Es ist eine riesengroße Herausforderung, ein positives Selbstwertgefühl zu erlangen. Denn ein solches orientiert sich ja immer am Gegenteil von dem, was ich mir – als Mensch mit einem Gefühl der eigenen Minderwertigkeit – wünsche und eben auch noch nicht bin. Und damit lehne ich mich selbst ab. Irgendwann auf meinem Weg merkte ich aber, dass es kein absolutes Richtig oder Falsch zu geben scheint, sondern nur meine aktuelle Interpretation einer Gegebenheit, die davon abhängig ist, was ich in der Vergangenheit als richtig oder falsch, schön oder hässlich, dumm oder intelligent erlebt habe, also von meiner Konditionierung. Das entspannte meine Sicht der Dinge etwas und ich erkannte Selbstwert als etwas total Individuelles. Das heißt auch: Ich kann den Weg, wie ich dort hinkomme, nicht von anderen kopieren wie ein Rezept.

Dieser Weg fängt für mich daher damit an, dass ich die Dinge so mache, wie es sich für mich richtig anfühlt – oft entgegen den Bewertungen und Anweisungen meines Verstandes und meiner Umwelt. Banales Beispiel: Ich habe einen Freund, der gerne kocht, aber dabei ein absolutes Chaos hinterlässt, das er dann nach dem Essen (manchmal einige Tage später) unter Anstrengung und innerem Widerstand beseitigen muss. Ich dagegen spüle immer schon während des Kochens zwischendurch etwas ab, damit ich nicht in einem versifften Geschirrberg untergehe und bereits beim Essen an den „Nachtisch“ in Form einer riesigen Spülaktion erinnert werde. Bin ich nun schlauer? Nein, seine wie auch meine Art sind einfach Ausdruck unserer jeweiligen Konditionierung. Beide Vorgehensweisen haben ihre Vor- und Nachteile.

Nur: Warum rutschen wir dann kollektiv – trotz dieses Wissens – immer wieder in einen Bewertungsmodus? Weil wir als Kleinkinder von unseren Eltern und später in der Schule von den Lehrern bewertet wurden und gelernt haben, dass bestimmte Verhaltensweisen zum Verlust von Wertschätzung und Liebe führen und damit sogar unser Überleben gefährden. Und dass wir etwas tun können – indem wir uns „richtig“ verhalten –, um richtig zu sein und nicht ausgegrenzt und verlassen werden. Die meisten von uns sind daher süchtig danach, „richtig“ zu sein. Es ist schwer, aus diesem Muster auszusteigen, weil es so tief sitzt und aus vielen Schichten besteht, die alle energetisch aufgelöst und integriert werden wollen. Wirklich lebendig zu werden und sich ganz natürlich als wertvoll zu empfinden – für mich jedenfalls reicht allein das schon als Lebensaufgabe…

Jörg Engelsing

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Innenweltreisender, Redakteur der SEIN.

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