Homöopathische Antworten am Puls der Zeit

von Werner Baumeister

 

Was muss eigentlich passieren, damit man homöopathisch beim Wal landet?
Vorausgegangen war bei mir eine wochenlange großangelegte Anstrengung, liegengebliebene Dinge in Ordnung zu bringen, um dann unbelastet und frei ins Jahr 2015 zu starten. Aber dann grüße meine „Kraftzentrale Unterbewusstsein“. Ein kleiner Moment der Unaufmerksamkeit, ein nicht wieder zugedrehter Wasserhahn, eine fehlende Privathaftpflichtversicherung und ein Wasserschaden über vier Etagen. Ein emotionaler Schock, der einen lange vergessenen tiefen Schmerz in voller Intensität wachrief: „Hier haben wir den, der den Schmutz in unsere Gemeinschaft trägt und ihr schadet“ – das waren die Worte meiner Klassenlehrerin in der Grundschule vor versammelter Klasse, weil sich Erde von meinen Schuhen unter der Schulbank gesammelt hatte. Ich wäre am liebsten vor Scham im Erdboden versunken. Also bloß nicht mehr negativ auffallen, besser abtauchen und unsichtbar werden (homöopathisches Leitsymptom: Tadel, Kränkung, Peinlichkeit führen zur Persönlichkeitshemmung). Mit dem Wasserschaden stand ich nun wieder voll im Rampenlicht. Schaut her: Der da war´s!

Ambra, eine wachsartige Substanz aus dem Darm des Pottwals, die dieser als Kotansammlung um die scharfen, unverdaulichen Hornteile gefressener Tintenfische bildet, passt homöopathisch zu Menschen, die wenig Mut besitzen und sich in sich zurückgezogen haben. Kein Vertrauen mehr ins Leben. Das englische „gut“ besitzt interessanterweise zwei Wortbedeutungen: Darm und Mut. „Gutless“, darmlos, meint „sich nichts zutrauen“. Beim homöopathischen Mittel Ambra geht es in diesem Sinne nicht darum, kämpferischen Mut zu entwickeln, sondern im Gegenteil um Vertrauen und Einverstandensein: Hör auf zu kämpfen, die Situation entwickelt sich auf ganz natürliche Weise, alles nimmt seinen richtigen Gang, das Leben ist okay, auch wenn es gerade für den Verstand nicht so aussieht.

Für welche Momente unserer Biographie ist Ambra also angezeigt? Es sind die Momente im Leben, in denen wir dem Unausweichlichen begegnen, die uns mit der Erfahrung des „Absolut-nichts-mehr-machen-Könnens“ konfrontieren. Manche nennen es höhere Gewalt oder Fügung. In jedem Fall begegnen wir – auf welche mehr oder weniger „schöne“ Art auch immer – einer Kraft, die uns keine Wahlmöglichkeit mehr lässt! Ich frage den Wal, wie ich mit dieser Fügung in Form eines Wasserschadens umgehen soll? Seine radikale Antwort: „Indem du dich fügst und aufhörst, das Geschehene zu bewerten!“

Im Bauch des Walfischs

Also forsche ich nach im Mythos, und was ich finde, tröstet mich etwas. Es scheint sich bei diesem Unausweichlichen um einen Archetypus zu handeln, den mir der Wal, seines Zeichens Gedächtnis der Welt und Hüter der Zeit, homöopathisch näher bringt. Weltweit symbolisiert der Walfischbauch den vorgeburtlichen Mutterschoß, das Tempelinnere, das uns wandelt. Ein homöopathischer Tauchgang in die Tiefe, auf den Grund unserer Seele. Dort, im Bauch des Walfisches, in der Dunkelheit des Unbewussten, ist ein Schatz verborgen, oder wie Paracelsus so schön sagt, „sehen wir gewaltige Mystica“, erhalten wir Antworten zur Lösung unserer aktuellen Lebensaufgabe. Vom Wal verschluckt, geläutert und wieder ausgespuckt. Die scheinbare Selbstvernichtung in Form des Verschlungenwerdens als Überqueren einer magischen Schwelle. Im Inneren des Wals kommen wir zur eigenen Besinnung und werden erneuert, wiedergeboren, um uns entgrenzt, geweitet und gestärkt wieder der Welt zuzuwenden.

Einverstandensein: Nichts mehr wollen

Homöopathisches Ambra scheint dabei an der Grenze zwischen Bewusstem und Unbewusstem (astrologisches Fische-Thema) zu stehen und diese aufzulockern. Es geht um all die Reifungsprozesse, die wir eher unbewusst als willentlich durchlaufen, die eher vom höheren Selbst als vom wollenden Ich gesteuert werden, die homöopathisch nach Ambra schreien. Interessanterweise spiegeln die Arzneisymptome von Ambra genau diese Schwächung des wollenden Ichs wider. Man verliert ständig den roten Faden, ist vergesslich, hat Angst, die Kontrolle zu verlieren, ist unruhig, kann nicht mehr schlafen. Sowohl Wutausbrüche als auch schüchterne Zurückhaltung und Hemmung dokumentieren unser Gefühl absoluter (Eigen-) Machtlosigkeit. Darüber nachdenken, wie es bloß zu alldem kommen konnte, verschlimmert darüber hinaus alle Symptome. Da es in der Natur der Dinge liegt, dass wir in vielen Dingen keine Wahl haben, repräsentiert Ambra die notwendige Seelenschwere, die uns tief in uns selbst ruhen lässt angesichts einer Lebenssituation, die nur noch absolute Hingabe, Akzeptanz und Einverstandensein zulässt, und ist Balsam für das tiefe Schamgefühl, nichts mehr machen zu können, um uns zu schützen und zu verstecken – wir können nur noch völlig nackt, verletzlich und schutzlos dastehen.

Homöopathie aus dem Meer – Tauchgang in die Dunkelkammer der Seele

Nirgends sind wir so berührbar wie in unseren Wunden. Sich zu trauen, diese auch zu zeigen, dazu ermutigen die homöopathischen Meeresmittel (Wal/Ambra, Delphin, Tintenfisch/Sepia, Tigerhai, Meerwasser, Lachs, Aal). Wenn kämpfen keinen Sinn mehr hat, man gar nichts mehr machen, nur noch geschehen lassen kann und keine Wahl mehr bleibt, als zu akzeptieren, was ist – was passiert dann? Einsatzgebiet der Meereshomöopathie ist ein im Tiefsten gestörtes Urvertrauen. 

 

Schlagworte (mit Links zu weiteren Artikeln von Werner Baumeister):
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Werner Baumeister

ist Arzt und bietet individuelle homöopathische Begleitung an.

30 Jahre Erfahrung in eigener Praxis in Berlin.

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Die homöopathischen Arzneibilder von Werner Baumeister verstehen sich auch

als homöopathischer Spiegel aktuellen Zeitgeschehens.

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