Und wieder ist es ein etwas schräger, aber wundervoller Film (aus dem gleichen Studio wie „Coraline“ und „ParaNorman“) abseits des üblichen zuckrig-süßen Disney-Universum, der leider etwas verkannt wird. Er basiert auf der Bestseller-Buchserie „Here be Monsters!“ des britischen Autors Alan Snow. In Rezensionen wird die vorhandene Düsternis bemängelt, die fehlende Schönheit der Figuren und dass man sich nicht mit ihnen identifizieren könne – dabei ist der in aufwändiger Stop-Motion-Technik entstandene Film voller liebevoller Details und erzählt von Freundschaft und Elternliebe. Auch die Hauptfiguren, das eigensinnige, selbstbestimmte Mädchen Winnifred – die mit ihrem Hang zu Horrorgeschichten trotz ihres rosa Kleidchens im Wesen ein wenig an Wednesday Adams erinnert – und der verwilderte Junge Eggs, der bei den Boxtrolls aufwuchs, sind sehr schön ausgearbeitet.

Die Story: Vor Jahren entstand in der viktorianischen Stadt Cheesebridge durch den Schädlingsbekämpfer Archibald Snatcher (im Original gesprochen von Sir Ben Kingsley) das Gerücht, die Boxtrolls (kleine im Untergrund lebende Kobolde, die sich mit Pappschachteln anziehen) würden heimtückisch kleine Kinder entführen, sie auffressen und ihre Knochen abnagen. Im Austausch für die Aufnahme in höchste Kreise vereinbart Snatcher mit dem Bürgermeister, dass er alle Boxtrolls auslöschen werde. Dabei recyceln die gutmütigen und erfinderischen Boxtrolls lediglich den Abfall der Stadt und trauen sich nur nächtens aus ihrer Höhle nach oben. Aber … die Menschen reagieren wie üblich: Den bösartigen Gerüchten wird Glauben geschenkt, die Fremden werden verteufelt und gejagt. (Allerdings zeigt der Film auch, wie wankelmütig und schwer beherrschbar der Mob ist.) Und so erschafft die Monsterjagd ihre eigenen Monster, wenn sich die kleinen Boxtrolls zitternd in die Schatten drücken, während die Menschen Spaß daran haben sie zu jagen. Als „Fish“, der „Eggs“ aufgezogen hat, ebenfalls gefangen genommen wird, begibt sich der Junge am helllichten Tag an die Oberwelt und versucht seine Familie zurückzubekommen. Es zeigt sich, dass nicht das Äußere entscheidend ist, sondern nur Taten zählen. Dass Erwachsene unglaublich bigott, Schönheit hohl sein und das Kostbare im Hässlichen liegen kann. Kinder werden dazu angeregt zu hinterfragen das Vorgesetzte nicht einfach hinzunehmen und bei gefühlt falschen Dingen zu handeln. Nicht umsonst vergab die Deutsche Film- und Medienbewertung hier das Prädikat besonders wertvoll.

Fazit: Ein wunderhübsch gemachter Kinder- und Familienfilm für Kinder ab sechs Jahren, der Erwachsene ebenso bezaubert zurücklässt. Hier wird eine pädagogisch sehr wertvolle Geschichte erzählt, die man allen zukünftigen Erwachsenen – gerade in einer Zeit in der Grenzen wieder dicht gemacht und Schauergeschichten über hilflose, aber so fremd erscheinende Menschen erzählt werden – mit auf den Lebensweg geben möchte. Auch tiefergehende philosophische Fragen werden kindgerecht transportiert, zum Beispiel, dass niemand einem festgelegten Rahmen folgen muss, denn jeder ist zu Veränderung und Weiterentwicklung fähig. Wir besitzen einen freien Willen und mit jeder unserer Taten definieren wir unser Sein.

 

Anthony Stacchi, Graham Annable
Die Boxtrolls
Universal Pictures Germany, 2015
DVD, 94 Minuten, 5 Euro

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