Achtsamkeit ist ein vielfältiges Thema, wie die Artikel in diesem Heft zeigen. Aus meiner eigenen Erfahrung möchte ich noch einen weiteren Aspekt hinzufügen: die Schulung der Intuition. Letztens wollte ich beispielsweise bei eBay ein gebrauchtes Sound-System für meinen Computer erstehen. Beim günstigsten Angebot stand nichts Genaues über dessen Zustand, sondern nur „Privatverkauf, daher keine Garantie oder Rücknahme.“ Obwohl das Angebot sehr günstig war, hatte sich auch zwei Tage vor Ablauf der Angebotsfrist noch keiner für „Sofort kaufen“ entschieden. Kein Wunder, auch bei mir regte sich Misstrauen in Form eines Klumpens in meinem Bauch. Für mich gab es jetzt auf den ersten Blick nur zwei Möglichkeiten: Entweder ich folge meinem Misstrauen unhinterfragt und sehe mich nach einer anderen Anlage um, oder ich trampele in meiner Gier nach einem günstigen Schnäppchen über dieses Gefühl hinweg und habe dann vielleicht das Pech, dass die Anlage entweder defekt oder in einem schlechten Zustand ist.

Achtsamkeitstraining heißt in so einem Fall für mich, dass ich die Bilder der Anlage betrachte und gleichzeitig den Klumpen in meinem Bauch fühle. Wenn dieser Klumpen sich durch das Fühlen nach einiger Zeit auflöst und ein Ja-Gefühl wie Freude in mir auftaucht, kaufe ich das Teil. Wenn sich der Klumpen nicht verändert, heißt das für mich: besser Hände weg. Grundlage dieses Procederes ist erstens das – leider noch nicht immer gefühlte – Vertrauen ins Leben (heißt, dass das Leben mir nichts Böses will) und die in vielen Jahren immer wieder mal von mir auf diese Weise überprüfte Theorie, dass Fühlen das Werkzeug ist, welches es mir ermöglicht, die Wahrheit einer Situation herauszufinden (was ich leider oft vergesse). Diese Art von Achtsamkeitstraining ist meine Art, Zugang zu meiner Intuition zu finden. Ich habe sie mir auch nicht bewusst ausgesucht, sondern sie ist in mir irgendwann von selbst aufgetaucht. Ich hatte jahrelang einen sehr einfachen Zugang zur Intuition durch inneres Abfragen verbunden mit bestimmten Körpersensationen, denen ich ein Ja oder Nein zuordnen konnte. Aber dieses Tor begann sich irgendwann zu schließen. Nach anfänglicher Irritation sah ich die neue Möglichkeit als Geschenk und übe eben – auch wenn ich damit noch nicht der Schnellste bin …

Jörg Engelsing

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