Grundeinkommen

GrundeinkommenIst das bedingungslose Grundeinkommen, das seit zwei, drei Jahren immer häufiger diskutiert wird, bei den Linken und den Grünen kaum anders als in der CDU, ein spirituelles Thema? Aber gewiss doch!
Man braucht sich nur vor Augen zu halten, welche Konsequenzen es hätte, wenn jede und jeder automatisch ein für ein bescheidenes Leben ausreichendes Grundeinkommen erhielte, ‚einfach so‘, als Geburtsrecht sozusagen.
Auf einen Schlag wäre unsere Gesellschaft eine andere. Statt des barbarischen Prinzips „Nur wer arbeitet, soll auch essen“ würde das menschenfreundliche Prinzip herrschen, dass jeder mitessen können soll, der da ist. Ausgestattet mit einem Grundeinkommen hätte ein jeder die Muße, sich in Ruhe zu überlegen, was für eine Art von Arbeit zu ihm oder ihr passt, was er oder sie beitragen möchte zum großen Ganzen.

Der Lohn, das Arbeitseinkommen wäre nicht mehr die primäre Quelle des Einkommens, damit auch nicht mehr die Quelle von Abhängigkeit, Fremdbestimmung und Unterdrückung. Wer über ein Grundeinkommen verfügt, braucht sich von seinem Chef, seiner Chefin nicht mehr alles gefallen zu lassen. Braucht vielleicht gar keinen Chef mehr, um das noch hinzuzuverdienen, was er oder sie gerne möchte. „Menschen werden weniger erpressbar“, sagt Petra Kipping (Die Linke).

In gewisser Weise – so macht der Film-Essay von Daniel Häni und Enno Schmidt deutlich – führt an einem Grundeinkommen kein Weg vorbei. „Die Wirtschaft hat die Aufgabe, die Menschen von der Arbeit zu befreien“, sagt Götz Werner, Kronzeuge der beiden Filmemacher und als Chef der dm-Kette und vielfacher Milliardär unverdächtig, nur zum eigenen Vorteil zu argumentieren. Es liegt, so Götz Werner, „in der Logik dieser Erfolgsgeschichte“, in der Logik der Rationalisierung, dass immer weniger Arbeitsplätze zur Verfügung stehen und dass deshalb Arbeit und Einkommen entkoppelt werden müssen. Schon jetzt sind es nur noch 41% der Bevölkerung, die ein „normales“ Arbeitseinkommen beziehen – die anderen leben bereits von Transferleistungen, und ihr Anteil wird weiter steigen.

Das größte Hindernis auf dem Weg zu einem bedingungslosen Grundeinkommen für alle ist deshalb nicht die Frage seiner Finanzierung. Das größere Hindernis, so zeigt dieser Film, ist in den Köpfen: die Angst davor, dass die Leistungsgesellschaft zusammenbräche, dass die schwere, die unangenehme Arbeit nicht mehr gemacht würde, wenn jeder ein Grundeinkommen hätte. Interessant dabei der Unterscheid zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung: dass sie selbst ihre jetzige Arbeit nicht mehr machen würden, wenn sie ein Grundeinkommen hätten, vermuten nur etwa 10% der von den Filmemachern Befragten; den Anteil der anderen, die nicht mehr arbeiten würden, schätzen sie jedoch auf 80%. So schlimm scheint es mit der tatsächlichen Arbeitszufriedenheit also nicht bestellt zu sein, dass man den Zusammenbruch der Leistungsgesellschaft befürchten müsste.

[GRUNDEINKOMMEN – Ein Film-Essay von Daniel Häni und Enno Schmidt. CH 2008. 100 min. Erhältlich bei der initiative-grundeinkommen.ch]

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