Benedikt XVI. – Eine deutsche Geschichte

Papst BenediktIch gestehe, dass ich ein höchst gespaltenes Verhältnis zu diesem „unserem“ Papst habe. Ich mag sein bescheidenes Auftreten, seine großväterlich warme Stimme, vor allem die Schüchternheit, die immer noch durchscheint, wenn er die Ovationen entgegennimmt, die sein neuer Job mit sich bringt.

Dabei ist mir bewusst, dass Joseph Ratzinger offenbar nicht zu den Reformern in Rom gehört. Bis zu seiner Wahl zum Papst am 19. April 2005 war er 24 Jahre lang Präfekt der Glaubenskongregation, jenes Gremiums, das für die Reinhaltung der katholischen Lehre zuständig ist. In dieser Zeit hat er – durchaus mit harten Bandagen – gegen die Befreiungstheologie in Lateinamerika gestritten, und er hat Willigis Jäger, den Benediktiner-Mönch und Zen-Meister, mit Auftritts- und Publikationsverboten belegt.

Auch das Sündenregister der Amtskirche, das in dem Film „Benedikt XVI.“ von Hans Küng und Alice Schwarzer präsent gehalten wird, wird durch diesen Papst wohl nicht kürzer werden. So sieht es beispielsweise nicht danach aus, als würde er an alte Konfliktpunkte rühren wie die Stellung der Frauen in der Kirche oder das Verbot der Abtreibung.
Dennoch: Es macht einen großen Unterschied zu seinen Vorgängern, dass dieser Papst lange Jahre als Theologieprofessor arbeitete, dass er zu diskutieren und argumentieren gelernt hat, dass er mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln zu überzeugen versucht. Seine erste Enzyklika „Deus caritas est“ („Gott ist tätige Liebe“) ist der überaus ehrenwerte Versuch, einen vernünftigen Gottesbegriff in die Welt zu setzen, die Spaltung zwischen Vernunft und Glauben zu überwinden: Ratzingers Leitthema, das er auch in seinem Buch über Jesus von Nazareth variiert, das kurz nach seiner Wahl zum Papst erschien.

Mit diesem Papst ließe es sich vortrefflich streiten: So in etwa könnte man den Tenor der Stimmen zusammenfassen, die der Film einsammelt. Die Frage ist nur, ob dieses Diskussionsangebot auch angenommen wird von den Gläubigen, vor allem aber von der wachsenden Zahl der Nicht-mehr-Gläubigen. Das Gros seiner Fans jedenfalls, das zeigt eine Papst-Reise nach der anderen, will und braucht keine Diskussion: ihnen reicht offenbar seine schiere Anwesenheit, sein schüchternes Winken aus dem Papamobil.

[Benedikt XVI. – Eine Produktion von Pro Vobis, Pommernallee 5, 14052 Berlin im Auftrag des Bayrischen Rundfunks/alpha]

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