Der schamanische Weg ist ein Weg der Hingabe an die Quelle. Wir werden Diener des ­großen Geistes. Um sich allerdings dem Leben bedingungslos hingeben zu ­können, braucht es viel Vertrauen und die Auflösung ­alter Denkmuster. Wenn wir beispielsweise an einen ­strafenden Gott glauben, wird ein inneres ­Loslassen kaum geschehen. Daniel Atreyu ­Aigner über eigene ­Erfahrungen, wertvolle Transformations-­„Werkzeuge“ auf dem Weg und die Sicherheit des Herzens.

 

Ein Ausbildungstag endet. Ich bin auf dem Weg nach Hause. Wie ich so die Oberbaumbrücke in Berlin-Kreuzberg entlang schlendere, steigt plötzlich eine Melodie aus der Tiefe meines Seins auf. Sie breitet sich langsam in mir aus und ich fange, ganz von selbst, an zu singen: “Spirit, I call your name, guide myself into the flame, Spirit, I call your name, guide myself into the flame.“ Immer und immer wieder. Ich tauche immer tiefer ein, meine Schritte tanzen, mein Kopf nickt mit, als würde ein Hip-Hop-Beat in meinem iPod laufen, nur ist da gar kein iPod. Es ist ein Lied, das ich noch nie zuvor gehört habe – und trotzdem ist es mir so vertraut. Es durchdringt mich! Ich kann die Kraft und die Größe spüren, die es in sich trägt. Die Umgebung wird nebensächlich – ich tanze meines Weges.

Auf der Warschauer Brücke bleibe ich stehen, umgeben von einem Menschenstrom, der an mir vorüberzieht. Wie, hier stehenbleiben und meditieren? Mitten auf der menschenüberströmten Brücke? Ein inneres Wissen durchströmt mich: „Ja!“ Es ist der richtige Zeitpunkt. Wann sonst, wenn nicht jetzt? Der Ort ist nebensächlich. Es geschieht! Ich sehe eine Flamme, ein geistiges Feuer vor meinem inneren Auge aufsteigen. Es ist ganz klar, es geht darum, in diese Flamme zu treten. Eine Stimme sagt: „Wenn du in diese Flamme trittst, kannst du alles verlieren, was du glaubst zu haben!“ Etwas in mir hat Angst, Angst loszulassen, Angst etwas zu verlieren. Aber es ist klar, ein Teil von mir wusste, dass dieser Augenblick irgendwann kommen musste. Es geht schon die ganze Zeit um das Thema Vertrauen. Ich nehme meinen Mut zusammen. Doch etwas hält mich zurück. Ich brauche noch eine Sicherheit. Ich wende meine letzten Worte an Gott und frage: “Bist du bei mir, wenn ich diesen Schritt mache?“ Er sagt: „Ja, bin ich!“ – Ich vertraue und gehe los!

In den Flammen der Transformation

In den Flammen des Feuers wurde ich von alten Mustern und Schlacken der Vergangenheit gereinigt. Was sich im Geistigen innerhalb weniger Momente vollziehen kann, braucht allerdings bei der Umsetzung in die Materie seine Zeit. Durch die Entscheidung, ins Feuer zu treten, wurde eine große Veränderung eingeleitet, die sich in den kommenden Wochen und Monaten zeigen sollte. Das große Loslassen auf vielen Ebenen des Seins! Was hält dich, wenn nichts mehr da ist, nur noch das Vertrauen, dass alles gut werden wird? Schmerzhafte Trennungen, das Aufleben alter Zweifel und Unsicherheiten, das Wiederbeleben der Einsamkeit. Spirituelle Veränderungen sind eben nicht immer nur angenehm. Aber wenn man ein Stück von den Früchten der inneren Transformation probiert hat, weiß man, dass es sich lohnt, diesen Weg weiterzugehen. Es ist einfach wunderschön, zunehmenden inneren Frieden, sich ausbreitende Liebe und wachsende Klarheit leben zu können!

 

Spirituelle Eigenverantwortung

Der schamanische Weg lehrt uns, bewusster Schöpfer unserer eigenen Realität zu werden. Wir begegnen der Manifestationskraft des Herzens und unserer innersten ureigenen Kraft. Die Naturkräfte bilden die Basis und verbinden uns mit unserer Seelenessenz. Dadurch können wir uns aus alten Gewohnheiten befreien. Wunden beginnen zu heilen und werden zu Quellen von Kraft und Weisheit. Nur wenn wir freie Energie zur Verfügung haben, können wir aus dem Hamsterrad der Gewohnheiten aussteigen. Jede Änderung geschieht dabei zuerst in uns, bevor sie sich endgültig in der Welt, im Außen zeigt.

Auf dem Weg in die spirituelle Eigenverantwortung ist es auch wichtig, die Opferrolle zu beleuchten, denn auch sie zieht uns Energie ab. Wo geben wir äußeren Faktoren oder dem Leben selbst die Schuld an unserem Schicksal? Schaue einmal in dein Leben, in den Beruf, die Partnerschaft, die Familie, den Freundeskreis. Sag dir, auch wenn du es noch nicht spüren kannst: „Das habe ich mir bewusst und unbewusst erschaffen!“ Damit übernimmst du volle Verantwortung für deine Schöpfungen. Du nimmst die Zügel der Reise selbst in die Hand, auch wenn es wehtut. Dann kann die Heldenreise des Herzens beginnen! Durch einen solchen Schritt verändert sich etwas in unserem Inneren. Man könnte es den Weg der Bewusstwerdung und Verantwortung nennen. Wir beginnen unsere Gedanken und Gefühle zu beobachten und übernehmen Verantwortung dafür. Denn jeder Gedanke, der festgehalten wird, wirkt schöpferisch. Durch den mitfühlenden Umgang mit uns selbst, das Beobachten und Läutern der Gedanken durch die Herzpräsenz „träumen“ wir eine bessere Zukunft ins Sein. Auf dieser Reise in die eigene Kraft kommen wir irgendwann an eine entscheidende Wegkreuzung.

Natürlich: Große Kraft ist erstrebenswert. Im Schamanismus wird das Wort Kraft oft mit Medizin gleichgesetzt. Durch zunehmende Kraft kann sich aber auch das Ego „aufblasen“. Wenn unsere Kraft nicht ausreichend mit dem Herzen und der göttlichen Führung verbunden ist, kann es zu Hochmut, Ignoranz oder Machtmissbrauch führen. Ich habe mal einen schönen Satz gelesen: „Engel brauchen keinen freien Willen. Sie wissen, dass dann, wenn sie dem Willen Gottes dienen, alles zu ihrem Besten geschieht!“ So ergibt sich auch der Schamane irgendwann auf seinem Weg dem göttlichen Willen. Wenn er die Zügel der Verantwortung in die Hand genommen hat und seine Schöpferkraft befreit ist, kann er das, was er erlangt hat, in den Dienst der Quelle stellen. Er wird zum Diener des großen Geistes! Zum Werkzeug von Liebe und Heilung.

 

Sicherheit des Herzens: Gottvertrauen und der Schöpfungsmythos

Um sich der göttlichen Quelle voll und ganz anvertrauen zu können, müssen wir uns allerdings zuerst ihrer reinsten Absichten bewusst werden. Und das nicht nur mental, sondern auch zunehmend im Fühlen. Denn Sicherheit entsteht nicht im Verstand, sondern im ewigen Herzen und im Spüren. Also in jenem Bereich, den wir uns erst voll erschließen, wenn die Gedanken aufhören zu kreisen. Solange wir das Universum als angriffslustig und feindlich erkennen und meinen, uns ständig schützen zu müssen, werden wir uns nicht mit geschlossenen Augen ins Leben fallen lassen, in der Hoffnung, aufgefangen zu werden. Unsere Ängste entstehen auf mehr oder weniger unbewussten Ebenen unseres Seins, oft durch die Prägungen in der Kindheit und vor einem bestimmten kulturellen Hintergrund. Sie werden erkennbar als chronische Unruhe, ständiges  Gedankenkarussell, plötzlich auftretende Unsicherheit oder Perfektionismus. 

Eine Möglichkeit, sich mit diesem Thema zu beschäftigen, ist es, in der Geschichte ganz zurück zur Wurzel zu gehen – zum Schöpfungsmythos. Unsere Kultur ist durchwoben vom Bild eines strafenden, oft männlich assoziierten Gottes, der uns auch noch aus dem Paradies verstoßen hat. Jene Prägungen, die damit einhergehen, sind uns oft im Alltagsbewusstsein gar nicht präsent. Uns fehlt Vertrauen! Erst wenn wir dem Ganzen durch Forschen auf den Grund gehen, erschließt sich ein ganzheitlicheres Bild, das heilend wirkt.

Beispielsweise wurde die heilige Weiblichkeit, deren kosmische Repräsentantin Mutter Erde ist, im katholischen Glauben systematisch unterjocht. Sogar die Schlange als Symbol für die liebende Erdgöttin wurde zur Verführerin und verteufelt. Dieses Bild lebt in unserem Unbewussten und verursacht den ängstlichen Umgang mit „schweren“ Gefühlen wie Wut, Trauer, Scham und Schuld. In den indigenen Völkern ist Mutter Erde dagegen ein direkter Ausdruck des göttlichen Geistes. Sie nährt uns, beschützt uns und führt jeden unserer Schritte, wenn wir uns für sie öffnen. Im Schamanismus geht es dementsprechend auch nicht darum – wie in manchen spirituellen Kreisen – ins Geistige zu entschweben, sondern die Materie mit der ureigenen Liebe zu durchdringen, auch wenn das nicht immer einfach ist. Am Ende steht das Ziel, hier zu sein und mit beiden Füßen im Leben zu stehen – die Hände hoch erhoben zum Himmel. Dadurch entsteht die heilige Verbindung von Vater Himmel und Mutter Erde, deren Kinder wir Menschen sind.

Um deinem inneren Gottesbild auf die Spur zu kommen, stell dir einfach einige grundlegende Fragen:

Woran glaubst du?
Wie sieht dein Schöpfer/Gott aus?
Wo befindet er/sie sich?
Welche Eigenschaften hat er/sie?
Wie behütet dein Schöpfer seine ­Lebewesen?

Durch das Überprüfen deines Gottesbildes wirkst du über die Bildersprache auf deine Seelenebene ein. Dadurch kann eine kraftvolle Veränderung beginnen.

 

Auflösen von unliebsamen Denkmustern

Um negative Gedankenmuster – wie das obige Gottesbild – aufzuspüren und zu transformieren, frage dich einmal: „Wie bin ich?“ Mit dieser einfachen Frage kann man oft schon sehr viel über sich selbst und sein Denken herausfinden. Sei ganz ehrlich, schreib einfach auf, was dir spontan dazu einfällt. Oder achte in einer Streitsituation darauf, was du über dich selbst denkst. „Ich bin unfähig, eine glückliche Beziehung zu führen!“ oder „Irgendwas stimmt mit mir nicht!“ Negative Gedankenmuster sind der Anfang, die Wurzel. Daraus entstehen oft blockierende Gefühle, die wiederum Krankheiten und Unwohlsein verursachen können. Es ist wichtig, die Wurzel zu erkennen und sie aufzulösen (siehe Kasten). Einmal habe ich in einer Meditation mit Gott um das stärkste Heilsymbol gebeten. Daraufhin wurden mir die acht Gesichter Gottes gezeigt (siehe Bild). Das Symbol ist uralt und in nahezu allen Kulturen der Welt in abgewandelter Form zu finden. Sein Urbild finden wir beispielsweise im keltischen Jahreskreis repräsentiert durch die acht Jahresfeste, dem buddhistischen Dharma-Rad, dem Cruz Andina (Andenkreuz) sowie den acht Trigrammen im chinesischen I Ging. Im Sufismus gilt die Acht als Zahl der gottgleichen Präsenz des Menschen!

Seit dieser Meditation arbeite ich sehr viel mit dem Heilsymbol der acht Gesichter Gottes, vor allem im Zusammenhang mit Disharmonien im Körper und auf schamanischen Heilreisen. Wenn ich bei so einer Reise an eine „verletzte“ Situation komme, visualisiere ich das Symbol mit Lichtlinien und spreche dreimal: „ Heile bei Gott, heile“, dann löst sich die Situation in der Regel auf und ein heiles Bild entsteht. Dieses hauche ich dem Klienten dann ins Herz ein. Durch meinen persönlichen Weg habe ich gelernt, die Heilung an die höchste Instanz, die göttliche Quelle abzugeben. Ich bin immer wieder überrascht, wie einfach es ist und welch großartige Wirkung sich einstellt.


Mit „Sacred Mind Clearing“ alte Muster transformieren

 

Wenn du ein unliebsames Denkmuster in dir gefunden hast, schreib es auf einen Zettel. Zum Beispiel „Ich bin nicht gut genug!“ Du kannst es auch mit dem damit verbundenen Gefühl über deine Hände in ein Stück Holz fließen lassen.

1. Schritt: Nutze die Kraft und die Weisheit deines Herzens, um das Muster zu ­segnen. Deine innere Führung weiß, wie du mit dem Herzen segnen kannst. ­Nutze dieses intuitive Wissen um eine der mächtigsten Qualitäten des Herzens. Egal, welches Muster es ist, es hat dir gedient, um dich zu entwickeln. Die Segnung ist eine Wertschätzung dessen. Eine Wertschätzung deines eigenen Weges!

2. Schritt: Visualisiere über dem Zettel oder dem Holzstück das Symbol der acht ­Gesichter Gottes. Lass es in hellem Licht erstrahlen! Dann sprich dreimal: „Heile bei Gott, heile!“ Spüre die Worte und spüre auch, wie du das Muster an eine höhere Kraft übergibst. Lass los und vertraue, dass alles zu deinem Besten geschehen wird.

3. Schritt: Jetzt kannst du das Papier oder das Stück Holz über einer Kerze oder ­einem Feuer verbrennen. Schaue der Flamme zu, wie sie das Papier transformiert. Bedanke dich bei dem Feuer und nimm dir noch kurz Zeit zum Nachspüren.

Bitte die göttliche Quelle, alles zu berichtigen, und um Erkenntnis und Heilung!

Bei Bedarf kannst du das Ritual noch einmal wiederholen


Abb: © Igor Yaruta – Fotolia.com

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