Die Digitalisierung der Gesellschaft schreitet unaufhaltsam voran. Während die Online-Coaches Katrin Zita und Lena Doppel glauben, dass man auch im Internet selbstbestimmt und glücklich sein kann, befürchtet der Sozialpsychologe Harald Welzer eine neo-feudale Diktatur und einen Angriff auf unsere Freiheit.

Von Oliver Bartsch

 

Nichts ändert unser aller Leben privat und beruflich so umfassend wie die digitale Revolution. Dabei ist die Digitalisierung der Gesellschaft erst rund 15 Jahre alt und gehört somit zu einem relativ jungen Phänomen. Man nimmt an, dass im Jahr 2002 zum ersten Mal digital mehr Informationen gespeichert wurden als analog , was deshalb als der Beginn des „Digitalen Zeitalters“ gesehen werden kann. Die fast vollständige Digitalisierung der weltweit gespeicherten Informationsmenge vollzog sich in weniger als zehn Jahren, nämlich von 2000 bis 2010. Standen 1993 weltweiten lediglich 3 Prozent digitale Informationsspeicherkapazität zur Verfügung, waren es 2007 bereits 94 Prozent.

Die Digitalisierung der Gesellschaft in Deutschland

Die Digitalisierung der Gesellschaft ist in Deutschland flächendeckend vorangeschritten. 2015 verfügten 79,5 Prozent der Deutschen über einen Internetzugang, das sind 56,1 Millionen Personen ab 14 Jahren. Gegenüber dem Vorjahr beträgt die Zunahme aber nur noch 0,4 Prozentpunkte, was auf einen gewissen Sättigungsgrad schließen lässt. Während bei den 14- bis 49-Jährigen 85 Prozent täglich das Internet nutzen, sind es bei den über 60-Jährigen nur 30 Prozent. Es gibt aber auch noch ansteigende Zahlen. Die Anzahl derer, die das Internet täglich nutzen, ist 2015 um 3,5 auf 44,5 Millionen gestiegen. Zugenommen hat auch die Unterwegsnutzung: Mittlerweile greifen 30,7 Millionen Deutsche unterwegs auf Netzinhalte zu, das sind 3,2 Millionen mehr als im Vorjahr.

Zwischen zwei und drei Stunden verbringt der Deutsche täglich im Internet. Während die Gesamtbevölkerung dem Internet durchschnittlich 108 Minuten pro Tag widmet, sind es bei den Nutzern mobiler Endgeräte, wie Smartphones und Tablets, mit insgesamt 158 Minuten 50 Minuten mehr. Dabei entfällt 34 Prozent und damit der größte Anteil an der täglichen Nutzungszeit in der Gesamtbevölkerung auf Kommunikation. Jeweils knapp eine halbe Stunde oder  22 Prozent entfallen auf Informationssuche und Mediennutzung. 85 Prozent der Bundesbürger fühlen sich laut einer Allensbachumfrage aus dem Jahr 2015 von der zunehmenden digitalen Überwachung bedroht, sind aber der Auffassung, dass die Vorteile die Nachteile der Digitalisierung überwiegen.

Die Vorteile der Digitalisierung der Gesellschaft

Auf wissenschaftlicher Ebene wird seit etwa zehn Jahren eine intensive Diskussion darüber geführt, ob die Auswirkungen der Digitalisierung auf das Leben des Einzelnen und der Gesellschaft als Ganzem überwiegend positiv oder negativ zu bewerten sind. Der Computer ist heute für einen Großteil der Menschen, insbesondere in den westlichen Industrienationen ein selbstverständliches, nicht mehr wegzudenkendes Werkzeug, das auf beruflicher und privater Ebene einen hohen Stellenwert genießt und in der wissenschaftlichen, politischen und pädagogischen Entwicklung eine wesentliche Rolle spielt.

Die meisten Menschen empfinden die internationale Vernetzung über die Online-Welt als großen Vorteil, denn sie eröffnet auf privater Ebene unzählige Vorteile. Im Internet abrufbare gebührenfreie Kommunikationsprogramme verdrängten in den letzten Jahren teure, auf internationaler Ebene für viele Menschen kaum leistbare Telefongebühren. Auch die private und berufliche Informationsbeschaffung ist dank Wikipedia und Google sehr viel leichter zu bewerkstelligen.

Heute können in der Welt verstreute Familienmitglieder sowie aus beruflichen Gründen räumlich getrennte Lebens- oder Ehepartner, Freunde und Bekannte über Kommunikationsmittel wie Skype, Facetime und soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter oder MySpace einfach und ohne großen Aufwand in regem Kontakt bleiben, wenn sie Zugang zu einem Computer mit Internet-Anschluss besitzen. Private Informationen jeder Art können in Form von Videos, Filmen oder Bildern über Plattformen wie Youtube oder Tumblr ausgetauscht werden.

Auch der Wissenschaft hat die Digitalisierung der Gesellschaft auf den verschiedensten Gebieten Fortschritte ermöglicht: Erfolge in der Genom-Entschlüsselung, Voraussagen der Klimaforschung, komplexe Modelle in Physik und Chemie, die Entwicklung in der Nanotechnologie, die Gehirnforschung, komplizierte medizinische Eingriffe und ökonomische Simulationen wären ohne Computertechnologie nicht möglich.

Die Nachteile der Digitalisierung der Gesellschaft

Doch wie schaut es mit den Gefahren und Risiken der digitalen Revolution aus? Geht es nach den Online-Coaches Katrin Zita und Lena Doppel, dann steht der „digital happiness“ nichts im Weg, wenn wir selbstverantwortlich mit unseren Daten umgehen. Niemand zwinge uns dazu, ständig erreichbar zu sein, unentwegt zu posten, jede Nachricht umgehend zu beantworten und unsere privaten Daten willkürlich in der virtuellen Welt zu verteilen. Selbstverantwortung setze Information und Selbstkontrolle voraus: „Um unser digitales Leben im Griff zu haben, müssen wir wissen, wo Gefahren, aber auch Chancen liegen. Dann können wir selbstbestimmt entscheiden, welche Daten wir hergeben und wo und wie wir uns schützen.“

Können wir wirklich noch selbst entscheiden, welche Daten wir hergeben und wie wir uns schützen? Die massenhafte Sammlung, Speicherung und Übertragung digitaler Daten durch staatliche und wirtschaftliche Institutionen erschuf einen Status quo der Überwachung, wie er in der Geschichte der Menschheit zuvor unbekannt war. Die durch die digitale Revolution eröffneten technischen Möglichkeiten, ihre potenziellen Gefahren für das Recht auf Privatsphäre und die Möglichkeit eines weitgehend gläsernen Bürgers waren noch weitgehend unbekannt, als die grundlegenden Menschenrechtsabkommen der Vereinten Nationen abgeschlossen wurden. Nach scheinbar harmlosen Einträgen in sozialen Netzwerken entfalten sich täglich hunderte von Shitstorms, und Cybermobbing ist inzwischen so weit verbreitet, dass jeder dritte Jugendliche in Deutschland davon betroffen ist. Außerdem beginnen immer mehr Menschen unter ihrer ständigen Erreichbarkeit per Smartphone und Email zu leiden, ohne das sie etwas dagegen unternehmen wollen, weil sie dann das Gefühl haben, sozial isoliert zu sein. Von den Auswüchsen der radikalen Hass-Postings von links- und rechtsextremistischer Seite, die das öffentliche Klima vergiften, ganz zu schweigen.

Die smarte Diktatur

Auch wenn die Mehrheit der Bürger noch weit davon entfernt ist, das Internet trotz wachsender Cyberkriminalität und NSA-Überwachung als Bedrohung wahrzunehmen, mehren sich die  kritischen Stimmen aus intellektuellen Kreisen, die vor einer digitalen Demenz, einer Vereinsamungstendenz oder gar vor einer „smarten Diktatur“ warnen. Der Sozialpsychologe Harald Welzer bezeichnet die Digitalisierung der Gesellschaft deshalb als smarte Diktatur, weil sie schleichend und weitestgehend unbemerkt durch den übermäßigen Konsum stattfindet und sogar mit der Zustimmung ihrer Nutzer einhergeht: „Das Einfallstor ist, dass jeder Akt der Datenlieferung mit einem Akt von Konsum einhergeht. Mit all dem, was ich tue, liefere ich gleichzeitig Wissen über mich selber ab. Die Leute konsumieren unheimlich gerne, auch wenn sie wissen, dass sie sich datenmäßig nackt und schutzlos machen.“   

Man hat den Soziologen Harald Welzer wegen seiner alarmistischen Fundamentalkritik an der umfassenden Digitalisierung der Gesellschaft einen Verschwörungstheoretiker genannt, weil er von einem „privatwirtschaftlich-staatlichen Komplex“ redet, der die Welt beherrschen und die Demokratie abschaffen will. Im Gegensatz zu vielen Politikern denkt Harald Welzer aber in Zusammenhängen, und so sind Klimawandel, soziale Ungleichheit, Finanzmarktkrise, Flüchtlinge, Artensterben, Digitalisierung der Gesellschaft, Globalisierung, Hyperkonsum, Wirtschaftswachsrum, Mobilität, Kriege, Überwachung und Terrorismus keine isolierten Phänomene, sondern müssen in einer Ursache-Wirkungskette gesehen werden:

„Die wachsenden Emissionsmengen, die den Klimawandel anfeuern, haben ihre Ursache in Hyperkonsum, die dafür erforderlichen Material- und Energiemengen müssen wegen des globalen Wettbewerbs so billig wie möglich gewonnen werden, weshalb Raubbau an Naturressourcen wie an menschlicher Arbeitskraft betrieben wird, was zu sozialer Ungleichheit und auch zu Konflikten, Kriegen und Terrorismus führt, weshalb expansive Überwachungsstrategien verfolgt werden, die durch einen privatwirtschaftlich-staatlichen Komplex der Kontrolle von Staatsbürgern gewährleistet werden, der zugleich für personalisierte Beeinflussung verwendet wird, die zu noch mehr Konsum anleitet, was zu mehr Energie- und Materialverbrauch führt usw usw.“

Die digitalen Übergangszonen ins Totalitäre

Besser kann man den umfassenden Wandlungsprozess, der sich im Prinzip der weltweiten Wachstumswirtschaft ausdrückt, nicht zusammenfassen. Insgesamt sieht Harald Welzer acht Übergangszonen ins Totalitäre:

  • Die erste Übergangszone ist eine Welt des Hyperkonsums: Das Kaufen von Produkten und Dienstleistungen im Netz ist das Tor zur Transparenz. Jeder Klick fügt dem Überwachungsuniversum eine weitere Information hinzu, die zu gegebener Zeit zu jedem beliebigen Zweck genutzt werden kann. Erste Hilfe: Nichts mehr im Internet kaufen.
  • Die zweite Übergangszone ist die Ausweitung des Marktes auf jede zwischenmenschliche Interaktion: Niemals zuvor in der Geschichte des Kapitalismus gab es diesen metastasengleichen Übergriff des Marktwirtschaftlichen auf nahezu alle gesellschaftlichen Lebensbereiche. Als Beispiel aus der Share-Oconomy nennt Harald Welzer das Übernachtungsportal „Airbnb“, das Unterkünfte von lokalen Gastgebern in mehr als 191 Ländern vermietet. Was also früher eine kostenlose Sozialleistung unter Freunden war, wird vermarktet und der Monetarisierung zugeführt. Erste Hilfe: Dinge kostenlos teilen.
  • Die dritte Übergangszone ist die Vereinzelung der Individuen durch Pseudogemeinschaften in der virtuellen Welt: Inzwischen leben fast 40 Prozent der Menschen in Deutschland in Singlehaushalten. Die zunehmende Isolierung, Getrenntheit und Vereinsamung wird von vielen Singles aber nicht so empfunden, weil sie ja durch soziale Netzwerke, Foren, Singlebörsen und Computerspiele miteinander verbunden sind, allerdings nur noch digital, nicht analog. Erste Hilfe: Mehr analoge Freunde treffen.
  • Die vierte Übergangszone ist die Kontrolle aller digitalen Aktivitäten: Alles was wir mailen, über soziale Netzwerke posten, über Kaufportale erwerben, über Google suchen, kurz alles, was wir im Internet tun, hinterlässt digitale Spuren, die zusammengenommen ein lückenloses Portrait unseres Selbst ergeben. Erste Hilfe: Browsererweiterungen installieren, die die Personalisierung verhindern.
  • Die fünfte Übergangszone ist eine Welt, wo demokratische Entscheidungsprozesse durch Netzabstimmungen abgelöst werden sollen: Internetgiganten wie Facebook, Google und Amazon haben kein Interesse an politischen Richtlinien und gesetzlichen Bestimmungen. Sie empfinden Politik als etwas grundsätzlich Störendes, was durch Bürgerbeteilung im Netz abgelöst werden sollte. Erste Hilfe: Handeln Sie politisch und verklagen Sie die Internetgiganten, wie beispielsweise Maximilian Schrems Facebook wegen mangelnden Datenschutz verklagt hat und vor dem Europäischen Gerichtshof Recht bekommen hat.
  • Die sechste Übergangszone ist eine Welt, wo individuelle Lebenslagen zum unausweichlichen Schicksal erklärt werden: Eine Schweizer Studie kommt zu dem Ergebnis, dass lediglich 147 Konzerne die Weltwirtschaft kontrollieren. Besonders Banken und Finanzunternehmen stehen mit ihrem Einfluss ganz weit vorne. Angesichts der zunehmenden Macht der Wirtschaft und der zunehmenden Ohnmacht der Politik, die hilflos zuschaut, wie immer mehr Arbeitsplätze zu Niedriglohn- und Minijobs werden, bekommen immer mehr Menschen den Eindruck, dass ihr Schicksal alternativlos ist. Die Digitalisierung führt zu mehr Automatisierung und damit zu Massenentlassungen in der Arbeitswelt. Die Menschen, die noch einen gut bezahlten Job haben, leisten Überstunden und nehmen weniger Krankheitstage, um den Job zu behalten. Erste Hilfe: Machen Sie sich selbstständig.
  • Die siebte Übergangszone ist eine Welt der Bewertungen: Nichts kann man im Netz posten, ohne dass es einer Bewertung unterzogen wird. Das geht harmlos auf Facebook los mit „gefällt mir“ und endet in Hass-Parolen, Shitstorms und Cypermobbing. Wo alles dem binären Urteil unterworfen wird, von dem Komfort einer Urlaubsreise über die Qualität eines Buches bis hin zu den Einzelqualitäten eines potentiellen Beziehungspartners, gehen alle qualitativen Unterschiede und die Zonen der eigenen Erfahrung verloren. Inzwischen kennt jeder die Geschichten von Menschen, deren soziale Existenz durch Internethetze zerstört worden ist. Erste Hilfe: Bewerten Sie sachlich und nur dann, wenn Sie fachlich kompetent sind.
  • Die achte Übergangszone ist eine Welt der Überwachung: Durch die Transparenz genannte Überwachung im Namen der öffentlichen Sicherheit verschwindet die Privatheit. Überall sind Kameras, alle Internet-Kommunikation wird überwacht. Erste Hilfe: Gehen Sie öfter in die Natur.

„Wir haben eine Form von Überwachung und Verlust von Privatheit, … die so etwas wie eine Schutzlosigkeit von uns allen mit sich bringt, weil es Instanzen gibt, die mehr über uns wissen als wir selbst. Mit diesem Wissen kann man unheimlich viel anfangen. Das entspricht zwar überhaupt nicht unserem Bild von Diktatur – da hat man immer Leute in Uniform im Sinn, man hat Gewalt vor Augen, aber nicht so etwas wie eine nette Konsumgesellschaft, in der man ständig neue Angebote bekommt. Der zugrunde liegende Effekt ist aber der gleiche: dass beide Systeme – die klassische Diktatur und das, was ich smarte Diktatur nenne – genau am selben Punkt ansetzen, nämlich am Individuum, an seiner möglichst hohen Transparenz und an seiner Steuerbarkeit.“

Somit sind wir nach Harald Welzer auf dem Weg in eine totalitäre, geheimnislose, aseptische Transparenzhölle, die Freiheit, Gleichheit und demokratische Rechtssicherheit gefährdet.

Die digitale Revolution geht weiter

Die Digitalisierung der Gesellschaft geht aber immer weiter. Das größte Potential liegt noch in der Entwicklung der Roboter. Als Beispiel rechnet Ian Pearson, Chef-Futurologe bei British Telecom, ab 2020 mit Maschinen, die ein Bewusstsein haben. Der Zeitpunkt, an dem künstliche Intelligenz die menschliche Intelligenz übertreffen wird und dann selbst den Fortschritt vorantreiben wird, wird „technologische Singularität“ genannt. Wie der Name schon sagt, ein Ereignis, „nach dem das Leben der Menschen, so wie wir es kennen, nicht weitergehen kann“, so Stanislaw Ulam, ein polnisch-US-amerikanischer Mathematiker. Die Rechenleistung des Gehirns wird zwischen 100 und 10.000 Teraflops (das sind 1012 Gleitkommaoperationen pro Sekunde) geschätzt. Diese Rechenleistung haben Supercomputer bereits erreicht. Aktuell verdoppelt sich die Rechenleistung alle 18 Monate. Eventuell ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis die digitalen Maschinen die Herrschaft über die Menschheit erlangen…

 


Literaturtipps
Harald Welzer: Die smarte Diktatur. Der Angriff auf unsere Freiheit. S. Fischer, Frankfurt a. M. 2015; 320 S., 19,99 €

Katrin Zita & Lena Doppel: Digital Happiness – Online selbstbestimmt und glücklich sein, Goldegg Verlag 2016,184 S., 19,95 €

Eine Antwort

  1. Der Webwandler
    Keuch, hechel... Mein Senf zur Kybernetik

    Als erstes Mal sind wir spätestens mit der Postmoderne meist stolz darauf, nicht RECHNEN zu können, seit dem mir das klar geworden ist, sehe ich die Welt anders. Ich brauche Geld um mehr als nur ein freundliches Lächeln und Kekse anzubieten, ich muss konsumieren oder aussteigen. Kenn ich schon, ist aber scheisse, wenn du lauter schlecht organisierte Menschen um dich hast.

    Sicherlich können Menschen weniger aufeinander zugehen als früher, aber bitte, so eine Diskussion gäbe es in Korea, Israel, oder den USA einfach nicht!

    Digitale Demenz?! Man könnte auch fragen: Shit, die Leute fangen an diese Buchstaben auf Papier zu drucken, wir müssen ein Abendland erfinden, damit wir seinen Untergang beklagen!!! Die sind ganz allein und glotzen diese Papiere an!

    Usw. je mehr ich dadrüber nachdenke, desto wütender werde ich auf Oliver Bartsch. Ist je nicht so, dass die Zerrüttung der Menschen nicht schon einige Jahrhunderte alt ist, dass die Menschen wegen der Armut und der industriellen Revolution in die Städte abwandern mussten. Was hat sich geändert? Es gibt mehr Bildung, mehr Konsum mehr Individualität mehr Menschen mehr Mittelschicht.

    Jetzt ist das Internet blöd, davor war es RTL2, davor haben se alle Springer gelesen. Schon mal überlegt ne wie es um Aufstiegschancen in Deutschland bestellt ist mit diesem miesen Bildungssystem?!?!

    Wenn H.W. nicht gerade zitiert wird, der im übrigen gegen Leute wie Robert Pfaller auf youtube eher mäßig abschneidet, ist der Artikel nicht so prickelnd. Keine Aufrufe Behörden und die eigenen Firmen unter Druck zu setzen, nein, geht in den Wald, macht ne Firma auf. In der Regel tragen Firmen zu erhöhtem Konsum von Waren und Dienstleistungen bei, aber:

    Konsum ist böse.

    Kaufen sie bitte nicht mehr im Netz ein! Wozu? Es gibt vieles echt billiger, alles an Ware ohne lästige Zollgrenzen und Zwischenhändler. Was soll das? In den Wald gehen ist was für Singles! Nebenbei stellt sich gerade die Wirtschaft von Lagerhaltung auf just-in-time Versand um.

    Mal im Ernst, ich hab Monate in meiner Wohnung verbracht und bin fast eingegangen, Waldspaziergänge sind toll, besonders mit Vodka, netten neuen Bekannten und einem Soundsystem dass größer ist als das Haus meiner Eltern.

    Es gibt einige logische Fehler in der Argumentation.

    Erstmal ist nicht die Technik schuld, sondern deren Auftraggeber. Zweitens braucht es mehr komplementären Umgang und stringentere Bildung.

    https://www.youtube.com/watch?v=zUoEla9cq_Y
    wäre da so ein hint, das Problem ist schon, dass Kybernetik zur Form des Herrschaftsapparates geworden ist.

    Infrastruktur ist die Macht, alles andere ist erstmal nur Gerede.

    Zumindest von seiten der unilastigen Revoluzzer lässt sich schon sagen, dass es Macht und Herrschaft gibt.

    Es gibt so viel an Technik zu lernen:
    Ein eigener VPN Tunnel, mit dem ich mich erst in einem anderen Land ins Netz einklinke ist schon mal etwas.
    Wegen sowas gibt es die „Freifunk“projekte mit denen alle die möchten, kostenlose Knotenpunkte im Netz errichten können.

    https://www.youtube.com/results?search_query=freifunk+erkl%C3%A4rt

    Leider gibt es sehr wenig Technikphilosophie, aber zurück zur Kritik an der Argumentationsweise. „Hasskommentare“ halte ich selbst für eine Zensur, mit der ich Menschen eine Strafbarkeit zuschreibe und so auch den letzten Idioten belangen kann. Wieso sollte ich denn, ganz nebenbei, nicht auch hassen dürfen? Es gibt viele Menschen die gnadenlos im Netz bedrängen, aber wie soll das in Welzers Bild passen?

    Welzer hat auf jeden Fall recht, dass es bessere Bevölkerungsanalysen gibt, aber die Steuerbarkeit verläuft nicht nur über die Konsumenten ODER die Politik!

    28 Millionen Zusschauer hatte die ARD angeblich bei den letzten EU Fussballspielen. Ist das eine neutrale Sache, was ist / wäre daran ein Problem?
    War die schon ziemlich hohe Abriegelung der Fanmeile nur zur Sicherheit da, wegen der Terroristen oder auch um Leute nicht auf die Idee kommen zu lassen, nicht dem Bundestag besoffen und wütend die Tür einzurennen?

    Die zivil-militärische Zusammenarbeit ist seit anfang 2000 schon lange ausgeprägt, Bundeswehr in Rathäusern, engere Zusammenarbeit von Notfallstrukturen wie dem THW, aber auch dem Frauenhofer Institut mit BKA und LKA, wenn es um Stromausfälle geht, Überflutungen etc.

    Doof nur, dass das eben alles nicht nur eine Opferseite hat, sondern auch schnell jede Revolte lähmt, vor Jahren sollten streikende LKW Fahrer aus Deutschland zu Terroristen erklärt werden dank einiger Christen, da sie das nationale Interesse gefährdeten.

    Also alles sehr relativ.

    Smart city.
    Wieso hat sich eigentlich niemand seit den NSU-Geschichten gefragt, ob es nicht doch eine türkische Mafia gibt. Und wenn ja, was sich von der lernen ließe? Wieso lassen sich mit Sportwettgeschäften und anderem Quark Gelder waschen, das kommt in der Überwachungsparanoia nicht vor, auch die Korruption um den BER hat in der 1a Überwachung nicht so viel Platz.

    Man muss doch auch umgekehrt denken und Lücken im System sinnvoll nutzen. Liebe mal ab und zu schwarz arbeiten, als jedes Mal in die low-level-share-economy abzudriften!

    Das ärgert mich an Sozialphilosophen wie Welzer, dass es so halbbackene Ansätze sind!

    Mann, seht doch mal, wir sind zum großen Teil Oppurtunisten, die ihre meist warenförmigen Möglichkeiten als als Freiheit ausgeben. Zu sagen sie wäre in Gefahr, ist Banane, als ob diese Einsperrung, Normierung, Disziplinierung des Lebens in den Industrieländern nicht schon länger arg schief läge, nicht umsonst haben Menschen sich selbst gegen einfache Schulbildung gewehrt, siehe Pink Floyds „we don’t need no education we don’t need no thought controll“.

    Ja wir sind FREI, aber nur wenn wir den eigenen GEHORSAM ABLEGEN, der sich mit der meist warenförmigen FREIHEIT paart!

    Und dann ist die Frage was ich mit dieser Freiheit mache, wenn sie durch allerhand Machtstrukturen immer wieder eingeengt, ignoriert, bewundert oder bestraft wird.

    Eben wegen sowas nehme ich mir heraus zu sagen dass der Allroundguru Mist erzählt, wenn er mit Sätzen wie „Eventuell ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis die digitalen Maschinen die Herrschaft über die Menschheit erlangen…“ abschliesst.

    Das ist alles zu pauschal, eine Milliarde Menschen habe Hunger!

    Geheimdienste mögen gut und schön sein, aber erstmal wir in der Regel die Polizei vor Ort aktiv. Wenn sie es nicht macht, liegt es vielleicht dadran, dass halt niemand klagt. Oli Bartsch hat die Ebenen auch nicht so klar, auf denen er argumentiert. Glaubt er denn nun an Bürgersinn, oder an öffentliche Proteste? Die Organisationen um netzpolitik.org haben viel gerissen, Frank Rieger vom Chaos Computer Club hat es in Beratungsgremium vom Bundestag geschafft, AutorInnen wie Constance Kurz, Sascha Lobo, können der Argumentation der „Digitalen Demenz“ viel entgegensetzen. Wenn man sich das mal überlegt:

    Es wird schon gesteuert – aber eher werden rechtzeitig Brotpreise gesenkt oder das UNWFP bezuschusst um Unruhen zu vermeiden, dafür braucht es schlicht gute Demografen, die Statistiken zur Bevölkerungsentwicklung auswerten.

    Die Stasi ist mit der DDR untergegangen, das sollte auch nicht vergessen werden.

    Mit dem rumgegrusel wird eher der Ruf dieser Schweine erhalten, als dass sie demaskiert werden. Lieber sollte die Rolle von Begriffen wie Produktivität, Macht Herrschaft, Gentrificizierung in einen Topf geschmissen werden. Ich hab keine Angst vor dem Prenzlauer Berg, nicht vor München Schwabingen, Notting Hill oder der Lower East Side oder der Innenstadt von Züric oder Amsterdam.

    Ein Problem hab ich wenn mir die Hoffnung ausgeht oder das Widerstandspotential der Leute die ich interessant finde, aber das ist nicht das gleiche. Das kapier ich an Welzer und Co nicht, da gibt es diese Kritik aber sie steht im luftleeren Raum. Ein Blick in ein Magazin der Polizei reicht manchmal schon aus, die wenn die neusten Kleinwaffen für den Nahkampf angepriesen werden. Oder nehmen wir Drohnen, aber… wer denkt soweit, wer glaubt an Killerdrohnen über Hamburg oder Köln?

    Die größte Stasi ist immernoch das Finanzamt.

    Also ja, es ist schlimm, aber etwas anders als dargestellt. Leider hat Bartsch nur das Zeug gelesen, dass in der Thaliabuchhandlung und entsprechend schnell bei Amazon weit vorne stand, dabei gibt es weit mehr!

    Pflichtartikel:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Kybernetik
    https://de.wikipedia.org/wiki/Kybernetik#Klassische_Literatur

    Wenn man jetzt den folgenden Artikel mit der kybernetik zusammendenkt, dann viel Spaß:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Aufstandsbek%C3%A4mpfung

    und eine etwas stringentere, zusammengefasste Kritik an der Smartcity:
    http://bloom0101.org/wp-content/uploads/2015/02/fuckoffgooglegerman.pdf

    Kybernetik – eine neue Universalphilosophie der Gesellschaft? (Zur Kritik der bürgerlichen Ideologie, 27)

    Turings Kathedrale: Die Ursprünge des digitalen Zeitalters
    In den 1940er Jahren kam es am Institute for Advanced Study in Princeton zu einer einzigartigen Zusammenarbeit wissenschaftlicher Genies, die als Keimzelle der digitalen Welt gelten kann. Zu ihnen gehörten Albert Einstein, Robert Oppenheimer, Kurt Gödel, Alan Turing und John von Neumann. In engem Austausch arbeiteten sie an streng geheimen Projekten, darunter dem Bau der Atombombe und der Entwicklung des Computers, weitgehend finanziert vom US-Militär. Auf der Basis jahrelanger Recherchen erzählt der amerikanische Wissenschaftshistoriker George Dyson erstmals die faszinierende Geschichte dieser Anfänge des digitalen Zeitalters.
    https://www.amazon.de/Turings-Kathedrale-Urspr%C3%BCnge-digitalen-Zeitalters/dp/3549074530/ref=pd_sim_14_21?ie=UTF8&dpID=41Dh3eNuEkL&dpSrc=sims&preST=_AC_UL160_SR100%2C160_&psc=1&refRID=BZMVAW221AEYKN4JSM70

    „Morgen werde ich Idiot. Kybernetik und Kontrollgesellschaft“ von Hans-Christian Dany

    Ein heiter ätzender Spaziergang durch das Innere, die Entwicklungsgeschichte und die Albträume einer von Selbstoptimierung besessenen Gesellschaft, die ihre Kontrolle nicht mehr durch Macht, sondern durch Rückkopplung und Selbstregulation ausübt. Dany zeigt, wie aus der Kybernetik als Modell für selbstregulierende Systeme eine Matrix der ständigen Optimierung eines jeden und der Gesellschaft geworden ist: Von der kybernetisch inspirierten Sozialpsychologie der fünfziger Jahre wanderte die Feedback-Theorie Wieners und Lewins in die Selbsterfahrungsgruppen, die sie in die WG-Küchen weiter trugen. Parallel flossen die Methoden als Social Engineering in das Management ein und später in die sozialen Netzwerke, wo das Kommunikations-Panoptikum nochmals in neuer Form zu sich fand….
    https://www.amazon.de/Morgen-Idiot-Kybernetik-Kontrollgesellschaft-Flugschrift/dp/3894017848/ref=sr_1_fkmr0_3?ie=UTF8&qid=1468965331&sr=8-3-fkmr0&keywords=kybernetik+gesellschaft+algorhytmen

    „Bürokratie: Die Utopie der Regeln“
    David Graeber, der bedeutendste Anthropologe unserer Zeit, entfaltet eine fulminante und längst überfällige Fundamentalkritik der globalen Bürokratie! Er erforscht die Ursprünge unserer Sehnsucht nach Regularien und entlarvt ihre Bedeutung als Mittel zur Ausübung von Gewalt.
    https://www.amazon.de/B%C3%BCrokratie-Utopie-Regeln-David-Graeber/dp/3608947523/ref=pd_sim_14_19?ie=UTF8&dpID=517arw2fQLL&dpSrc=sims&preST=_AC_UL160_SR100%2C160_&psc=1&refRID=BZMVAW221AEYKN4JSM70

    >>Von der „idealen Kommunikationsgemeinschaft“ zum „kommenden Aufstand“? Möglichkeiten und Grenzen der politischen Übersetzungsaarbeit nach Rancière<< Stanley Baldauf

    Studienarbeit aus dem Jahr 2016 im Fachbereich Politik – Politische Theorie und Ideengeschichte

    In dieser Arbeit geht es darum, zu untersuchen, ob klassische" Diskurstheorien einer liberaldemokratischen Offentlichkeit unter den Voraussetzungen einer idealen Kommunikationsgemeinschaft" (Habermas) mit ihren erkenntnisleitenden Interessen" (abermals Habermas) noch den heutigen Gegebenheiten entsprechen oder nicht. Die Vermutung liegt nahe, dass dies offensichtlich nicht mehr der Fall ist, weil gesellschaftliche Minderheiten im weitesten Sinne (sexuell, ethnisch, genderspezifisch usw.) sich dadurch nicht mehr reprasentiert fuhlen bzw. der Meinung sind, uberhaupt nicht mehr reprasentiert werden zu konnen. Fur sie ist der reprasentative Diskurs der Demokratien" selbst zu einer latent totalitaren Bedrohung geworden. Verschiedene politische Gruppen ziehen daraus allerdings radikal verschiedene Konsequenzen. Wahrend die einen – wie am Beispiel Ranciere illustriert – noch davon ausgehen, dass eine Ubersetzungsarbeit" zwischen dem Reprasentanten" des vorherrschenden politischen Systems und den sich unterdruckt fuhlenden Minderheiten noch moglich ist, behaupten andere, wie die Autoren des Kommenden Aufstands" von 2007, dass dies vergebliche Muhe sei, weil politische Reprasentation von Interessen in Wirklichkeit nur noch eine Simulation frei nach Baudrillard darstelle, eine Form ohne Inhalt. Aufgabe dieser Arbeit ist es nun, ausgehend von Habermas, diese verschiedenen Interpretationen des zeitgenossischen politischen Diskurses einander gegenuberzustellen, sie gegeneinander abzuwagen und auf ihren Realitatsgehalt hin zu uberprufen. Daraus werden am Schluss bestimmte Konsequenzen gezogen, die man im Fazit nachlesen kann."
    https://www.amazon.de/Kommunikationsgemeinschaft-kommenden-M%C3%B6glichkeiten-politischen-%C3%9Cbersetzungsaarbeit/dp/3668200378/ref=sr_1_6?ie=UTF8&qid=1468965157&sr=8-6&keywords=der+kommende+aufstand

    Wer Proargumente zur Smart City kennenlernen möchte, kann das Beispielsweise über die Ingeneurswissenschaftlichen Studiengänge, wie auch Stadt- und Verkehrsplanung, Informatikstudiengänge, Vorlesung zur Öffentlichen Verwaltung. An der TU Berlin wird dieser Tage in der Informatik über die Zukunft des Flughafens Tegel debattiert.

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