Vom 16. bis 17. Mai fand in Herzogenrath ein europäisches Symposium zum Thema Grundeinkommen statt. Das Symposium war der letzte Teil einer Veranstaltungsreihe, die mit der Woche des Grundeinkommens im September 2008 und dem 3. Grundeinkommenskongress an der Humboldt Universität im Oktober 2008 begonnen hatte. Vertreter von attac, vom Netzwerk Grundeinkommen und von der katholischen Kirche, aus der Wissenschaft und aus dem europäischen Parlament waren geladen.

Als Ergebnis des Symposiums wurde eine Resolution an die Europäische Kommission verabschiedet. Darin wird die Einführung des Grundeinkommens auf europäischer Ebene angeregt, einerseits mit dem Ziel einen nicht nur freien, sondern auch fairen Markt zu schaffen, andererseits um die Sozial- und Steuerstandarts zwischen den Staaten zu harmonisieren.

 

Neuer Arbeitsbegriff und radikale Steuerreform

Was zunächst richtig, aber kaum revolutionär wirkt, wird durch ein Abstract von Sepp Kusstatscher (MdEP) und Klaus Sambor konkretisiert: Sie wollen das Grundeinkommen in einem neuen EU-Vertrag kodifizieren, um auf diesem Weg Vollbeschäftigung zu ermöglichen. Hier wird Arbeit allerdings neu definiert, nämlich als Versorgungsarbeit, Erziehungsarbeit, Gemeinschaftsarbeit, Eigenarbeit und künstlerisches Schaffen. Diese Arbeitsformen sollen der herkömmlichen Lohnarbeit gleichgestellt werden. Zwar ist der Gedanke nicht neu, wohl aber die Verankerung dessen in einem Vertrag auf europäischer Ebene. Auch die Ideen für eine Steuerreform sind radikal. Nicht mehr Steuern auf Arbeit, sondern auf Konsum. Auch dieser Gedanke ist alt, interessant ist aber der weitere Wortlaut: „Steuern vor allem auf Spekulationsgeschäfte, Besitz, Maschinen, auf alles, was das Vermögen von Einzelnen und der Gesellschaft vermehrt und wo der Wertzuwachs nicht automatisch dem Gemeinwesen zufließt.“ Kusstatscher und Sambor liefern auch konkrete Anhaltspunkte nach denen das Grundeinkommen bemessen werden soll und in welche Bereiche die politische Administration investieren sollte: „Bildung, Gesundheit, Pflege, Kinderbetreuung, Verkehr, Energie, Wohnen, Kulturförderung, freier Zugang zu Kulturgütern“.

 

Existenzsichernde Arbeit und freie Arbeit

Leon Segers vertritt in seinem Abstract den Gedanken einer Einteilung der Arbeit in existenzsichernde Arbeit und freie Arbeit. Die existenzsichernde Arbeit soll die materielle Existenz der Gesellschaft sichern und soll nicht dem (Welt)Handel unterworfen sein. Durch das Grundeinkommen, durch das die existenzsichernde Arbeit finanziert wird, wird eine Mechanisierung ohne soziale Folgeprobleme möglich. Im Endeffekt würde die Lohndiffernz weltweit sinken.

 

Das Grundeinkommen als Begleiter des sich selbst vernichtenden Kapitalismus

Die Paradigmen des Marktes werden bei den beiden Texten nur im Bezug zur menschlichen Arbeit angetastet. In diesem Sinne radikaler ist der Abstract, den Bernard Kündig, Soziologe und Mitglied des Basic Income Earth Network, vorgelegt hat. Er sieht die Einführung eines Grundeinkommens für dringlich an, „weil das bestehende System sich mit einer spürbaren Verschärfung materieller Ungleichheit verabschiedet.“ Das Grundeinkommen dient hier einerseits als sozialer Begleiter des sich selbst vernichtenden Kapitalismus (weil Wachstum aus den systemimmanenten Renditegründen nicht mehr möglich ist), andererseits als wichtige Instanz für eine neue wirtschaftliche Ordnung, dessen Paradigma die Bedürfnisbefriedigung und nicht die Konsumentenmanipulation ist.

 

Das Grundeinkommen als Instrument gegen eine Ökodiktatur

Werner Rätz vom linken Flügel des globalisierungskritischen Netzwerks Attac senkt in seinem Abstract die Hoffnungen auf das Grundeinkommen als das Instrument zur Abschaffung des Kapitalismus. Ihm zufolge tastet das Grundeinkommen die Paradigmen des Marktes zunächst nicht an: „Es führt als Geldbetrag auch nur auf den kapitalistischen Markt.“ Allerdings schafft das Grundeinkommen die notwendige Gedanken- und Handlungsfreiheit für die Umsetzung von Alternativen.

Sehr interessant ist sein Gedanke, dass das Grundeinkommen ein Ausweg aus der sonst dringend notwendigen Ökodiktatur ist. Nach Marktparadigmen ist eine ökologische Trendwende ausreichenden Ausmaßes nur per Verordnung möglich, das Grundeinkommen setzt aber langfristig bessere Anreize.

Leider hat das Symposium kaum öffentliche Reaktionen hervorgerufen, obwohl über einige interessante Ansätze und neue Ideen nachgedacht wurde. Beim Archiv Grundeinkommen wurde lediglich auf die Resolution hingewiesen. In der diesjährigen Woche des Grundeinkommens vom 14. bis 20. September sollten die Ansätze des Symposiums weiter verfolgt und vertieft werden.

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