen, die aber eventuell nicht richtig funktionieren. >>>Möglichkeiten eine Schule mit gleichgesinnten zu Gründen<<< gibt es bestimmt, in einer größeren Stadt. Auf dem Land eher unwahrscheinlich. Der Betrieb einer freien Schule verlangt den Eltern auch einiges ab, nicht nur finanziell. Wirklich frei ist diese Schule dann auch nicht. Es gibt rund 5% nichtstaatliche Schulen in D. >>>In einem Land mit Grundabsicherung werden jedoch die Folgekosten einer schlechten bzw. keiner Bidlung durch die Gesellschaft getragen.<<< Woher nimmst du die Gewissheit, daß staatliche Schulen ein besseres Schul- und Charakterbildungsniveau erreichen als z.b. homeschooling? Gerade durch den abwertenden Umgang mit diesem Thema durch einen großen Teil der Gesellschaft, erscheint Auswandern in ein Land mit größerer Akzeptanz/Toleranz eine gute Altenrative. mehr pro Argumente hier: www.homeschooling.de/argumente.htm Ich bin selbst Vater eines 3-jährigen Jungen und ich kann viele pro-homeschooling Argumente schon alleine aus seiner Kita-Erfahrung nachvollziehen. Allerdings gibt es durchaus auch viele positive Einflüsse durch die Kita auf das Kind.

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  4. Asuncion45

    Ich glaube mein Vorschreiber erkennt die Gesamtproblematik nicht. Nachdem Kinder aufgrund der Statuten der UNO nicht mehr Eltern- sondern Gesellschafts- und dadurch Staatsangelegenheit geworden sind, greift der Staat in alle Bereiche des täglichen Lebens in brutaler Weise ein. Die überkommenen Elternrechte existieren einfach nicht mehr. Ob und wie ein Kind medizinisch behandelt wird, entscheidet der Staat, wie der Fall Seebald in Österreich zeigt, nach Kriterien, die den Regeln der pharmazeutischen Indistrie entsprechen. Das, was die jeweilige Behörde für Recht hält, setzt sie mit den Machtmitteln des Staatsapparates um und zwar ohne Rücksicht auf die kulturellen Einstellungen der Eltern. Einem Christen im christlichen Europa zudem vorzuwerfen er sei ein „fanatischer Christ“, wenn er Grundsätze wie Nächstenliebe, Treue, Zuverlässigkeit, Fleiß, Hilfsbereitschaft oder Respekt für die Kindererziehung für elementar hält, kann ich ebenfalls nicht mehr nachvollziehen. Es mag zwar sein, dass es den selbsternannten Gesellschaftsveränderern , die die Ellenbogengesellschaft propagieren und sich am Globalismus hochziehen, gelungen ist, solche Begriffe als altmodisch und daher nicht mehr zeitgemäß zu diffamieren. Das aber gibt staatlichen Stellen noch lange nicht das Recht Eltern, die diese Grundwerte für essentiell halten, ebenfalls zu diffamieren und es so weit zu treiben, ihnen die elterliche Sorge zu entziehen und deren Kinder zwangweise zu therapieren. Es ist Zeit zum Umdenken! Werte sind unsere kulturelle Basis, sie sind nicht Vergangenheit sondern sie sind unsere Zukunft und sie gilt es wieder ins tägliche Leben einzuführen. Da ist die Familie Romeike ein leuchtendes Vorbild. Ich wünsche mir viele Millionen Romeikes!

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  5. M.K.

    Hallo, auch wir kennen den Druck den unsere Kinder aushalten und aushalten mussten.
    Selbst unser Sohn, der selbst auf Lehramt studierte, brach dieses ab, nachdem er erkannte, wie sehr auch er sich noch als Lehrer, der selber alles besser machen wollte, wieder in diesem System gefangen gehalten fühlte.
    Unsere Schulen benötigen eine dringende Reform, was den Lernihalt anbelangt und viele der Lehrer sind einfach nicht in der Lage, positiv und mit bestimmter sanftheit, auf Kinder und Jugendliche ein zu gehen.
    Ich weis wovon ich rede…ich arbeite selber an einer Schule mit 80 Lehrern.

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  6. Mario

    Sicher mag das deutsche Schulsystem qualitativ nicht das Beste sein, aber ich denke es gibt Alternativen. Die Zahl der privaten Schulen steigt stetig an. Auch Christliche Schulen gibt es viele.
    Die genannten Gründe sind für mich daher nur vorgeschoben.

    Auch wenn anderen Länder das „Homescooling“ zulassen, so ist es doch in Ländern mit sozialen Absicherungen oft an konkrete Vorgaben gekoppelt. So müssen durchaus Test´s absolviert werden und an Online Unterricht mit ausgebildeten Fachkräften teilgenommen werden. Diese Praxis ist in einigen Ländern auch unumgänlgich, da die Bevölkerungsdichte zu lange Schulwege nach sich ziehen würden.

    Das die Amerikaner das anders sehen liegt vielleicht auch an der Tatsache, dass soziale Absicherungen dort nicht gewährt werden. Eine schlechte Bildung die später unter Umständen eine Eigenversorgung verhindert ist für den amerikanischen Staat nicht wirklich problematisch. Es verursacht ja keine Folgekosten.

    In einem Land mit Grundabsicherung werden jedoch die Folgekosten einer schlechten bzw. keiner Bidlung durch die Gesellschaft getragen. Ich denke da ist es nur legitim entsprechende Regelungen für ein Mindestmaß an Bildung abzuverlangen.

    In einigen Familien ist der Schutz der Kinder vor ihren Eltern dabei ein weiterer Punkt. Wieviele Kleinkinder werden in den letzten Jahren aus verwahrlosten Wohnungen gerettet, weil bis zum Schulalter keine Vorstellungspflicht in Kindergärten o.ä. besteht.

    Ich denke es gibt Möglichkeiten eine Schule mit gleichgesinnten zu Gründen. Diese unterliegen einem Grundverständnis und Richtlinien zur Wissenvermittlung. Veilleicht noch nicht das Optimum, aber kein Grund Asyl zu beantragen.

    Aber so haben es die Romeikes wenigstens mal auf die „große“ Bühne geschafft.

    Für mich Verantwortungslos.

    Mario

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