Warum der Grunewald 622,73 Millionen Euro jährlich für die Berliner Bevölkerung erwirtschaftet.

Teil 1: Interview mit dem Revierförster Herr Micknaus – Forst Eichkamp, Berlin Grunewald.

Das Interview führte Erik v. Ganski – 14 Jahre alt und für drei Wochen Schülerpraktikant in der SEIN Redaktion.

 

Sein: Warum haben Sie den Beruf des Försters gewählt?

Herr Micknaus: Ich bin am Waldrand groß geworden und habe als Kind dort oft gespielt. Es war halt ein schönes Kindheitserlebnis, das sich dann bis in die Jugend hineingezogen hat.

Sein: Macht Ihnen diese Arbeit Spaß?

Herr Micknaus: Ja, auf jeden Fall. Ich habe vorher im Landesforstamt gearbeitet und erst vor acht Jahren ein Revier übernommen. Ich kann bei dieser Arbeit das ausführen, was ich im Studium gelernt habe.

Sein: Wie hoch schätzen Sie den volkswirtschaftlichen und den gesellschaftlichen Nutzen eines Baumes ein? Oder anders ausgedrückt, was leistet ein Baum für uns Menschen?

Herr Micknaus: Das kann ich nicht genau sagen, da müsste man einen Volkswirtschaftler fragen. Vom reinen Holzwert her richtet sich das nach der Marktlage und der Holzqualität. Was man bisher sicher nicht ausreichend berücksichtigt hat, ist, was der Wald für z.B. unsere Erholung, für die Sauerstoffproduktion, für den Wasserhaushalt und die Kohlendioxydspeicherung leistet. Das ist sehr schwer zu kalkulieren. Auf jeden Fall liegen diese Leistungen des Waldes wertmäßig um ein Vielfaches über dem reinen Holzwert.                       

Sein: Kann man diese Leistung zum Beispiel eines 100 jährigen Laubbaumes in Euro ausdrücken?

Herr Micknaus: Das fällt mir schwer. Ich kann ja nicht sagen, was eine einzelne Ameise Wert ist oder eine Kiefernnadel. Aber wenn ich zufällig die Leute im Wald anspreche, dann kriege ich oft zu hören, dass die meisten die Ruhe suchen. Viele Menschen kommen auch aufgrund ihrer sportlichen Aktivitäten in den Grunewald, Jogger zum Beispiel. Und dann spielt das  Landschaftsbild, die Ausstrahlung der Natur für viele eine Rolle den Grunewald zu besuchen. Wie will man das in Euro bemessen?

Sein: Wie groß ist der Grunewald und wie viele Bäume stehen dort schätzungsweise? Beziehungsweise wie viel Festmeter Holz sind vorhanden?

Herr Micknaus: Der Grunewald ist ca. 3.000 Hektar groß. Die Anzahl der Bäume ist schwer zu benennen, da müsste man zunächst festlegen, ab welcher Höhe und ab welchem Durchmesser ist ein Baum ein Baum. Der Besatz an Holz pro Hektar, also der Holzvorrat schwankt zwischen 150 und 400 Festmeter pro Hektar. Im Durchschnitt sind es ca. 200 Festmeter pro Hektar. Demnach gibt es im Grunewald einen Holzvorrat von 3.000 ha mal 200 Festmeter pro ha. Das sind dann ca. 600.000 Festmeter.

Sein: Wie alt ist der älteste Baum in Berlin und wo steht er?

Herr Micknaus: Ich weiß, dass in Tegel eine sehr alte Eiche steht, die ungefähr 1.000 Jahre alt ist. Die Eiche existiert aber so als Baum gar nicht mehr. Da steht nur noch etwas Massivholz  mit alter Rinde.

Sein: Ich danke Ihnen für das Interview

 


Teil 2: Der Berliner Grunewald, der unbekannte Schatz!

Jeder kennt Bäume. Man kann das Holz zum Verfeuern, zum Häuser Bauen und zum Schreinern benutzen. Alle denken, der Baum ist nur da, um Sauerstoff herzustellen und den Garten oder die Landschaft zu verschönern. Doch kennen Sie den wirklichen Wert eines Baumes? Wissen Sie, was ein Baum alles für die Umwelt tut?
Prof. Dr. Dr. h.c. Frederic Vester, Biochemiker, Umweltexperte und Autor zahlreicher Bücher, stellte 1986 eine interessante Studie auf. Er berechnete den jährlichen volkswirtschaftlichen Wert einer 100 jährigen Buche mit 25m Höhe und 2,5 Festmeter Holzinhalt. Unter volkswirtschaftlichen Wert verstand Prof. Frederic Vester zum Beispiel die jährliche CO2 (Kohlendioxid) Bindungs- und Luftreinigungsleistung des Baumes, die er mit 75,15 Euro bewertete. Oder die O2 (Sauerstoff) Produktion, deren Kosten 4,6t künstlichem Sauerstoff mit 6,43 Euro entsprechen. Oder die Produktion an Humuskonzentrat 210,- Euro. Die Kostenersparnis für Wind-, Wasser-, Lawinen-, Bergschutz 103,80 Euro. Der Erhalt der Vogelpopulation 5,11 Euro und so weiter. Am Ende dieser 20 Positionen langen Liste errechnete er eine Summe von 2.594,72 Euro für die Leistungen, die dieser einzelne Baum für die Umwelt jährlich erbringt.

Umgerechnet auf eine Lebenszeit von 100 Jahren sind das enorme 259.472,- Euro an Naturkapital, die ein einzelner großer Baum in 100 Jahren darstellt.

Rechnen wir das mal auf den  Berliner Grunewald um.
Laut Angabe der Berliner Forstverwaltung ist der Grunewald 3.000 Hektar groß, mit einem durchschnittlichen Vorrat von ca. 200 Festmeter Holz pro Hektar. Auf 3.000 Hektar gerechnet wären das 600.000 Festmeter Holz, die im Grunewald stehen. Teilt man diese 600.000 Festmeter durch die 2,5 Festmeter, die Frederic Vester für einen 100 jährigen Laubbaum angibt, erhält man die Anzahl der auf einem Hektar stehenden Bäume. Das sind 80 pro Hektar. Multipliziert man diese 80 Bäume pro Hektar mit den 3.000 Hektar des Grunewaldes,  ergeben sich umgerechnet 240.000 große Bäume, die theoretisch im Grunewald stehen. Da nach Vesters Studie eine 100 Jahre alte Buche pro Jahr eine Naturleistung von  2.594,72 Euro erbringt, würde der Grunewald jährlich 622.732.800,- Euro (622,73 Millionen Euro) für die Berliner erwirtschaften. In 100 Jahren wären das 62.273.280.000,- Euro. (62,27 Milliarden Euro)

Würde man den Grunewald abholzen und als Brennholz verwerten, ergäbe sich bei einem Festmeter Preis von 40,-Euro lediglich ein einmaliger Wert von 24 Mio. Euro.

 

Teil 3: Die jährliche Leistung des deutschen Waldes übertrifft das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP)

Rechnet man die oben genannten Zahlen auf den gesamten Waldbestand, also die gesamte Waldfläche Deutschlands, mit 1,36 Mrd. Bäumen oder umgerechnet 3,4 Mrd. Festmeter Holz um, ergibt sich ein volkswirtschaftlicher Nutzen von 3.528.819.200.000,- Euro. Etwas mehr als 3,5 Billionen Euro.

Zum Vergleich: das Bruttoinlandsprodukt (BIP) Deutschlands im Jahre 2008 betrug knapp 2,5 Billionen Euro. Damit leistet der deutsche Wald eine Billion Euro mehr pro Jahr an volkswirtschaftlichem Nutzen als die gesamte deutsche Industrie, alle Dienstleistungsunternehmen und alle Arbeitnehmer zusammen.

 


Teil 4: Der volkswirtschaftliche Nutzen eines Baumes in Zahlen

Folgend eine Aufstellung der Leistung eines Baumes pro Jahr gerechnet am Beispiel einer 100 jährigen Buche, 25 m hoch und mit Holzgehalt von 2,5 Festmeter. (Die Zahlen stammen aus dem Jahr 1986)

Die Leistung eines Baumes pro Jahr (Holzwert und Baumgemeinschaft)

Der Baum alleine

Holzwert, 2,5 Festmeter = 1,39 €

Biotop-Leistung = 409,03 €

Erhalt der Vogelpopulation = 5,11 €

Pflege-, Bekämpfung- und Steuerungsmaßnahmen für ein natürliches Gleichgewicht zwischen Tier und Pflanzen = 16,37 €

Lebensraum für den Menschen: umgerechnete Kindergarten und Biergartenkosten = 3,99 €

Eingesparte Forschung- und Entwicklungskosten im Jahr/pro Buche = 2,77 €

Mit der Waldgemeinschaft
Erhalt der Artenvielfalt mit 50 Vogelarten/Jahr = 55,99 €

Erhalt der Artenvielfalt am Boden erspart Interzeptionsnetze für die Erdlockerung = 124,75 €

Holzwert eines Laubwaldes = 31,95 €

Erholungswert des Waldes für den Menschen und waldnahen Tourismus = 28,12 €

Bodenpreisaufwertung und Stabilisierungsleistung für die Landwirtschaft = 3,07 €

Die Leistung eines Baumes (Sauerstoff- und Energieproduktion) pro Jahr
Der Baum alleine
CO2 (Kohlendioxid) Bindung und Luftreinigungskosten = 75,15 €

O2 (Sauerstoff) Produktion: Kosten von 4,6 t künstlichem Sauerstoff =3,29 €

Luftfilter: Kosten einer Entgiftung- oder Entstaubungsanlage = 10,22 €

Chlorophyll-Produktion: eingesparte Deodorants = 1,22 €

Mit der Waldgemeinschaft
Energieproduktion umgerechnet in Stromverbrauch = 266,49 €

Kreislauf zwischen Fotosynthese und Atmung umgerechnet in Leistungen einer Umwälzpumpe =131,40 €

Eingesparte Kosten an Smog-, Lärm-, Wind-, Bachuferschutz/pro Buche = 2,24 €

Die Leistung eines Baumes (Abfall-Recycler) pro Jahr
Der Baum alleine
Organisches Material berechnet als Futteräquivalent = 3,83 €

Kosten als Kompostanlage = 6,40 €

2500 Regenwürmer (0,46 Euro/Dutzend) der Buche = 95,87 €

Technische und chemische Aufwendungen als Ersatz für die Leistung der Kleinstorganismen = 87,94 €

Mit der Waldgemeinschaft
Produktion an Humuskonzentrat = 107,39 €

Kostenersparnis für Wind-, Wasser-, Lawinen-, Bergschutz = 103,80 €

Leistung als Temperaturpuffer umgerechnet in einer Abgabe von jährlich 380 g gesundheitsfördernde Wirkstoffen = 10,26 €

Die Leistung eines Baumes (Wasserkreislauf) pro Jahr
Der Baum alleine
Jahres Pumpleistung auf eine Wasserpumpe umgerechnet = 1,02 €

Kosten eines automatischer Wasserspeicher für 30.000 l im Jahr = 76,70 €

Die Sonnen- und Regenschutzfunktion umgerechnet auf die Jahresmiete einer Hütte sowie eines Sonnenschirms = 10,73 €

Leistungen eines Alleebaums umgerechnet in Straßen- und Blendschutz = 4,10 €

Mit der Waldgemeinschaft
Kosten eines Evaporator (Wasserverdampfer/ Destillator) für 50 cbm reines Wasser = 821,74 €

Anteilige Kosten für ein Leitungssystem zur Bewässerung und Tränkung mit ca. 5.112,92 Euro/ha   = 0,51 €

Jährliche Gesamtleistung: 2.594,72 € 

 

Ein einziger erwachsener Baum von 100 Jahren repräsentiert somit im Laufe seines Lebens einen volkswirtschaftlichen Wert von 259.472,- € und damit fast das 2000fache seines Holzwertes.

Diese Berechnungen wurden angestellt von Frederic Vester.


1 Hektar = 10.000 qm  
Abb.1:© Hubert Körner – Fotolia.com.jpg
Abb.2:© Den – Fotolia.com.jpg

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ist 14 Jahre alt und war für drei Wochen Schülerpraktikant in der SEIN Redaktion. Wir finden, er hat seine Sache ausgesprochen gut gemacht.

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