Eine langjährige Beziehung zu führen, die auch glücklich und sexuell erfüllend ist, wünschen sich die meisten Menschen. Doch nur den wenigsten gelingt es. Zu ihnen gehören Antonia (68) und Wolf-Dietrich (53) *).

SEIN-Redakteurin Cornelia Regler spürte dem Geheimnis ihrer Partnerschaft nach.

Ihr seid seit 27 Jahren ein Paar. Was ist das Besondere an eurer Beziehung?
Wolf-Dietrich: Wir haben von Anfang an in unserer Beziehung geduldig und beharrlich dafür gesorgt, dass persönliches und gemeinsames Wachstum möglich war.
Antonia: Das Besondere ist, dass wir nach so langer Zeit noch zusammen sind, obwohl oder weil unsere Verbindung nicht den gängigen Normen entspricht. Die Liebe ist immer noch lebendig und seit unserer Heirat im Dezember 2001 eher tiefer geworden. Wenn du fragst, warum das so ist, wissen wir beide keine schlüssige Antwort. Astrologisch betrachtet scheint es eine karmische Beziehung zu sein, aus der wir beide lernen.

Wolf-Dietrich, du bist 14 Jahre jünger als Antonia. Spielte oder spielt der Altersunterschied in eurer Beziehung eine Rolle?
Wolf-Dietrich: Sicherlich beeinflusst das den Umgang miteinander auch in den alltäglichen Bereichen. Da gibt es auch manche Konflikte, das hat uns aber nie grundlegend entzweit.

Antonia, Du bist 14 Jahre älter als Wolf-Dietrich. Wie siehst du das?
Antonia: Ich hatte meistens jüngere Partner, mein erster Mann war fünf Jahre jünger. Ein Problem war, dass ich viel mehr Erfahrungen mit Beziehungen hatte als Wolf-Dietrich. Die Bedenken kamen sonst eher von außen, Bekannte und Verwandte waren skeptisch. Wir sind aber nicht deshalb zusammen geblieben, weil wir es den Leuten zeigen wollten. Manchmal drängten sich jüngere Frauen in die Beziehung, weil sie meinten, ihre Jugend berechtige sie dazu.

Welche Eigenschaften machen euch füreinander besonders wertvoll?
Wolf-Dietrich: Großzügigkeit, Reinlichkeitsbewusstsein, Langmut und Naturverbundenheit. Wir sind auf verschiedenen Gebieten kreativ: Antonia malt und schreibt, ich klettere und bastle gern und habe einen grünen Daumen.
Antonia: Wolf-Dietrich ist zurückhaltender als ich. Dadurch ergänzen wir uns meistens. Er ist ein sehr humaner Mensch, sehr zärtlich und tief mit seinen Gefühlen verbunden, dadurch aber auch irritierbarer als ich. Er hat großes Musikverständnis und sucht zu jedem Anlass die passende Musik heraus. Besonders mag ich auch seine Liebe zu den Bergen.

Welche Rolle spielt die Sexualität in eurer Beziehung?
Wolf-Dietrich: Durch die Sexualität werden die Bindungskräfte zwischen uns immer wieder erneuert. Sexualität ist elementar für unsere Beziehung.
Antonia: Sie spielte und spielt eine große Rolle, weil ich zu den Frauen gehöre, die Sex lieben. Meine Lebenskraft liegt in der sexuellen Energie und den körperlichen und seelischen Gefühlen. Nach dem Zusammensein spüre ich noch längere Zeit das wunderbare erotische Gefühl in meinem Körper.

Gab es andere Partner neben eurer Beziehung zueinander?
Wolf-Dietrich: Andere Partner neben der Beziehung hat es nie gegeben.
Antonia: Leonie Siebenschön schreibt: „Treue ist ein Tabu, keinem Paar ist sexuelle Treue zuzumuten“. Auch Silvio von „Secret of Tantra“ sieht offene Partnerschaften, Zweit- und Drittbeziehungen als ein Heilmittel gegen die vielen Ehescheidungen an. Meist führt diese Praxis aber letztendlich zur Trennung. Wir hatten keine anderen Partner, aber beide vor mehr als zehn Jahren eine kurze Affäre. Für mich war es eine Selbstbestätigung. Der Mann war kaum älter als Wolf-Dietrich. Heute ist Treue für uns sehr wichtig. Ich könnte mir nicht vorstellen, mit einem anderen Mann Sex zu haben. Es war ein wichtiger, aber notwendiger Lernprozess für mich, als Wolf-Dietrich allein ein gemischtes Jahrestraining bei Frank und Vimalmani machte – ihm zu vertrauen, dass er mir treu blieb. Ich habe es ihm nicht immer leicht gemacht.

Wie schafft ihr es, nach so vielen gemeinsamen Jahren die erotische Spannung aufrechtzuerhalten?
Wolf-Dietrich: Für mich als nicht mehr ganz jungen Mann ist es wichtig, mich energetisch nicht zu sehr zu verausgaben und so das innere Feuer am Brennen zu halten, dass es auch nach außen strahlt und so für erotische Spannung sorgt.
Antonia: Wahrscheinlich liegt es daran, dass immer noch eine tiefe Liebe zwischen uns besteht. Wenn ich Wolf-Dietrich unverhofft irgendwo treffe, freue ich mich. Ich mag es, wenn er mich mit seinen Händen berührt, mich umarmt oder streichelt. Der Zauber der gegenseitigen Berührung ist nach all der Zeit noch da. Abends sitzen wir beim Fernsehen Händchen haltend auf der Couch. Eine Zeitlang hatten wir Einzelsofas, da fehlte uns etwas. Unsere Sexualität hat sich durch Tantra-Workshops und -Trainings geändert. Die Liebe ist jedes Mal anders und wir entdecken unsere Körper immer wieder neu. Freilich ist es nicht jedes Mal ein tiefgreifendes Erlebnis oder der ultimative Kick. Manchmal kann man sich nicht so hingeben und sich entspannen, ein anderes Mal stört etwas von außen. Aber in einer vertrauensvollen Partnerschaft gibt es immer ein nächstes Mal. Wenn wir nach der Liebe ganz offen füreinander sind, fühlt sich das gut an, wir sind einander nahe, ohne uns aneinander zu klammern, alle Ängste verschwinden.

Habt ihr Rituale entwickelt, die eurer Partnerschaft und Sexualität einen Rahmen geben?
Wolf-Dietrich: Wir haben in den Tantragruppen Rituale kennengelernt und praktiziert. Wir haben uns in der Wohnung Raum für Achtsamkeit geschaffen und gestalten auf unterschiedliche Art den Rahmen fürs Zusammensein.
Antonia: Wir haben seit mehreren Jahren getrennte Schlafzimmer, so dass wir uns nicht aus Gewohnheit lieben, sondern es immer ein bewusster Entschluss ist. Besonders schön ist die Liebe vormittags am Wochenende. Dann können wir uns genügend Zeit nehmen. Seit das breite Bett in der Mitte meines Zimmers steht, ist es neben Musik und Räucherstäbchen der äußere Rahmen. Ganz wichtig ist es auch, uns durch Streicheln oder Massieren zärtlich aufeinander einzustimmen. Dabei lassen wir unser Herz und unsere Liebe über unsere Hände sprechen.

*) Namen von der Redaktion geändert

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