Es muss nicht immer indisch sein: Ayurvedische Küche mal anders 27. September 2013 Ernährung Eine Ernährung nach ayurvedischen Prinzipien ist für viele automatisch gleichbedeutend mit den herrlich exotisch oder für manche auch erschreckend ungewohnt erscheinenden Speisen Indiens. Dabei kann man durchaus auch europäisch-ayurvedisch kochen. Es muss nicht immer indisch sein. Die Annahme ist verständlich: In der Regel werden Kochtraditionen wie Ayurveda – die auf den naturheilkundlichen Erfahrungswerten eines Landes beruhen – immer in Verbindung mit den entsprechenden lokalen Küchentraditionen gesehen. Ayurveda ist aber im Grunde eine universale (Selbst-)Heilmethode, die – unabhängig von Herkunft, Kultur, Religion, politischen Überzeugungen, Gewohnheiten und klimatischen Bedingungen – auf jeden Menschen überall auf der Welt anwendbar ist. Wer die Grundprinzipien des Ayurveda beherrscht, kann diese den jeweiligen lokalen Bedingungen und Bedürfnissen anpassen und so für ein harmonisches Gleichgewicht von Körper, Sinnesorganen, Geist und Bewusstsein sorgen. Ganzheitlicher Ansatz – auch beim Kochen Im Ayurveda wird das körperliche, geistige und seelische Wohlbefinden berücksichtigt. Die Speisen werden nach besonderen Zubereitungsverfahren hergestellt. Die Ernährung wird passend zu den Bedürfnissen des jeweiligen Dosha (Konstitutionstypen – es gibt Vata, Pitta und Kapha), der jeweiligen Lebensphase und dem aktuellen Gesundheitszustand zusammengestellt. Obst, Getreide, Küchenkräuter und Gemüse werden entsprechend dem Wechsel der Jahreszeiten ausgewählt. Die Zutaten fördern die Gesundheit und wirken körperlich und emotional ausgleichend. Auch die Qualität der Zutaten (regional und bio bevorzugt) ist entscheidend. Ähnliche Auswahlkriterien findet man übrigens auch in Europa, beispielsweise in der anthroposophischen Ernährungsweise sowie in vielen ländlichen Gegenden der Toskana, Liguriens oder der Provence. Es muss nicht immer indisch sein: Hildegard von Bingen und Ayurveda Auch im deutschen Mittelalter ist solches Wissen kein Fremdbegriff gewesen. So lehrte schon im frühen 12. Jahrhundert Hildegard von Bingen ein Wissen über die elementaren Eigenschaften unserer einheimischen Küchenkräuter und Heilpflanzen. Die katholische Äbtissin war schon zu ihrer Zeit eine bekannte und geschätzte Universalgelehrte und Seherin, die sich in ihrer medizinischen Praxis auch gut darin verstand, Diäten begleitend als Heilmittel einzusetzen. Sie behandelte auf der Grundlage der Drei-Säfte-Lehre des Hippokrates und Galen, der man ayurvedische Entsprechungen zuordnen kann: Wind (= Vata), Galle (= Pitta) und Schleim (= Kapha). Viele der von ihr beschriebenen Küchen- und Heilpflanzen sind auch international weit verbreitet, etwa schwarzer Pfeffer, Fenchel, Kümmelarten, Dill oder Petersilie, um nur einige Beispiele zu nennen. In jedem Kräuterlexikon stehen die altbekannten Wirkungen und die entsprechende Anwendungsvielfalt beschrieben. Ihren überlieferten Schriften kann man entnehmen, dass viele ihrer Erkenntnisse praktisch deckungsgleich mit fernöstlichen Medizinsystemen sind. Von Hildegard ist auch – ebenso wie von den vedischen Priesterärzten – überliefert, dass sie dieses Wissen teils in tiefer Meditation empfangen hat. Wichtig: qualitativ hochwertige Zutaten Die ayurvedische Kurküche ist eine leichte, vollwertige, vegetarische Küche. Tierische Eiweiße sind trotz Proteinbedarfs fehl am Platz, weil sie den Entgiftungsprozess und die feinen Nahrungskanäle (Srotas) blockieren. Gelernten Ayurvedaköchen liegt sehr am Herzen, dass die Verdauung ihrer Gäste auch am nächsten Tag noch bestens funktioniert. Nur so kann die in der Nahrung enthaltene vitale Lebensenergie – Prana – freigesetzt werden. Biophysiker würden heute von Biophotonen sprechen. Prana baut die Zellen auf und vitalisiert den gesamten Organismus. Viel von dieser vitalen Lebensenergie enthalten zum Beispiel Kräutersamen, Getreidekörner, frische, unbehandelte Gemüse und Gartenkräuter. Sie wirken harmonisierend auf das Gemüt und dynamisierend auf Blut, Herz und Nervensystem. Prana-Killer hingegen sind unter anderem Mikrowellen-Gerichte, Konserven- und Tiefkühlkost, Fertiggerichte und Fastfood. Das Grundsystem der ayurvedischen Küche Generell bedeutet ayurvedisch Kochen (sofern man nicht bereits unter chronischen Krankheiten oder Symptomen leidet), konstitutionell ausgewogen zu kochen. Gemeint ist damit, dass man übermäßige Ausreißer in die eine Richtung durch eine andere Zutat im Gericht ergänzt oder ausgleicht. Wird zum Beispiel ein stark erhitzendes Gericht serviert, wie ein scharf gewürztes Gemüsecurry, dann wird hierzu traditionell auch ein kühlendes Gegengewicht gereicht – vielleicht etwas Rohkost mit Kräutern wie Koriander oder ein kühlendes Minzchutney. Im Grunde kann man alle europäischen Gerichte eben auch nach ayurvedischen Gesichtspunkten zubereiten. Ayurvedisch Kochen heißt: Alle sechs Geschmacksrichtungen (Rasa) in einer Mahlzeit zu vereinen: süß, sauer, salzig, bitter, scharf und herb Den Wandel der Jahreszeiten (Rtu), die Konstitution eines Menschen (Prakruti) und seinen momentanen, eventuell gestörten Gesundheitszustand (Vikriti) zu beachten Das Verdauungsfeuer (Agni) zu stärken sowie die Verdauung (Samana) und die Ausscheidung (Apana) anzuregen Durch eine gezielte Auswahl an Nahrungsmitteln, Gewürzen und den Stoffwechsel anregenden Zubereitungsmethoden alle fünf Sinne (Jnanendriyas) anzusprechen. In ayurvedisch zubereiteten Speisen balancieren sich die einzelnen Bestandteile des Gerichts gegenseitig aus. Die richtigen Nahrungskombinationen (Pathyapathya) zu wählen und damit eine Art „ayurvedische Trennkost“ zu praktizieren Gewürze als Juwelen der Verdauung Ausgewählte Gewürze, aber eben auch die in Europa gebräuchlichen Küchenkräuter, sprechen alle sechs in der ayurvedischen Küchenlehre wichtigen Geschmacksrichtungen an. Die einseitige Wirkung von Nahrungsmitteln wird mit ihnen ausgeglichen. Die süße, kalte, klebrig-schleimige Wirkung von Milch wird bei Desserts auf Milchbasis beispielsweise durch das seit dem Mittelalter bei uns bekannte Kardamom neutralisiert. Thymian oder Rosmarin werden bei stärkehaltigen Gerichten wie Kartoffeln genutzt. Ein Kohl- oder Linsengericht wird stets Kreuz- oder normalen Kümmel sowie Asafoetida (Asant) oder indische Ajwansamen enthalten, um die blähende Wirkung auf ein Minimum zu reduzieren. Ernährungsumstellung ja oder nein? Aus ayurvedischer Sicht sollte eine Ernährungsumstellung nur vorgenommen werden, wenn ernsthafte gesundheitliche Probleme vorliegen. Sie erfordert Disziplin, Geduld und Zeit, um alte Gewohnheitsmuster zu durchbrechen. Oftmals fühlt man sich gerade zu den Speisen hingezogen, welche die negativen Wirkungen auf unser Naturell verstärken. Der feurige Pitta-Typ fühlt sich häufig zu scharfen, sauren und salzigen Speisen hingezogen, diese verstärken jedoch sein ohnehin intensives inneres Feuer und können zu Übersäuerung, Entzündungsneigung und Hautproblemen führen. Die Selbsttäuschung liegt darin, dass Pitta-Typen meinen, sie würden damit ihre positiven, feurigen Qualitäten unterstützen. Genau das Gegenteil ist jedoch der Fall. Das Gleiche gilt für Vata-Typen, die häufig unter Stress Salate oder trockene Brötchen essen, oder Kapha-Typen, die sich vielleicht einreden, sich nur gut zu fühlen, wenn sie sich jeden Tag ein Stück Kuchen oder etwas Schokolade gönnen. Hier gilt es, mit der Gewohnheit zu brechen. Sich ausgewogen im ayurvedischen Sinn zu ernähren, heißt auch, dass das Verhältnis von Proteinen, Kohlenhydraten und frischem Gemüse bei jedem Konstitutionstyp individuell bestimmt werden muss. Deshalb ist eine professionelle ayurvedische Ernährungsberatung sehr zu empfehlen! Als Beispiel ein Rezept, wie man ayur-vedisch betrachtet auch ein einfaches Pastagericht zubereiten kann, das die Verdauung unterstützt und dem ausgleichenden Doshaprinzip entspricht. Pasta verdura – Gemüsenudeln Zutaten 500g Linguine oder Tagliatelle 1 Karotte, geschält 1 Zucchini 2 Lauchzwiebeln 3 große Scheiben frischen Ingwer 2 TL Ghee oder Olivenöl 1-2 grüne Chilis 1TL Fenchelsamen 1 TL gemahlene Cumin- oder Kümmelsamen 2 Msp. Safran oder ½ TL gemahlenen Curcuma 1 TL Salz 2 EL gehackte frische Kräuter nach Wahl ½ TL schwarzen gemahlenen Pfeffer 400 ml Sahne oder Sojasahne Zubereitung Das Gemüse längs in feine Streifen schneiden. Nebenbei Nudeln in leicht gesalzenem Wasser „al dente“ kochen und beiseite stellen. Von der Sahne etwa 3 EL wegnehmen und darin den Safran für 10 Minuten einweichen. In einem Topf das Ghee erhitzen und nacheinander die Gewürze bis auf den Safran darin anrösten, zuletzt die Chilis. Die Gemüsestreifen dazugeben und rundum anbraten, bis sie Farbe bekommen. Mit 4-5 EL Wasser ablöschen, mit einem Deckel verschließen und auf kleiner Flamme etwa 5 Minuten dünsten. In der Zwischenzeit die gekochten Nudeln zusammen mit der Safransahne kurz in einer heißen Pfanne schwenken, bis sie gleichmäßig durch den Safran gefärbt sind. Wenn das Gemüse weich ist, die Sahne beziehungsweise Sojasahne dazugeben und einmal aufkochen. Bei Sojasahne muss man darauf achten, dass sie nur erhitzt wird und nicht kocht, sonst gerinnt sie. Das Salz dazugeben, gut umrühren und zuletzt die gefärbten Nudeln dazugeben und gut durchmischen. Mit den gehackten Kräutern garnieren und heiß servieren. Abb: © Will Schneider – Narayana Verlag Ayurveda Kurzentrum Triguna® Tel.: 07632 – 82 30 90 info@ayurvedazentrum.de, www.ayurvedazentrum.de Von ihnen ist im Narayana-Verlag erschienen: Die zeitlose Ayurveda-Küche ISBN: 978-3-941706-37-8, 39 €, 500 Seiten, gebunden www.narayana-verlag.de Hinterlasse einen öffentlichen Kommentar Antwort abbrechenDeine Email Adresse wird nicht veröffentlicht.KommentarName* E-Mail* Meinen Namen, meine E-Mail-Adresse und meine Website in diesem Browser für die nächste Kommentierung speichern. Überschrift E-Mail-Benachrichtigung bei weiteren Kommentaren.Auch möglich: Abo ohne Kommentar. Durch Deinen Klick auf "SENDEN" bestätigst Du Dein Einverständnis mit unseren aktuellen Kommentarregeln.