Satsang heißt Zusammensein in Wahrheit. Doch was ist eigentlich Wahrheit? Ist Wahrheit Wissen? Und wenn ja: Gibt es die ultimative Wahrheit, das letztendliche Wissen? Oder ist Wahrheit etwas vollkommen anderes? Woran erkennt man dann Wahrheit als menschlicher Verstand? Oder ist der Verstand dabei gerade hinderlich? Wer erkennt dann? Benötige ich für das Erkennen der Wahrheit einen oder mehrere andere Menschen? Braucht es dafür eine besondere Person, die mir diese Wahrheit erklärt oder auf eine andere Weise vermittelt? Oder ist das sogar kontraproduktiv? Kann Wahrheit überhaupt vermittelt werden?

Ich arbeite jetzt seit über 16 Jahren bei SEIN und habe schon eine ganze Menge Wahrheiten gehört. Und dabei auch gemerkt, dass sich Wahrheiten verändern, auflösen und anderen Wahrheiten Platz machen. Und dass ähnliche Wahrheiten von verschiedenen Personen sehr unterschiedlich interpretiert oder formuliert werden. Ich habe mich viele Jahre daran abgearbeitet, immer wieder versucht, neue Puzzleteile in mein Wissensgebäude, das ich meine Realität nenne, einzubauen. Mal klappte das ganz gut, mal stellten sich gegensätzliche Anschauungen als so widersprüchlich heraus, dass mir das nicht gelang. Dann blieb mir nur übrig, diese einzelnen Teile als richtig oder falsch zu bewerten und die falschen auszusortieren, damit mein Weltgebäude weiter existieren konnte.

Ich kann zwar mittlerweile den Irrsinn und die Verzweiflung dieses Tuns besser erkennen, aber lassen kann ich es bisher nicht. Das einzige, was ich mittlerweile weiß, ist, dass ich nichts weiß. Keinen blassen Schimmer. Nur: Kann man als Mensch ohne Orientierung, ohne Geländer, ohne Halt leben? Darauf verzichten, Antworten auf das Mysterium des Lebens zu haben und zu finden? Nur noch sein? Im totalen Nichtwissen des Momentes existieren, ohne nach Erklärungen zu greifen? Ist der menschliche Verstand dazu überhaupt in der Lage? Nicht mehr wissen zu wollen? Sich völlig hinzugeben an das Jetzt? Und wenn es eben genau dieser Verstand ist, der für dieses Sein hingegeben werden muss, wer gibt ihn dann hin? Der Verstand sich selbst doch wohl kaum, oder?

Und wie kann es sein, dass Erleuchtete Bücher schreiben, in denen sie versuchen, Antworten zu vermitteln, wenn doch alle Antworten aus dem Verstand kommen und gerade die Transzendenz des Verstandes ja ein Merkmal von Erleuchtung sein soll? Fragen, Fragen, Fragen …

Jörg Engelsing

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Innenweltreisender, Redakteur der SEIN.

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