Die Kunst, auf dem Boden zu bleiben – Lebenskunst und Selbsterfahrung 1. Januar 1998 Persönliches Wachstum Wer das Ziel im Kopf hat, aber die Erde nicht spürt, fällt auf die Nase. Buntes Treiben herrscht auf den Marktplätzen der „höheren Bewusstseinsstufen“ Esoterik-Messen, Workshops, Seminare und eine ungeahnte Bücherschwemme machen die ehemaligen Geheimwissenschaften alter Kulturen sowie die neuesten Einsichten und Spekulationen spiritueller Sucher und Forscher einem breiten Publikum zugänglich. Da wird gependelt, gechannelt und orakelt, Horoskope werden chinesisch, indianisch, arabisch oder europäisch gedeutet und das Tarot in immer neuen Versionen befragt. Kosmische Energien fließen durch zahllose Hände und mit Bachblüten werden die Flecken aus der Aura getupft. Lichtwesen und aufgestiegene Meister werden zu Hilfe gerufen, Schamanen und Medizinmänner unterrichten die Begegnung mit Krafttieren, Geistern und Dämonen. Wahrlich, Wunder werden vollbracht, Visionen gefunden, Resultate erzielt. Instant-Erleuchtung kraft Pay-TV oder telefonischer Meditationsberatung scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein. Nachdem uns die astralen Kanalarbeiter freundlicherweise alle karmischen Hindernisse aus dem Weg geräumt haben, begeben wir uns vergnügt auf die Autobahn zum kosmischen Bewusstsein. „Vorsicht, Schleudergefahr! Schlechte Sicht und Straße nass – Augen auf und Fuß vom Gas!“ Lebenskunst, die Kunst des Lebens heißt, Bewusstsein entwickeln. Aber Bewusstsein bedeutet bewusstes Sein, und ent-wickeln kann sich nur, wer um seine Ver-wicklungen weiß. Lebenskunst und Selbsterfahrung: Gerade der Kosmos, der Himmel und die Welt der Geister und Dämonen bieten eine riesige Projektionsfläche für unsere Ängste, Wünsche und Hoffnungen. Wir interpretieren und werten unbewusst alles auf dem Hintergrund unserer eigenen Geschichte. Solange wir uns nicht unserer Geschichte bewusst sind und Projektionen erkennen, ist alles, was wir zu sehen glauben, nur Schall und Rauch, Illusion, verzerrt durch das Echo unserer eigenen Verstricktheit. Früher gaben die Eingeweihten, Meister und Medizinmänner das in Jahrhunderten angesammelte Wissen nur an ausgewählte Schüler weiter, und auch dann oft nur nach jahrelanger Ausbildung, Training und Prüfung. Heute steht dieses Wissen, durch alle möglichen und unmöglichen Veröffentlichungen, nahezu jedem Menschen zur Verfügung und stiftet oft nichts weiter als eine unglaubliche Verwirrung. Wer nicht mit beiden Beinen auf dem Boden steht, hebt ab. Wer abhebt, verliert den Kontakt zu sich selbst, zu seiner „Wirk“-lichkeit. Schnell führt die Suche in die „Irre“, in den religiösen Wahn. Lebenskunst aber meint, alle (Wahn-) Vorstellungen und Muster abzulegen, sich selbst und das Leben annehmen Nur so wird es möglich, jeden Lebensabschnitt als Summe von Augenblicken neu zu erfahren und sich dem Erleben zuzuwenden, das JETZT möglich ist. „Wer das All erkennt, sich selbst aber verfehlt, verfehlt das All“. Dies sagt uns Jesus von Nazareth im Thomas-Evangelium der Kopten. Er wirft uns damit zurück auf uns selbst, unseren Körper, unsere Sinne und unsere Sinnlichkeit. Wer sich mit feinstofflichen Themen und Phänomenen beschäftigen, will muß sein Sensorium entfalten und seine Wahrnehmung interpretieren lernen. Wer die neuen Informationen und Einsichten, die uns esoterische Praktiken bescheren, richtig verdauen will, muß erst die Informationen und Einsichten verdaut haben, die uns unsere eigene leibhaftige Geschichte präsentiert. Lebenskunst und Selbsterfahrung: Es gibt keinen Weg vorbei an der Grundarbeit an uns selbst, die den Boden für eine neue Weltsicht vorbereitet „Grundarbeit“, das klingt nach Morast, Anstrengung und Gummistiefeln. „Grundarbeit“ meint, vorne anfangen. Bioenergetik, Körperarbeit, Gestalttherapie, Primärtherapie, Encounter, Psychodrama und Meditation. Selbsterfahrung, Therapie und Meditation öffnen das Tor zu einem langen Weg des Erkennens, des Fühlens und Spürens. Einsichten und Aussichten erweitern sich, ein neues Weltbild, ein neues Lebensgefühl kann entstehen. Lebenskunst und Selbsterfahrung gehören zusammen. Und immer wieder Erdung. Zurück auf den Boden, in unseren Körper. Unser Körper ist das Vehikel, mit dem wir uns auf dem Weg bewegen. Über die Sinne, über die Sinnlichkeit des Körpers erfahren wir das Übersinnliche unserer Seele, den Einklang mit der Existenz, mit Gott. Und das ist es, was alle esoterischen Praktiken vermitteln wollen, das Spüren und Fühlen einer wirkenden Energie, einer Schwingung von Allem in Allem. Der Weg dorthin ist lang, aber keineswegs langweilig. Es ist der Weg nach Hause zu uns selbst und eines der schönsten und aufregendsten Abenteuer, die das Leben für uns bereit hält. Hinterlasse einen öffentlichen Kommentar Antwort abbrechenDeine Email Adresse wird nicht veröffentlicht.KommentarName* E-Mail* Meinen Namen, meine E-Mail-Adresse und meine Website in diesem Browser für die nächste Kommentierung speichern. Überschrift E-Mail-Benachrichtigung bei weiteren Kommentaren.Auch möglich: Abo ohne Kommentar. Durch Deinen Klick auf "SENDEN" bestätigst Du Dein Einverständnis mit unseren aktuellen Kommentarregeln.