Interview mit Lothar Hirneise

Eröffnung des ersten Deutschen Ganzheitlichen Krebszentrums in Stuttgart am 7. Oktober

„Austherapiert“ heißt das Prädikat, das noch zu oft Krebspatienten erteilt wird, wenn ihnen die behandelnden Ärzte sagen müssen: „Wir können leider nichts mehr für Sie tun. Wir haben alles versucht. Ihre Krankheit ist doch stärker!“ Was aber, wenn Stahl, Strahl und Chemie, die im Patienten zudem ein Schlachtfeld hinterlassen haben, bei weitem nicht „alles“ waren, wenn mit ihnen nicht die Krankheit selbst, sondern nur ihre Symptome attackiert wurden? Was, wenn es Erfolg versprechende Alternativen gibt und diese den erkrankten Menschen nicht nur als Ganzes im Visier haben, sondern ihm die Hauptrolle in jenem Lehrstück des Lebens zuschreiben?
Im Herbst öffnet eine Institution ihre Pforten, die Krebskranken die Gelegenheit gibt, diese Hauptrolle erfolgreich zu spielen – das erste Deutsche Ganzheitliche Krebszentrum in Stuttgart. Mit dessen Leiter Lothar Hirneise, Vorsitzender des Vereins „Menschen gegen Krebs“ e. V., sprach Günter Baumgart in Stuttgart.

Günter Baumgart: Herr Hirneise, erhalten wir mit dem Deutschen Ganzheitlichen Krebszentrum in der baden-würtembergischen Hauptstadt eine weitere alternative Krebsklinik?
Lothar Hirneise: Ja und nein. Ja, weil es im Krebszentrum auch Therapie geben wird. Nein, weil das Zentrum nicht den üblichen Klinikcharakter hat und mit den Schwerpunkten Information, Beratung, Forschung und Dokumentation weit über die Aufgaben einer Klinik hinausgeht. Wenn Sie so wollen, bauen wir mit dem Krebszentrum materiell und institutionell all das aus, was wir bereits seit vielen Jahren auf die Fahnen unseres Vereins „Menschen gegen Krebs“ geschrieben haben, und erweitern es um die Komponente der Therapie. Doch sind wir im traditionellen Sinne weder Klinik noch Arztpraxis.

Günter Baumgart: Aber wer zu Ihnen kommt, kann sich hier behandeln lassen?
Lothar Hirneise: Ja, denn wir haben Behandlungsräume und auch einen Hoteltrakt mit entsprechender Betreuung und Verpflegung. Die Ärzte und Therapeuten aber, mit denen wir zusammenarbeiten, wirken hier nur konsiliarisch und gegen jeweils vereinbartes Honorar. Überdies haben wir enge Verbindungen zu ganzheitlichen Kliniken mit sanften Therapieprogrammen, zu denen wir einen Teil unserer Klienten vermitteln. Das Wesentliche aber ist, dass wir den Krebskranken, die zu uns kommen, durch intensive persönliche Beratung Hilfe zur Selbsthilfe leisten. Devise ist nicht: Geh zum Arzt; der heilt dich! Sondern: Mache in erster Linie deine eigenen Hausaufgaben: Entgifte dich! Stelle deine Ernährung um! Erlerne Visualisierung und Meditation, vielleicht sogar das richtige Beten! Je kränker einer ist, umso mehr muss er selbst tun. Vor allem geht es nicht ohne eine – oft radikale – Änderung des Lebens.

Günter Baumgart: Welche Menschen werden in Ihr Krebszentrum kommen?
Lothar Hirneise: Sehr wahrscheinlich die gleichen, die bislang schon Rat und Hilfe bei unserem Verein suchten. Leider sind das noch immer in der Mehrzahl jene Krebskranken, die nach Operationen bereits die Torturen und Schädigungen von Chemo- und Strahlentherapien hinter sich haben. Die sind nicht selten am Ende ihrer Kräfte und gelten als „austherapiert“. Dann gibt sie die Schulmedizin meist frei für alternative Therapien.

Günter Baumgart: Wäre es nicht besser, der Patient wüsste bereits zum Zeitpunkt der Diagnose von den Alternativen, von der breiten Palette ganzheitlicher Krebsbehandlung und könnte selbst entscheiden, welchen Weg er gehen möchte?

Lothar Hirneise: Genau das ist unser Anliegen, seitdem „Menschen gegen Krebs“ existiert. Wir haben in dieser Hinsicht zwar schon eine Menge erreicht, aber es sind noch viel zu wenige, die uns konsultieren, bevor bei ihnen die Würfel für die schulmedizinische Therapie gefallen sind. Und die ist aus unserer Sicht nicht nur einseitig, sondern auch mit erheblichen, oft tödlichen Schädigungen verbunden. Insofern verstärken wir jetzt unsere Informations- und Beratungstätigkeit und bauen auch unsere Forschung und Dokumentation aus. Dafür schafft uns die Einrichtung des Krebszentrums in Stuttgart weit bessere Voraussetzungen, als wir sie bisher hatten.

Günter Baumgart: Wie organisieren Sie Information und Beratung?

Lothar Hirneise: Information realisiert sich bekanntlich vor allem über die Medien. Einer unserer Mitarbeiter wird sich deshalb speziell auf die Arbeit mit Journalisten konzentrieren. Doch sorgen wir auch dafür, dass das erforderliche Wissen unmittelbar an die Interessenten kommt. Beispielsweise wird es hier jeden Mittwoch einen kostenlosen Informationsnachmittag geben, wann immer möglich auch mit Experten von außerhalb. Da werden Vorträge gehalten und Fragen beantwortet. Wir stellen die verschiedensten Therapien vor und machen unsere Position zu Themen deutlich, die gerade in der medizinischen Öffentlichkeit diskutiert werden. Die Besucher des Krebszentrums können auch unsere umfangreiche Bibliothek nutzen. Sie haben die Gelegenheit, am Computer zu recherchieren usw.

Günter Baumgart: Kann man bei Ihnen auch die so genannte zweite Meinung einholen?
Lothar Hirneise: Ja, natürlich, nur bezeichnen wir die bewusst als die dritte Meinung. Wenn heute ein Betroffener eine zweite Meinung einholt – die Klinik für Tumorbiologie in Freiburg ist da bundesweit die erste Adresse – so bewegen sich die Ratschläge fast ausnahmslos in den konventionellen Konzepten Operation, Chemo und Bestrahlung. 

Günter Baumgart: Der „kleine Mann“ kann sich eine Behandlung in Ihrem Krebszentrum sicher nicht leisten. Oder zahlen die Kassen?
Lothar Hirneise: Nein, die gesetzlichen Krankenkassen bezahlen die von uns begleiteten Therapien nicht, obwohl diese entschieden billiger sind als die schulmedizinischen. Für Leben und Gesundheit sollte aber, wer es hat, auch etwas ausgeben. Zudem versuchen wir, durch die Kombination mit unterschiedlich organisierten ambulanten Konsultationen die Behandlung – in der Regel ein sechsmonatiges Programm – für weniger Betuchte finanziell tragbar zu machen. Für völlig mittellose Betroffene greift dann ein spezieller Fonds. Uns haben auch schon Ärzte signalisiert, in Notsituationen ganz auf Honorar zu verzichten.

Günter Baumgart: Gibt es bereits ein Echo auf Ihr Vorhaben?
Lothar Hirneise: Ja, es gibt schon jetzt viele positive Reaktionen, auch von nicht wenigen Medizinern. Das gibt uns Kraft für die Anstrengungen, die vor uns liegen.

Günter Baumgart: Herr Hirneise, ich danke Ihnen für das Gespräch!

Eine Antwort

  1. Hägele

    nachdem ich diesen Bericht gelesen habe bin ich aufgeklärter und hoffe, dass diese klinik viel für krebskranke Mitmenschen tun kann, da ich anhand der Krebserkrankung meiner Schwester erfahren musste, wie hilflos und gleichgültig man abgefertigt wird in einem Schockzustand, der nicht zu bereifen ist. Die normale Medizin entlässt die Menschen einfach mit friss oder stirb.

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