Auf DVD: Food, Inc. – Was essen wir wirklich?Mit jedem Bissen die Welt verändern

Was wissen wir eigentlich über unsere Nahrung? Wir kaufen sie, wir befühlen sie, wir bereiten sie zu, schlagen genüsslich unsere Zähne hinein, nehmen sie in uns auf und füllen damit unsere eigenen und die Bäuche unserer Kinder. Aber was wissen wir eigentlich über unsere lebensspendende Nahrung? Ist sie gesund? Und noch viel wichtiger: Wo kommt sie eigentlich her?

 

Food, Inc.“ – der als Eröffnungsfilm auf der Berlinale 2009 Erfolge feierte und sogar für den Oscar als bester Dokumentarfilm nominiert war – ist eine absolute Empfehlung für bewusste Verbraucher und ein Plädoyer für ehrliche und nachhaltig produzierte lokale Produkte. Der 1950 in New York geborene Regisseur Robert Kenner wirft mit seinem Film ein brechreizerregendes Licht auf die Nahrung auf unseren Tellern und stellt unbequeme Fragen. Zum Beispiel: Warum kriegt man für 0,99 $ zwar zwei industriell gefertigte Hamburger, aber keinen frischen Broccoli?

Monopolisierung der Lebensmittelindustrie

Laut Film ist die große Nahrungsvielfalt im Supermarkt eine Illusion – früher führten alle Wege nach Rom, heute führen alle Wege letztendlich zum subventioniert angebauten Mais und zur subtilen Förderung von Fast Food. Fast jedes Lebensmittel kann mit Mais in Verbindung gebracht werden: Angefangen bei Sirup, Brot, Bindemitteln, Marmelade  bis hin zu bunten Getränkepulvern und Tierfutter für Massenhaltungsbetriebe, findet sich (Gen-)Mais und (Gen-)Soja als eine Grundsubstanz fast überall.

Die Bauern sind heute die Sklaven großer Fleischkonzerne und Saatgutfirmen wie zum Beispiel Monsanto und haben durch die finanzielle Abhängigkeit keine Macht mehr über das eigene Ackerland. Nicht mehr die Bauern, die lebensnah an Land, Vieh und Pflanzen sind, treffen die Entscheidungen, sondern effizienzorientierte Manager, die – bis auf die Zahlen auf dem Papier – keinerlei Berührungspunkte mehr zu Anbau, Pflege und Ernte haben. Zusätzlich kontrolliert nur eine Handvoll Firmen das Nahrungssystem (in den USA werden 80% des Rindfleisch- und Schweinefleischmarktes inzwischen von nur noch vier mächtigen Nahrungsmittelkonzernen kontrolliert), die sich mit gutbezahlten Lobbyisten und selbstgeschriebenen Gesetzen dagegen wehren, dass Verbraucher Kenntnis über den Ursprung ihrer Nahrung erlangen.

Kontaminiertes Fleisch – eine potentielle Quelle für EHEC?

Besonders erschreckend ist die in diesem Dokumentarfilm vorgestellte These, dass Kühe, die eigentlich Grasfresser sind, durch nicht artgerechte Fütterung mit (Gen-)Mais potenziell tödliche Bakterien des Stammes E. Coli O157:H7  (ein weitverbreiteter Stamm von EHEC) in ihrem Pansen produzieren. Dass derart mutierte E. Coli-Bakterien dann vom Pansen bei der wenig umsichtigen industriellen Schlachtung auf das Fleisch der Tiere und somit in den Nahrungskreislauf gelangen, kann nicht vermieden werden.

Besonders betroffen macht der im Film gezeigte Fall von Barbara Kowalcyk, deren Sohn Kevin sich am Fleisch eines mit E. Coli O157:H7 kontaminierten Hamburgers infizierte. Innerhalb von zwölf Tagen starb das Kind. Aus den Erzählungen der Mutter hört man heraus, dass es kein leichter Tod war. Kevin wurde zwei Jahre, acht Monate und einen Tag alt. Seine Mutter kämpft seitdem für bessere Kontrollen zum Schutz der Nahrung und gegen verseuchtes Essen.

Panikmache? Paranoia? Oder doch ein Körnchen Wahrheit?

Wer nun argumentiert, dass Amerika so herrlich weit weg und Deutschland so gemütlich sicher ist, sollte die verschlungenen Pfade der Globalisierung nicht außer Acht lassen. Wir konsumieren schließlich tagtäglich Lebensmittel aus den entlegensten Ecken der Welt. Auch die Warnung der  AAEM (American Academy of Environmental Medicine), einer seit 1965 bestehenden Ärztevereinigung, sollte zu denken geben, denn diese fordert aufgrund alarmierender Forschungsergebnisse ein sofortiges Moratorium gegen die Verwendung von gentechnisch manipulierten Nahrungsmitteln. Völlig unverständlich auch, dass der WWF derzeit mit dem Agrarkonzern Monsanto anbändelt und deren Gen-Soja empfiehlt. Auch der Wirrwarr, der im letzten Jahr um in Biogasanlagen verwendeten oder nicht verwendeten Gen-Mais entstanden ist, trägt ebenfalls zur Verunsicherung bei und sollte zumindest zum kritischen Nachdenken anregen, was da auf unsere Ackerböden gelangt.

Sehr genau sollte man auch zwischen den Zeilen lesen, wenn sich umstrittene Journalisten verharmlosend-ironisch für gentechnisch veränderte Produkte einsetzen und sich im Zusammenhang mit der Deutung der EHEC-Epedemie zu Aussagen versteigen wie „Noch fettere Schlagzeilen verursacht die Gentechnik, von der weltweit niemand auch nur einen Pickel bekommen hat.“ (Focus Nr.22/2011). Solche mehr als nur verantwortungslos erscheinenden Aussagen sollte man als Verbraucher doch eher mit der gebotenen Dosis Vorsicht und gesundem Menschenverstand quittieren.

Werfen Sie einen kritischen Blick auf den Inhalt ihres Kühlschranks und seien Sie sich darüber im klaren und bewusst, dass Ihr nächster Einkauf, Ihr nächster Bissen, Ihr nächster Schluck durchaus die Welt verändern kann.

 

Robert Kenner
Food, Inc. – Was essen wir wirklich?
DVD, 94 Minuten, 12,99 €, Sunfilm
Entertainment, 2010


Abb: © 2003 Tiberius Film GmbH & Co. KG, Wolfgang Carl, München

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