aus der Sicht von Laban/Bartenieff Bewegungsstudien

In der Bewegung offenbart sich die Weisheit des Körpers. Die Weisheit des Körpers, die genetisch angelegt ist, geht über die lebensnotwendigen Prozesse hinaus – der Körper signalisiert uns Balance oder Disbalance und kann damit für ein beständiges Wohlbefinden sorgen. Sofern wir diese Signale wahrnehmen und auf sie reagieren, ermöglichen sie uns eine harmonische Lebensführung.

Die Weisheit des Körpers wächst mit der Vielzahl der Bewegungsmuster und Bewegungsmöglichkeiten, die er sich aneignet. Der Körper ist so intelligent,  sich immer wiederholende Bewegungsabläufe bereits in früher Kindheit zu automatisieren, um damit Zeit und Energie zu sparen. Im Laufe des Lebens sollte sich das Bewegungsrepertoire so erweitern, daß für jede Situation eine  angemessene Bewegung zur Verfügung steht.

Die Bewegungsmuster werden im Körper in den neuromuskulären Bahnen gespeichert. Dieser Prozeß beginnt bereits im Mutterleib und setzt sich in den frühen Lebensjahren durch spielerisches Lernen fort. Die ersten Bewegungsmuster werden durch die Stimulation von Reflexen vorbereitet, die das Kind im Laufe der Entwicklung wieder verliert. Die immer komplexer werdenden Bewegungsmuster entwickeln sich aus dem Bedürfnis des Babys, sich aufzurichten und sich wie die Erwachsenen durch die Welt zu bewegen.

Die Entwicklung jedes Kindes unterliegt sowohl seinen anatomischen Möglichkeiten und seiner Persönlichkeit als auch den Einflüssen der Menschen in seiner Umgebung. Wie das Kind getragen wird, wie es die Bewegung anderer nachahmt und wie auf seine Bewegungsideen reagiert wird bestimmt die individuellen Bewegungsmuster und Bewegungspräferenzen. Jeder neue Entwicklungsschritt setzt eine emotionale Bereitschaft im Kind voraus.

Die Weisheit des Körpers zeigt sich in der Wahrnehmung vielfältiger Bewegungsabläufe

Wenn das Kind ein Bewegungsmuster für eine bestimmte Entwicklungsphase gefunden hat, unabhängig von der Effektivität dieses Musters, geht es zur nächsten Entwicklungsstufe über. Diese Entwicklungsprozeß ist nicht unbedingt gradlinig.  Einzelne Phasen können ausgelassen oder aus einem körperlichen Bedürfnis heraus später nachgeholt werden. Wenn uneffektive Muster immer wieder verwendet werden, können sie später zu Unbehagen führen. Schmerzen sind dann der Auslöser dafür, daß wir unökonomische Bewegungsmuster ändern möchten.
Um gewohnte Bewegungsmuster zu durchbrechen, müssen die komplexen Bewegungen erst einmal in ihre elementaren Teile zerlegt werden. Sowohl der Choreograph, Tänzer und Bewegungsanalytiker Rudolf von Laban (1879-1958) als auch seine Schülerin Irmgard Bartenieff (1900-1981) ermöglichen mit ihrer Arbeit das Wahrnehmen von vielfältigen Bewegungsabläufen.

Laban hat Bewegung in Bezug auf Körper, Form, Raum und Dynamik  analysiert, um diese gezielt wahrzunehmen. Er legte sein Augenmerk vor allem auf die Vergrößerung des Bewegungsrepertoires und auf die Balance zwischen den unterschiedlichsten Bewegungsaspekten  (innen/außen, Verausgabung /Erholung, Funktion/Ausdruck und Stabilität/Mobilität).  Der pädagogosche Ansatz  Labans beinhaltet durch sein Streben nach Ganzheitlichkeit viele therapeutische Komponenten. Bartenieff entwickelte aus Labans Konzepten, ihrem eigenen Wissen um die Entwicklungsmotorik und ihrer Erfahrung als Physio- und Tanztherapeutin eine Serie von Bewegungsabläufen: die Bartenieff Fundamentals. Bei den Fundamentals wird der Körper in seiner Umgebung effizient mobilisiert und auf eine möglichst große Bandbreite von Bewegungsarten vorbereitet. Für die Fundamentals ist die Integration des Atems, die Mobilisierung des Gewichtszentrums, die Unterstützung der Bewegung durch die tiefe Muskulatur und das Verbinden des Körpers von den Extremitäten zum Körperzentrum hin von elementarer Bedeutung.

Für Bartenieff ist der Ansatz einer Bewegung entscheidend, um ein gewohntes Bewegungsmuster zu umgehen und eine effektivere Bewegungskette auszulösen. Eine aktive Veränderung des Bewegungsansatzes muß vom „mind“  (Geist/Verstand)  ausgelöst  werden. Hier wird deutlich, daß Körper und „mind“ zwei Teile eines Ganzen sind. Sobald die neuen Bewegungsmuster im neuromuskulären System verankert sind, können die Verbindungen von innen nach außen wachsen, d.h., sie werden komplexer, dynamischer und räumlicher.

Die Weisheit des Körpers ist das effektive Zusammenspiel von körperlichem Bewegungsmuster, Dynamik, Formungsprozeß und Raumrichtung. Hier verbindet sich die Arbeit von Bartenieff und Laban. Die Erfahrung der vielseitigen körperlichen Möglichkeiten und die Veränderung des körperlichen Selbstbildes  im „mind“  ermöglicht ein bewußteres Bewegungserleben und eine gesteigerte Ausdrucksfähigkeit.

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