In 21 Lektionen mit Shai Tubali wirst du die Möglichkeit haben zu lernen, deine meditative Präsenz von Grund auf zu entwickeln.

Lektion 1: Vom Zerdenken zum friedlichen Geist

Das Ziel dieser Serie von 21 Artikeln ist klar: Wir wollen das mentale Geschwätz beenden. Dort oben, in unserem Kopf, befindet sich eine unermüdliche Maschine, die Tag und Nacht unnötige Gedanken produziert. Diese Maschine entzieht uns Energie, verdunkelt unseren Geist und erzeugt vor allem endlose Konflikte und Spannungen in uns selbst. Ich nenne sie einfach „Die Denkmaschine“.

Wenn wir versuchen, diese Maschine zum Stillstand zu bringen, scheint sie ziemlich widerstandsfähig. Manchmal gelingt uns dies durch eine bestimmte Meditation oder den Aufenthalt in einer entspannenden Umgebung. Doch meistens funktioniert es nicht wirklich. Warum? Warum gelangen wir so schwer in einen entspannten Zustand des Geistes, in dem der Geist mit uns statt gegen uns arbeitet? Die Antwort ist einfach: Wir verstehen unseren Verstand nicht. Wir wissen nicht, wie genau er funktioniert. Wie kannst du erwarten, einen automatisierten Prozess in dir anzuhalten, solange du ihn nicht verstehst? Deshalb brauchen wir in erster Linie Verständnis, ein tiefes Verständnis.

Dies ist eine einfache Regel: Das Verstehen des Geistes ist eine der kraftvollsten Möglichkeiten, ihn zum Schweigen zu bringen. Wenn du ohne diese entscheidende Phase direkt in die Meditation gehst, wie die meisten von uns es versuchen, wird deine Meditation nur vorübergehendes Schweigen bewirken können. Mit anderen Worten, du wirst diese Stille sehr schnell und mit dem ersten Hauch von Gedanken, die sich durch deinen Geist bewegen, wieder verlieren. Aber wenn du echtes Verstehen auf deiner Seite hast, kannst du deinen Geist meistern und damit beginnen, ihn nur bei Bedarf zu nutzen. Schließlich gibt es in dieser Welt absolut keinen Grund, deinen Geist permanent „eingeschaltet“ zu haben.

Aus diesem Grund werden wir unseren ersten ‚Zyklus‘ von sieben Artikeln, auch wenn er einige Hausaufgaben beinhalten wird, ganz und gar einem tief gehenden Einblick in den Mechanismus unseres Geistes widmen. Anschließend werden wir diese Erkenntnis fortführen und umsetzen: Unser zweiter Zyklus von sieben Artikeln wird den richtigen Techniken gewidmet sein, die dir in Echtzeit dabei helfen können, deinen Geist zum Schweigen zu bringen. Und nachdem diese beiden Zyklen vorüber sind, wird es schließlich an der Zeit sein, in tiefere Zustände der Stille und Meditation einzutauchen. Denn in diesem letzten Zyklus von sieben Artikeln, wirst du in die Lage versetzt, deinen Geist auch wirklich zu genießen und dich daran zu erfreuen, dass du ihn hast. Jede Stufe wird auf der vorherigen aufbauen und sie abschließen, da wir jeden Zyklus benötigen, um auf die nächste Stufe übergehen zu können.

Die Schlüsselerkenntnis: Deine Gedanken sind nicht deine eigenen

Dies ist wahrscheinlich die wichtigste Erkenntnis, die du jemals über deine Denkmaschine haben kannst. Es ist wichtig, dies schon von Anfang an zu hören, auch wenn wir noch öfter darauf zurückkommen und es näher erläutern werden: Was du als „deinen“ eigenen, sehr unruhigen Verstand betrachtest, gehört dir überhaupt nicht. In der Tat ist es so, dass eben weil du denkst, dass der Verstand dein eigener wäre, du ihn nie wirklich beherrschen kannst. E s ist unmöglich, sich von der Denkmaschine zu befreien, solange man in der größten Illusion gefangen ist – dem Gedanken, dass der Geist dein persönliches Problem wäre. Du gehst fälschlicherweise davon aus, dass alle Wünsche und Ängste, Sorgen und Hoffnungen, Planung und Kontrolle, Bedürfnisse und Wünsche – irgendwie dein Problem wären. Als ob all das etwas wäre, was zu dir persönlich gehört und daher von dir bewältigt werden muss. Wenn all das tatsächlich deins wäre, ist es schon unmöglich, es loszulassen. Einfach weil es viel zu eng und fest mit dir verbunden ist.

In Wirklichkeit ist der Verstand, diese sprechende Maschine, die wir zum Schweigen bringen wollen, überhaupt keine persönliche Sache. Jeder hat das. Es ist der gleiche Mechanismus für uns alle. Natürlich kleidet es sich für jeden von uns in verschiedene Gewänder, mit bestimmten Nuancen, also einer persönlichen Note, die es so aussehen lässt, als wäre es unser „Ding“: Meine Wünsche, meine Ängste, meine Hoffnungen und meine Sorgen. Aber wir dürfen uns nicht von diesen Nuancen verwirren lassen. Die Tatsache, dass der Verstand für uns alle auf die gleiche Weise arbeitet und genau die gleichen Störungen erzeugt, ist ein entscheidender Schlüssel.

Der Verstand ist ein Mechanismus

Die erste Konsequenz daraus ist, dass man den Verstand als Mechanismus sehen kann. Er funktioniert in bestimmten automatischen Mustern. Und wenn man versteht, wie er funktioniert, kann er einen nicht mehr täuschen. Dann wirst du nur denken: „Oh, wieder einmal erzeugt dieser Mechanismus also Angst und Verlangen! Naja, das ist es nun mal, was er ‚beruflich‘ so tut. Aber diese Angst oder dieses Verlangen gehört nicht wirklich zu mir. Das sind nicht meine persönlichen ‚geheimen Gedanken‘. Jeder andere hat genau die gleichen Gedanken.“

Auf diese Weise kannst du den Geist endlich einmal von außen betrachten. Dann ist er nicht etwas, das sich in deinem Kopf abspielt. Denke an den Geist eher als ein Energiefeld, das Gedankenwellen enthält. Dieses mentale Energiefeld schwebt über deinem Kopf und umgibt dich und alle anderen. In dem Moment, in dem du einen Gedanken identifizierst und denkst: „Das ist mein Gedanke“, wirst du zu einem Wirt für diesen Gedanken. So schafft er sich Zutritt zu deinem Gehirn und wird dein eigen. Aber wenn man den Geist als ein unpersönliches kollektives Energiefeld wahrnimmt, ist es viel einfacher, sich von ihm zu distanzieren.

Fange damit an, diese Denkmaschine als etwas zu betrachten, das um dich herum und nicht in dir stattfindet. Es ist wie das Summen einer Fliege. Hast du jemals das Summen einer Fliege um dich herum als etwas Persönliches erlebt? Hast du jemals gedacht: „Diese Fliege muss wohl genau mich auf dem Kieker haben. Vielleicht haben wir noch eine Rechnung offen.“? Natürlich nicht! Fliegen summen und schweben über unseren Köpfen und tun, was sie nun mal tun. Auf die gleiche Weise produziert der Verstand einfach diesen endlosen Strom von Gedanken: Erinnerungen, Ängste, Wünsche, Wünsche, Wünsche und Bedürfnisse.

Die Nuancen sind dabei nicht wirklich wichtig. Für den einen wird diese Maschine einen Wunsch nach Autos wecken und für einen anderen vielleicht den Wunsch nach Sex oder Erfolg. Für einige wird sie Angst vor Menschen und für andere eher Angst vorm Fliegen erzeugen. Trotz alle dem sind Ängste und Wünsche lediglich Teil einer sehr mechanischen Sache. Angst ist Angst. Begehren ist Begehren.

Allein schon die Tatsache, dass ich dir in dieser Serie von Artikeln deinen Verstand auf eine Weise erklären kann, mit der sich so viele andere ebenfalls identifizieren können, zeigt, dass wir alle uns den gleichen Mechanismus teilen. Meine Hoffnung ist, dass wir alle am Ende dieser Reise die Möglichkeit haben werden, zu entscheiden, ob wir ein Wirt dieser Gedanken sein wollen oder nicht.

Wenn du sehen könntest, wie und warum diese ganze unpersönliche Struktur so funktioniert, wie sie funktioniert, wärst du in der Lage, sofort aus ihr auszusteigen. Du kannst tatsächlich in einer Sekunde frei davon werden. Denn weil all das nicht deins ist, brauchst du auch nicht wirklich alle Probleme dieses Geistes zu lösen. Das sind nicht deine Probleme. Tatsächlich sind sie nicht einmal lösbar. Sie sind wie ein Fluss des Denkens, der kein Ende hat.

Dem Verstand misstrauen

Beginne für jetzt zumindest damit, deinem Verstand zu misstrauen. Betrachte ihn als ein externes Phänomen. Als Gedanken, die nicht zu dir gehören. Sie existieren um dich herum, fast wie das Hören der Gedanken eines beliebig anderen. Schau dir all diese Gedanken an, die dich zu stören scheinen und halte an der intelligenten Einsicht fest: „Das sind nicht meine besonderen Gedanken. Das sind nur Gedanken. Ich muss mich überhaupt nicht um sie kümmern. Ich muss sie nicht analysieren oder verstehen. Ich brauche keine davon.“

Aufgrund unserer Tendenz, diese Denkmaschine zu personalisieren, schämen wir uns manchmal für unsere Gedanken. Wir denken: „Warum habe ich all diesen Zorn, diese Gier, Sehnsucht, Angst oder sexuelle Fantasie in mir? Das passt überhaupt nicht zu meinem Selbstverständnis!“ Die gute Nachricht ist, dass diese Gedanken nichts sind, wofür man sich schämen müsste. Es gäbe vielleicht einen Grund, sich zu schämen, wenn diese Gedanken wirklich dir gehören würden.

Du kannst dies heute mit einer Meditation beginnen. Setz dich einfach mit geschlossenen Augen hin, und was auch immer als störend empfunden wird – externalisiere es. Schaue es dir an, wie du alle anderen äußeren Phänomene betrachten würdest. Bemerke beim Sitzen einfach, dass dieser Geist nur ein Geist ist. Auch wenn diese Erkenntnis zunächst schwer zu erfassen sein mag, versuche es zumindest. Am Ende unserer Reise aber, ist es sehr wahrscheinlich, dass diese Erkenntnis zu deiner eigenen geworden sein wird.

Hier geht es zur englischen Version.

Dies ist die erste von 21 Lektionen, die wir wöchentlich hier veröffentlichen. Sie dienen dazu, den Verstand still werden zu lassen. Du kannst auch zertifizierter Meditationlehrer werden. Infos unter http://shaitubali.com/de/schule-der-meditation/

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