Ein grundlegendes menschliches Miteinander ist beispielsweise eine ganz einfache Berührung ohne Worte – wie zwischen einer Mutter und ihrem Baby. Das kann bis in die Tiefe meiner Essenz reichen und pures Glück auslösen. Dementsprechend ist die größte Sehnsucht meines Lebens, körperlich wie emotional berührbar zu sein, diesen Raum mit anderen zu teilen und die entsprechenden Gefühle weiterzugeben. Dabei bin ich selbst überhaupt nicht wichtig, sondern nur der Fluss der Liebe, der alles berühren und transformieren will. Gerade in der jetzigen Zeit, in der viele Menschen unter Einsamkeit leiden, braucht es emotionale wie körperliche Berührung so dringend wie nichts anderes. Viele Menschen sind regelrecht ausgehungert nach sanfter Berührung, wagen aber nicht, darüber zu sprechen, weil Einsamkeit und der erlebte Mangel an – besonders körperlicher – Berührung in unserer Gesellschaft immer noch ein Stigma dafür sind, nicht anziehend, ja sogar so abstoßend zu sein, dass andere den Kontakt mit uns meiden. Und wer will schon als Loser und Aussätziger gelten…

„Gemeinsam durch die Krise“ heißt für mich auch, dass jeder, der in Berührbarkeit und Lebendigkeit lebt – und eine andere Person nicht mehr abwehren muss aus Angst, dass man ihm Schmerz zufügt –, anderen das Gefühl geben kann, dass sie nicht allein sind, dass das Leben sie nicht vergessen hat, sondern sich um sie kümmert. Vielleicht braucht es viele wiederholte Kontakte, damit sich die meterdicke Mauer, die viele von uns gegen das Fühlen aufgebaut haben, auflöst – aber jede Begegnung ist wieder ein Date mit dem Leben, gegen das wir uns jahrzehntelang geschützt haben und das wir doch in Form von Lebendigkeit, Berührung und Liebesfluss so sehr ersehnen. Es gibt nichts Besseres, denn darin löst sich all der Müll in unserem System auf. Besonders Männer haben allerdings oft den Gedanken, schwach und damit nicht männlich zu sein, wenn sie sich auf diese Berührbarkeit einlassen – ein weiterer Baustein dieser Mauer, die uns irgendwann mal geschützt hat, aber jetzt unseren Kontakt zum Leben brutal verhindert. Denn es ist nicht grundsätzlich besser (wie das ängstliche Kind in uns glaubt), gefühllos zu sein, als in direktem fühlbarem Kontakt mit einem manchmal auch sehr schmerzvollen Moment…

Jörg Engelsing

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Innenweltreisender, Redakteur der SEIN.

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