Die Politik-Rebellen auf Kaperkurs

Die erst im Jahr 2006 gegründete Piratenpartei ist jung, frech und spricht durch ihre Andersartigkeit und modernen Wahlziele viele Wähler an. Vor allem den Kampf gegen eine drohende Überwachungsgesellschaft und den blinden Aktionismus von „Zensursula“ haben sie sich auf ihre Flagge geschrieben. Vor kurzem noch von ihren politischen Gegnern mehr als nur belächelt, tauchen die Piraten nun immer öfter in den Medien auf. Sind sie eine reelle Alternative zum rot-schwarzen Einheitsbrei der vergangenen Jahrzehnte?

 

Noch unverkrustet und selbstbestimmt gehen die Mitglieder der Piraten in den Wahlkampf zur Bundestagswahl. Denn auch wenn die Piratenpartei ihre Wurzeln im Internet hat und ihr oft unterstellt wird, nur aus lebensfremden „Nerds“ (Computerfreaks) zu bestehen, lebt die basisdemokratische Organisation vor allem von ihren engagierten Mitgliedern und deren regelmäßigen realen Treffen und Aktionen. In ganz Deutschland bilden sich sogenannte „Crews“, sich selbst organisierende lokale Einheiten, die das soziale Netzwerk erweitern, Aktionen planen, durchsetzen und Ansprechstelle für Neupiraten sind.

 

Die Wahlziele – Verantwortung tragen und vor allem behalten

Verantwortung ist ein großer Punkt ihrer Politik – vor allem das Behalten derselbigen. Denn im Zuge um sich greifender Sicherheitshysterie werden die im Grundgesetz verankerten Bürgerrechte immer mehr beschnitten. Ein derzeit beliebtes Thema der Wahlpropaganda der großen Parteien ist es, das Internet als „rechtsfreien Raum“ darzustellen. Lauscht man den Worten hochrangiger Politiker wie Frau von der Leyen oder Herrn Schäuble, dann ist dieses ein unsäglicher Hort krimineller Energien und Kinderschänder ohne jedes Gesetz. Eine polemische Effekthascherei und fehlerhafte Darstellung, die jeder Blogger, Internetprovider, Webshop- oder Homepage-Betreiber, der sich – jederzeit abmahngefährdet – mit zahlreichen Gesetzen, Erlassen und Vorschriften herumplagen muss, mit einem müden Lächeln leicht widerlegen kann. Aber ein durchaus praktischer Vorwand, um die Bürgerrechte sukzessive aufzuweichen, einen Überwachungsstaat, Bundestrojaner, Onlinedurchsuchungen und Internetzensur durchzusetzen und das Prinzip „gläserner (und entmündigter) Bürger“ zu installieren. Genau hiermit beschäftigt sich vorrangig das Wahlprogramm der Piratenpartei: das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Kontrolle über die eigenen Daten), Transparenz in Verwaltung und Politik, Open Access (freier Zugang zu mit öffentlichen Mitteln erstellten Werken/Forschungsergebnissen), Begrenzung von Urheber- und Patentrechten auf ein gesundes Maß (zum Beispiel keine patentierten Lebewesen wie von Gentechnik-Konzern Monsanto geplant) und freier Zugang zur Bildung ohne Bildungs- oder Studiengebühren.

 

Die Gedanken sind frei – auch im Internet

Eric Lüders, Käpt`n der Crew Enterprise (Steglitz-Zehlendorf) hat zu einigen Kritikpunkten an der Piratenpartei Stellung genommen:

Eure Themen sind stark auf das Internet bezogen, viele Wähler schreckt das durchaus ab. Wie sieht es mit Themen wie Sicherheit, Verteidigung, Wirtschaft, Soziales und Umweltpolitik bei euch aus?
Eric Lüders: Bildung ist eines unserer wichtigen Wahlthemen. Zu Wirtschaft, Soziales und Umwelt haben wir noch keine Beschlüsse gefasst. Wir konzentrieren uns erst einmal auf das Wichtigste, und das sind die Grundlagen unserer Demokratie.

Viele Wähler sind durch eure Namensgebung verunsichert und leiten da eher Negatives ab. Wie interpretiert ihr ihn selbst?
Eric: Ja, da war ich am Anfang auch etwas zwiegespalten. Es ist aber ein Name, an dem man nicht einfach vorbeigehen kann. Er polarisiert und regt an, einen zweiten Blick darauf zu werfen – anders als bei Grünen, Roten oder Schwarzen. Wir kämpfen – ähnlich wie Piraten vergangener Zeiten – durchaus etwas rebellisch gegen bestehende Verhältnisse an. Wie wollen nicht nur mitmachen, wir wollen verändern.

Sie haben sich ja vorher nicht politisch engagiert – was ist Ihre Motivation, ausgerechnet jetzt aktiv zu werden?
Eric: Bei mir war das Gesetz gegen Kinderpornographie ausschlaggebend, weil das eine Zensur-Infrastruktur schafft, die auch sehr schnell missbraucht werden kann, um zum Beispiel unliebsame politische Meinungen zu beschneiden, und die zudem gegen das Grundgesetz verstößt. Jeder Bürger hat das Recht auf freie Information – auch im Internet.

Gegen den derzeit einzigen Bundestagsabgeordneten der Piraten, Herrn Tauss, wird wegen angeblicher Kinderpornographie ermittelt. Was ist die Stellung seiner Partei hierzu?
Eric: Das ist ein laufendes Verfahren, und man kann nie in den Kopf des Betreffenden hineinsehen und urteilen. Die offizielle Stellungnahme der Partei hierzu ist, dass zunächst die Unschuldsvermutung gilt – bis das Gegenteil bewiesen ist.

Wie hoch schätzen Sie selbst die Chancen der Piratenpartei ein, über die Fünf-Prozent-Hürde zu gelangen?
Eric: Ich glaube schon – basierend auf aktuellen Umfrage-Ergebnissen –, dass wir eine reelle Chance haben, die Hürde zu knacken. Noch sind wir ja mitten im Wahlkampf, und viele kennen uns noch gar nicht – alles potentielle Wähler.

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