Meditation ist nach meinem Verständnis die bewusste Wahrnehmung dessen, was ist. Von daher ist sie auch nicht auf bestimmte Rituale, Haltungen oder Methoden beschränkt, sondern unser ganzer Alltag kann – wenn wir es denn wollen – Meditation sein. Da das aber ein sehr hohes Maß an Achtsamkeit erfordert, das kaum jemand von uns aufbringen kann, machen all die Methoden Sinn, die uns helfen, in diesen Zustand zu gelangen. Auch dann noch werden wir oft vom Kreiseln unseres Gedankenkarussells so in Beschlag genommen, dass von bewusster Wahrnehmung keine Rede sein kann. Denn sich all den Bewegungen unseres Geistes, den Verspannungen und Schmerzen unseres Körpers wirklich zu stellen – ohne sie weg haben zu wollen und statt dessen nur in der Rolle eines neutralen Beobachters zu verharren –, ist in meinen Augen eine fast heroische Leistung. Allerdings eine, um die wir letztlich nicht herumkommen, denn alle Versuche, irgendetwas weg haben zu wollen, haben nur begrenzte Erfolgschancen.

Auf der anderen Seite finde ich es durchaus sinnvoll, Methoden wie die aktiven Osho-Meditationen (oder Yoga, Körpertherapien und anderes) zu benutzen, um den Körper erst einmal so weit von Spannungen zu befreien, dass wir überhaupt etwas anderes als Härte, Krampf, Leblosigkeit oder Schmerz wahrnehmen können. Schließlich ist der Weg zu dem, was wir im Kern sind, lang genug und nur durch stilles Sitzen in meinen Augen für die meisten westlichen Menschen mit ihren über Jahrzehnten aufgebauten Stress-Strukturen kaum zu erreichen – egal wie beharrlich wir dabei sind.

Am Anfang fast jeder „Meditationskarriere“ erhalten wir erst einmal die Geschenke: Erfahrungen von innerer Ruhe, Stille, Klarheit, Verschmelzung, Auflösung, Körperlosigkeit usw. zeigen uns, was neben unseren Alltagserfahrungen noch möglich ist. Aber das hält leider meist nicht lange an. Dann besuchen uns Unruhe, Langeweile, körperliche Schmerzen. Genau an diesem Punkt sind Gruppen sinnvoll, denn bei einer Praxis im Alleingang glauben wir schnell dem Verstand, der die Erfahrung als falsch bewertet. Mich jedenfalls hat die Arbeit an diesem Heft dazu motiviert, mich wieder mal auf diese Weise auszuhalten und das Kopfkino und den Körperkrampf bewusst „auszusitzen“.

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Innenweltreisender, Redakteur der SEIN.

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