…von nun an geht’s zur Mitte

In der Lebensmitte fragen sich viele Menschen nach dem Sinn ihres bisherigen Lebens. „Wozu arbeite ich so viel, hetze mich ab?“ Die familiären Bindungen wandeln sich, der Körper funktioniert nicht mehr so wie früher, unbekannte Gefühle tauchen auf. Für Frauen ist der Eintritt ins Klimakterium mit den damit einher gehenden physischen und psychischen Veränderungen eine Herausforderung.

Frauen und Männer in der Lebensmitte stehen an der Schwelle zu einer neuen Lebensphase. Sie sind reich an Lebenserfahrung und Wissen und spüren zugleich, dass sich Neues in ihnen entfalten will. Alte Träume und vernachlässigte Fähigkeiten kommen wieder ins Blickfeld, der Wunsch entsteht, sich anders auszudrücken als bisher. Die alte „Haut“ wird zu eng. Steht in der ersten Lebenshälfte die Orientierung nach außen, in die Welt im Vordergrund, so ist jetzt die Hinwendung zur eigenen Mitte, zur Seelentiefe wichtig. Im Fokus ist nicht der Gipfel, sondern das Tal, wo der Aufstieg begann. Wie die Schlange, die sich ihrer alten Haut entledigen muss, sich zwischen zwei Steinen hindurchzwängt, so ist diese Zeit der Wandlung eine Zeit der Bewegung, des Loslassens, der Hingabe an das, was entstehen will.

Die Umbruchzeit in der Lebensmitte, die oftmals mit einer persönlichen Krise einhergeht, als Chance zu begreifen, um neu und anders zu werden, ist die Herausforderung.

Das nächste Wegstück bedarf neuer Visionen, Ideen und Lebensentwürfe. Durch die verlängerte Lebenserwartung sind die in der Gesellschaft verankerten Vorstellungen und Konzepte, was das Alter betrifft, überholt. Ein „Es geht nicht mehr“ ist keine Perspektive für eine Nach-der-Mitte-Lebenszeit von 30 bis 40 Jahren.

 

Bewegung hin zum innersten Wesen

Besonders Frauen sind von solchen starren, unlebendigen gesellschaftlichen Projektionen betroffen. Weder ein krampfhaftes Festhalten an Jugendlichkeit, noch das „Mutti-Modell“ oder ein Verschwinden aus der Welt der glänzenden Oberflächen kann die Antwort darauf sein. Die Bewegung hin zum eigenen Herzen, zur weisen Frau, eröffnet die inneren Qualitäten von Mitgefühl, Weisheit und Tatkraft und ebnet den Pfad zum innersten Wesen.

Männer erleben, was ihre Arbeit betrifft, in der Lebensmitte oftmals Unlustgefühle. Jüngere Männer voller Vitalität und Tatkraft drängen in ihren Lebensraum. Die Anima, die innere weibliche Qualität des Mannes, tritt mehr ins Bewusstsein und stellt die bisherige Identifikation mit den äußerlichen, männlichen Anteilen in Frage.

All diese Aspekte, die nun im Bewusstsein auftauchen, können Krisen in der Lebensmitte auslösen. Doch in der Konfrontation mit den eigenen inneren Prozessen liegt die Chance von Wachstum und Reife.

 

Neues entstehen lassen

Den bisherigen Lebensweg würdigen, das derzeitige Lebensmandala im Hier und Jetzt betrachten und zu einer Gesamtschau kommen, um den Weg für das nächste Wegstück zu entwickeln – das ist jetzt die Aufgabe.

Der Wandel, die Veränderung ist unausweichlich, die Tricks ihn bzw. sie zu überspielen vielfältig. Da sind die ewig Jungen – nach C. G Jung „ein kläglicher Ersatz für die Erleuchtung des Selbst.“ Oder diejenigen, bei denen alles immer bestens läuft und das ewig so weitergehen wird – auch das ist Erstarrung.

Wie viel mehr innerer Reichtum eröffnet sich denen, die bereit sind, sich nach innen zu wenden, zu erforschen, was an Neuem ansteht, wohin die Energie und die Lebenslust führen will.

Sich der Selbstwerdung zu widmen, die Krisen in dieser Zeit als Wachstumschance zu erkennen, den weiten Raum der eigenen Herzenstiefe und Seele zu durchwandern, das bedarf bisweilen der Unterstützung von außen. Wobei eine noch bessere oder noch exotischere Therapie- oder Behandlungsmethode hier nicht das Mittel der Wahl sein kann. Denn es geht ja um das eigene Herz, die eigene Lebensmitte. Die Aufgabe des „sich Wandelns“ in der zweiten Lebenshälfte, mit all ihren Gefahren und Chancen, erfordert Unterstützung, die immer nur den Menschen und seinen Weg vor Augen hat. Und es bedarf der Weggefährten.

 

Kontakt und Austausch mit Weggefährten

Dass es auch um eine spirituelle Ausrichtung geht, liegt schon in der Natur der Hinwendung zur Mitte. Hier ist aber weniger eine Orientierung auf ein äußeres Ziel gemeint, vielmehr geht es darum, den Guru im eigenen Herzen zu finden und nach innen zu lauschen. In der eigenen Tiefe der Seele sind schon alle Ressourcen für Weisheit und Herzenskraft vorhanden – eine unversiegbare Quelle an Inspiration auf dem Weg durch das letzte Drittel des Lebenskreises.

Wie aber kann man diese Herausforderung annehmen und Unterstützung finden? Sich mit anderen zusammenzutun, die den gleichen Lebensabschnitt durchwandern, ist ein wesentlicher und erster Schritt. Im Kontakt und im Austausch entsteht ein weites Feld an Entwicklungsimpulsen, Energie, Miteinandersein, Herzensverbindung und Unterstützung.

Isolation und das Gefühl „getrennt zu sein“, verhindern jede innere Entfaltung und Entwicklungsmöglichkeit. Zur Erforschung der eigenen Wünsche, Visionen und auch der Hindernisse stehen Werkzeuge und Wissen aus den Feldern der humanistischen Psychologie, der Körperarbeit und Spiritualität zur Verfügung.

Gefragt sind Wegweiser und Orientierungspunkte – den Weg mit der Unterstützung der Weggefährten gehen, hin zur spirituellen Natur, deren Qualität Mitgefühl, Weisheit und Energie ist. Auf diesem Pfad der Weite und Offenheit ist auch der Tod Teil des Lebens – ein Teil, der dem Leben Würde verleiht.

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