Singen kann ebenso wie Meditation, Therapie oder andere Selbsterfahrungswege blockierte Energien in Bewegung setzen und heilend wirken – vor allem in einem rituellen Rahmen. Je nachdem, wie offen eine Person ist, kann es sogar den Raum für tiefe spirituelle Erlebnisse bereiten und ichauflösend wirken.

Über Stimme und Gesang können unmittelbar innere psychische/seelische Prozesse in Gang gesetzt werden, da wir uns selber über dieses Medium ganz direkt begegnen. Die starken Schwingungen beim Singen, speziell von spirituellen Gesängen, können in Menschen intensive Emotionen, Gefühle und Stimmungen auslösen. Obertonreiche Schwingungen machen glücklich, verändern, heilen. Sie können aber auch Ich-auflösend wirken. Gerade heilendes Singen ist ein besonders starkes Medium und muss sorgfältig dosiert eingesetzt und mit einer hohen Sensibilität begleitet werden. Als Leiterin bin ich immer darauf vorbereitet, dass alte traumatische Erfahrungen erneut mobilisiert werden. Meine Aufgabe ist es, verantwortungsvoll vorzugehen und nichts zu forcieren. Durch meine frühere Arbeit als Ärztin in der Psychiatrie sind mir Ausnahmezustände vertraut.

Die Macht der Töne: Alles ist möglich

In einem Seminar mit dem Schwerpunkt „Heilende Stimme“ machten wir ein „Besingritual.“ Sieben Menschen lagen in der Mitte des Kreises. Der Teilnehmerkreis sang etwa zehn Minuten den Chant „I am a Circle“. Ich spielte dazu die Tampurasaiten des Kotamos. Dieses dem Monochord ähnliche Musikinstrument erhöht und verstärkt die Wirkung der Schwingungen. Fünf Teilnehmer berichteten, dass sie die Session als sehr angenehm empfanden. Sie beschrieben unter anderem Schweben im Glück, Umgeben-Sein mit Licht, Sich-getragen-Fühlen, liebevoll Berührt-Sein von den Tönen.
Eine Frau berichtete allerdings von einem vertikalen Spaltungsgefühl im Körper. Sie hatte das Gefühl, als ob ihr Körper aus zwei verschiedenen Hälften bestehe. Sie kannte das, allerdings war das Spaltungsgefühl stärker als sonst und für sie unangenehm. In der Pause sprach ich sie an, ob sie eine Vermutung habe, woher das komme. „Ja“, sagte sie sofort, „meine Mutter ist Alkoholikerin, und das belastet mich sehr. Ich erlebe öfters Gefühle von Spaltung und von einem Panzer in meinem Körper. Ich wage es nicht, diesen aufzulösen. Ich bin erst seit drei Jahren in Therapie.“
Eine zweite Frau reagierte zuerst gar nicht, nachdem wir aufgehört hatten zu singen. Dann sagte sie mühsam mit schwerer Stimme, dass sie das Gefühl habe, über ihrem Körper zu schweben. So etwas hatte sie vorher noch nie erlebt. Sie brauchte einige Zeit, um „zurück zu kommen.“ Derartige Dissoziationserlebnisse können durchaus zwei Stunden anhalten. Falsch wäre es in solchen Momenten, an diesen Menschen zu rütteln, irgendetwas zu forcieren oder selbst in Panik zu verfallen. Diese Erfahrungen kann man im Allgemeinen als Durchgangsprozesse betrachten, als Heilungsversuche der Seele. Auch Trauer oder Wut, wenn diese hochkommen, sind akzeptierte Emotionen, die genauso zum Leben gehören wie Freude.

An diesen Beispielen kann man sehen, wie mächtig Töne wirken können. Wie bei jedem Heilmittel geht es beim Singen auch um die richtige Dosierung im richtigen Moment. Singen und auch Besungenwerden bringt blockierte Energien in eine höhere Schwingung. Emotionen kommen ins Fließen, Schmerzen können sich auflösen. Ein kraftvolles Energiefeld wird aufgebaut, es geschieht Heilung.

 

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