Berührung ist die Basis unserer Existenz. Eine liebevolle, Geborgenheit gebende Berührung ist der Start in ein vertrauensvolles Leben voller Hingabe, eine grenzverletzende, missbrauchende oder auch einfach fehlende Berührung initiiert ein Leben voller Misstrauen, Zweifel, Stress und Kontrollieren-Müssen. Aus dieser anfänglichen „Berührungslage“ bilden sich zwei grundsätzliche Weltbilder heraus. Entweder: Die Welt ist gut. Oder: Die Welt ist kein guter Ort zum Leben.

Vor vielen Jahren gelangte ich in einer Rückführung an den Zeitpunkt direkt nach meiner Geburt und sah mich auf einem Edelstahltisch liegen. Ich erinnere mich nicht, wie lange man mich da hat liegen lassen, aber ich weiß die Gefühle, die in dieser Situation auftauchten: Kälte, totale Haltlosigkeit und der Gedanke: Ich will nicht mehr fühlen. Was ich mir seitdem vom Leben total wünsche, ist, wieder voll berührbar zu sein. Offen für alles, was das Leben an mich heranträgt. Bei Menschen kann es sehr lange dauern, bis sie solche Traumata – besonders, wenn sie ganz am Anfang des Lebens liegen – wieder hinter sich lassen und sich gegenüber Berührungen wirklich öffnen können.

Ihr komplexer Verstand hat im Gehirn ein verwickeltes Knäuel neuronaler Pfade mit jeder Menge Querverschaltungen kreiert, die Loslassen, Hingabe und Sich-Öffnen als mega-gefährlich interpretieren und Leben nur innerhalb der selbsterschaffenen Panzerung zulassen. Bei Tieren kann die Restrukturierung einer angstbesetzten Konditionierung dagegen sehr schnell gehen, wie zahlreiche Videos auf youtube zeigen. Selbst heftig traumatisierte Hunde lassen Menschen nach spätestens einer Stunde wieder an sich heran, wenn diese ihnen mit echter Liebe begegnen.

Ein Video hat es mir dabei besonders angetan. Ein misshandelter Hund läuft voller Panik in einem Zwinger herum, während ein Mann versucht, ihn aus seiner Hölle herauszuholen – und es tatsächlich schafft (bei www.youtube.com: helping Shylo). Das Video berührt mich auch darum so sehr, weil ich mich selbst in diesem Hund erkennen und dabei sehen kann, dass eine Rückkehr ins Leben aus dem Raum der Traumatisierung wirklich möglich ist. Dass es sich lohnt, dranzubleiben, egal, wie lange es dauert. Und dass es nur eine sinnvolle Sache auf diesem Planeten gibt: die Liebe in die Welt zu bringen, egal wo und auf welche Weise.

Jörg Engelsing

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Innenweltreisender, Redakteur der SEIN.

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