Nach meiner Erfahrung geschieht Transformation nur über das Fühlen unseres eigenen Körpers. Und genau das finde ich unglaublich schwer. Ich bin ständig am Flüchten vor meinen Körpergefühlen, weil sich mein körperliches Sein im jetzigen Moment meist unangenehm anfühlt. Schwer traumatisierte Menschen erwartet hinter ihren innerlich hochgezogenen Abwehrmauern sogar eine echte Gefühlshölle. Nur: Genau die Fokussierung auf unsere Körperwahrnehmung und all die verdrängten Gefühle ist das, was uns zurück ins pralle Leben bringt. Denn Leben, echtes Leben, bedeutet, dass wir uns gegen das Leben nicht mehr wehren – und vor allen Dingen nicht gegen das Leben in unserem Körper. Doch normalerweise gehen wir bei unangenehmen Gefühlen schnell in den Kopf, produzieren jede Menge Gedanken, verspannen und versuchen, dem jetzigen Moment zu entkommen. Wir umgehen dabei das Eingangstor zu einem glücklichen Leben, eben das Fühlen unseres eigenen Körpers. Wir sind somit nicht präsent im Hier und Jetzt.

Aber (Wohl)fühlen – was wir ja alle wollen – können wir uns nun mal nur im Moment. Die gute Nachricht: Wir können dieses (Grundlagen)-Fühlen ständig üben. Vor allen Dingen können wir uns dabei beobachten, wie unser (Ego)- Wille uns bei der Hingabe an den jetzigen Moment behindert. Diese Art der Beobachtung funktioniert nach meiner Erfahrung aber nur, wenn wir bereit sind, unser Leben zu entschleunigen und – statt automatisch in unser inneres Gehetztsein – immer wieder mit der Wahrnehmung in den Körper zu gehen. Dabei erkennen wir, wie unsere Abwehr gegen das Fühlen uns regelrecht durchs Leben peitscht. Trainingsplätze für diese Art der Wahrnehmung gibt es überall. Ganz oben auf meiner Hitliste steht das Warten in der Schlange vor der Supermarktkasse, wo meist schon nach kurzer Zeit in mir Unruhe aufkommt, da es nicht so recht weitergeht.

Ich werde dabei auf das Fühlen meines Körpers im Moment zurückgeworfen, weil ich mich nicht ablenken kann. Eine weitere gute Möglichkeit bietet das Autofahren, wenn ich versuche, die grüne Ampelphase noch gerade so mitzunehmen, aber dann doch anhalten muss (Genervtsein + Unruhe + Spannung = Nix-habenwill- Gefühl). Als ich letztens mit einem Freund im Auto mitfuhr und der Autofahrer vor uns im Zeitlupentempo um die Ecke navigierte, war der Kommentar meines Kumpels: „Mann, der braucht wohl ´ne technische Zeichnung zum Abbiegen.“ Vielleicht aber war der „Kurvenexperte“ in dem Moment mehr im Fühlen als wir…

Jörg Engelsing

Über den Autor

Avatar of Jörg Engelsing

Innenweltreisender, Redakteur der SEIN.

Unterstütze SEIN

Vielen Dank an alle, die den Journalismus des SEIN bisher unterstützt haben.
Die Unterstützung unserer Leser trägt dazu bei, dass wir unsere redaktionelle Unabhängigkeit behalten und unsere eigene Meinung weiter äußern können. Wir sind sicher, dass unsere redaktionelle Arbeit und unsere Themenvielfalt und Tiefe den gesellschaftlichen Wandel beflügeln. Wir brauchen Deine Unterstützung, um weiterhin guten, kreativen "Lösungs-Journalismus" zu liefern und unsere Offenheit zu wahren. Jeder Leserbeitrag, ob groß oder klein, ist wertvoll. Wenn Du unsere Arbeit wertschätzt, unterstütze SEIN noch heute - es dauert nur wenige Minuten. Vielen Dank.
SEIN unterstützen





Hinterlasse einen öffentlichen Kommentar

Deine Email Adresse wird nicht veröffentlicht.

*