Wissen Sie, was Fakire mit Yogis gemeinsam haben?
Oder warum Hitler die Verbreitung des Yoga unterband?
Wissenswertes aus fünf Jahrtausenden von Anna Trökes.

 

Zeitlos: So wie diese beiden Männer saßen schon vor 5000 Jahren Yogis am Ganges.

Die ersten Spuren, die der Yoga – nach jetzigem Kenntnisstand – in der Geschichte der Menschheit hinterlassen hat, liegen etwa 3500 Jahre zurück. Zu dieser Zeit, also zirka 1500 vor unserer Zeitrechnung, wird zum ersten Mal in den alten indischen Weisheitstexten, den Veda, die Existenz von weisen, heiligen Männern bezeugt, von denen es heißt, dass sie meditieren und die Atemübungen machen, die als Vorformen unserer heutigen Yogapraxis angesehen werden können.

Daneben gibt es jedoch inzwischen eine große Anzahl von Wissenschaftlern, die aufgrund von Ausgrabungen und den dabei gemachten archäologischen Funden davon ausgehen, dass der Yoga sogar noch sehr viel älter sein könnte. Sie vermuten aufgrund von Darstellungen von Menschen in komplexen Yogapostionen (z.B. Mulabadhasana) auf etlichen Specksteinsiegeln, dass er bereits in den Hochkulturen des Indus-Tals geübt wurde. Auch die – wenn auch nur teilweise entzifferten – Schriftzeichen der Induskultur, die eine gewisse Übereinstimmung mit der dravidischen Schrift aufweist, so wie sie noch heute in Süd-Indien, der »Hochburg« des modernen Yoga, verwandt wird, sind ein Indiz, das in diese Richtung weisen könnte. Da zudem große Kenner der Geschichte des Yoga wie Mircea Eliade und T.K.V. Desikachar Vermutungen äußern, dass der Yoga in Indien selber entstanden sei, mehren sich die Beweise, die die Behauptung stützen, dass der Yoga schon seit zirka 5000 Jahren der Menschheit dienen könnte.

Geburtsort Indien

Damit wird die früher immer wieder unangefochten vertretene These, dass der Yoga von den Indo-Ariern nach Indien gebracht worden sei, zunehmend in Frage gestellt. Lange Zeit ging die Forschung davon aus, dass die Lehren des Yoga in ihren Grundzügen von den nomadischen Völkern – den Aryas – eingeführt wurden, die die Veden erschufen und ab zirka 1500 v. Chr. ihre Religion und Weltsicht in weiten Teilen Indiens etablieren konnten. Es heißt, dass sie die dravidische Bevölkerung, die sie vorfanden, gewissermaßen kolonialisierten und die religiösen Anschauungen dieser Gartenbaukultur zunehmend verdrängten.

Gegen die Einwanderungsthese spricht noch, dass nirgendwo sonst, wo sich die Aryas niederließen, eine ähnlich komplexe Wissenschaft vom Menschen und dem menschlichen Geist entstand, wie sie der Yoga in seiner Gesamtheit darstellt.

Was auch immer die Forschung noch über diese Ursprünge herausfinden mag, eines ist gewiss: Die Ausformung der Philosophie und Übungspraxis fand auf jeden Fall in Indien statt. Abgesehen von diesen Meinungsverschiedenheiten herrscht in der Literatur heute jedoch weitgehend eine Übereinstimmung darüber, dass die Weltsicht des Yoga auf der Grundlage des Vedismus entstand. Er folgt einer Entwicklung, die ihren Höhepunkt um die Zeitenwende in der Verfassung der Yoga-Sutras fand, die dem Weisen Patañjali zugeschrieben werden.

Das jüngste Kind: Hatha-Yoga

In den folgenden Jahrhunderten entstanden in Indien mehrere Yogawege, die auch heute noch existieren. Es sind der »Yoga der Erkenntnis« (Jñana-Yoga), der seine Quelle vor allem in den Upanishaden hat, der »Yoga der Tat« (Karma-Yoga) und der »Yoga der liebenden Hingabe« (Bhakti-Yoga), die sich beide auf die Bhagavadgita gründen, einen Text, der oft »die Bibel der Hindus« genannt wird.

Der heute so populäre Hatha-Yoga ist der jüngste der großen Yogawege. Er entstand vor dem Hintergrund des Tantrismus ab dem 6. Jahrhundert unserer Zeitrechnung und erreichte seine volle Blüte um das 10. Jahrhundert. In den folgenden Jahrhunderten wurden seine Methoden immer feiner ausgeformt, wobei neben brauchbaren und heilsamen Wegen auch manche Irrwege beschritten wurden, wie beispielsweise der dem Yoga eng verwandte Fakirismus, der den Yoga nicht nur in Verruf brachte, sondern auch zunehmend dazu führte, dass Yoga-Techniken mit fakirischen und asketischen Techniken gleichgesetzt wurden (à la „Yogis sitzen in verschlungenen, akrobatischen Haltungen auf dem Nagelbrett!“).

 

Neubelebung durch den Westen

Nach einer langen Blütezeit trat der Yoga – bedingt durch die von außen befremdlich aussehenden (das heißt, nicht ins brahmanische Weltbild passenden) Techniken – ziemlich in den Hintergrund. Die ablehnende Haltung der englischen Kolonisatoren im 18. und 19. Jahrhundert gegenüber allen Yoga-Techniken verstärkte diese Entwicklung sicher noch beträchtlich.

Obwohl in Indien selbstverständlich viele große Yogatraditionen weiter bestanden und sich weiter entwickelten – man denke nur an die Schulen von Swami Sivananda, Swami Gitananda, Swami Nityananda, Krishnamacharya oder Dhirendra Bramacarya -, war es dann erst das große Interesse der Menschen in den westlichen Ländern, die ihn in seinem Ursprungsland wieder richtig zum Leben erweckte und dazu führte, dass er sich erneuerte und dass gleichzeitig die Forschung begann, sich intensiv mit seinen Quellen und Hintergründen zu beschäftigen.
Der Yoga durchlief im Laufe der Zeit viele Anpassungsprozesse und hat sich so allmählich zu der Form entwickelt, die im frühen 20. Jahrhundert in den Westen kam. Dass sie dort einmal so erfolgreich werden sollte, konnte allerdings niemand voraussehen.

 

Wie kam der Yoga zu uns?

Bereits im 19. Jahrhundert fand der Yoga mit seinen literarischen Zeugnissen Beachtung unter den Indologen und Philosophen Deutschlands, unter denen Humboldt, Herder und Schopenhauer die bekanntesten sind. Sie begeisterten sich für die Upanishaden oder die Bhagavadgita, die damals ins Deutsche übersetzt wurden, tendierten aber dazu, alles Indische zu verklären und in einem romantischen Licht zu sehen.

Die Theosophen begannen als erste, sich methodisch mit dem Yoga auseinanderzusetzen. Sie studierten die klassischen Texte und suchten Kontakt zu Yogameistern. Der wesentlichste Impuls für das Bekanntwerden des Yoga im Westen war jedoch der Vortrag, den Vivekananda 1893 auf dem »Weltparlament der Religionen« in Chicago hielt. Als Schüler Ramakrishnas verfolgte Vivekananda eine »Mission« die zur Gründung zahlreicher Zweigstellen der »Vedanta Society« führten, von denen aus indisches Gedankengut fortan systematisch verbreitet wurde und auf große Beachtung und Begeisterung stieß.

Die indischen Lehrer, die Vivekananda folgten, waren Sri Aurobindo, Paramahamsa Yogananda und Swami Sivananda. Sie vertraten vor allem die geistige Ausrichtung des Yoga. Mit Sivananda und Swami Yogendra begann schließlich auch der Hatha-Yoga erst in den USA und später in Europa Verbreitung zu finden.

Die erste deutsche Yogaschule wurde in den 30er Jahren in Berlin von Boris Sacharow gegründet, der damit den Grundstein für die Sivananda-Tradition in Deutschland legte. Hitler, der sich zuerst ebenfalls sehr für alles Indische interessierte – wobei es ihm besonders um die arischen Wurzeln von Teilen der indischen Kultur ging -, unterband jedoch schon bald eine Verbreitung des Yoga, denn ihm wurde schnell klar, dass die Beschäftigung damit den Geist der Menschen frei und unabhängig machte. Deshalb geschah der wirkliche Durchbruch des Yoga in Deutschland – wie ganz allgemein in Europa und den USA – erst nach dem Ende des zweiten Weltkriegs.

Nachkriegsdeutschland: Yoga als Gesundheitsvorsorge und für den Geist.

Die ersten Nachkriegsjahre wurden stark geprägt durch zwei große Schulen: die von Boris Sacharow vertretene Sivananda-Tradition (die „Erste Deutsche Yogaschule“) und die „Yogaschule Yesudian/Haich“. Besonders Yesudian, der als erster viele sehr populäre Yogabücher veröffentlichte, trug dazu bei, den Yoga einer breiteren Öffentlichkeit als sinnvolle Methode der Gesundheitsvorsorge und als Mittel zur Entwicklung und Befriedung des Geistes vorzustellen. In den 50er Jahren gesellten sich zu ihm in Felix Riemkasten und Ulrich Rieker zwei weitere Yoga-Pioniere, die ebenfalls eine Vielzahl sehr populärer Yoga-Bücher veröffentlichten.

Ab den 60er Jahren begann sich der Yoga in Deutschland langsam zu institutionalisieren. Marksteine dabei waren das „Münchner Yoga-Zentrum“, das von Anneliese Harf geleitet wurde, das von A.O. Isbert geleitete „Deutsche Yoga-Institut“ und dann vor allem der 1967 gegründete „Berufsverband Deutscher Yogalehrer“ (BDY).
Dieser Berufsverband vertrat in seiner Satzung nicht nur den Wunsch, die Yogalehrer Deutschlands zu gemeinsamer Arbeit zusammenzuführen und den Yoga kompetent weiter zu vermitteln, sondern widmete sich als erster Verband im deutschsprachigen Raum der Entwicklung einer professionellen Yogalehrausbildung (ab 1969).
Parallel dazu gab es zu dieser Zeit noch einen zweiten wichtigen Verband, die „Deutsche Yoga-Gesellschaft“, dessen Tätigkeit sich vor allem auf die Organisation von „Deutschen Yoga-Kongressen“ ausrichtete. Dieser Verband steht jedoch heute – im Gegensatz zum BDY – sehr im Hintergrund und wird in der Öffentlichkeit kaum noch wahrgenommen.

Ab den 80er Jahren setzte dann in Deutschland eine Phase der Professionalisierung ein, die bis heute ungebrochen anhält. Der Siegeszug des Yoga ist sicher auch darauf zurückzuführen, dass an Volkshochschulen, an vielfältigen öffentlichen Bildungseinrichtungen der Kirchen, der Universitäten und bei Verbänden wie dem Kneipp-Bund oder dem DRK eine Vielzahl von Yogakursen unter kompetenter Anleitung angeboten wurden. Daneben gab es auch ein zunehmend wachsendes Angebot an Yoga-Lehrausbildungen und professionellen Weiterbildungen, die dazu beitrugen, die Qualität der Yoga-Kurse ständig zu verbessern.

Buchempfehlungen

Der Stammbaum des Yoga,

Tietke, Mathias:

Theseus Verlag, 2007

 

 

 

Yoga in Deutschland – Rezeption, Organisation – Typologie,

Christian Fuchs,  Kohlhammer Verlag 1990

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