Warum wir einen Wettbewerb der Systeme brauchen

Einerseits versucht man die Bürger zu beruhigen, es wird schon alles wieder ins Lot kommen, also weiter so. Andererseits mehren sich die Stimmen, auch konservative, die einen Systemwechsel fordern. Doch wie einen Systemwechsel herbeiführen? Es wird ganz einfach passieren, denn parallel zum bestehenden ist gerade ein weiteres System durch die Kreativität der Bürger am Entstehen, das sich nach und nach selbst installiert und seinen Erfolg im Wettbewerb mit dem alten System erfährt. Es gilt nur noch dieses neue System für alle sichtbar zu machen.

 

Angela Merkel erklärt die Krise für beendet, titelte am 22. Juni der Berliner Tagesspiegel. „Wir können aus vollem Herzen sagen, das sich das Jahr 2010 sehr viel besser anlässt, als wir das noch vor einem Jahr vermuten konnten“, so die Bundeskanzlerin. Die Sparpolitik werde den privaten Konsum ankurbeln, weil sie bei den Bürgern Sicherheit schaffe, so die Beruhigungspille aus dem Hause Merkel. Einen Tag zuvor, am 21. Juni, schrieb die Financial Times: EU verzweifelt an Finanzindustrie. Die für die Reform des Finanzsektors zuständigen EU-Parlamentarier, darunter Abgeordnete von CDU, SPD und den Grünen, forderten die Bürger dazu auf, Nichtregierungsorganisationen zu gründen, die der Übermacht der Bankenlobby in Fragen der Finanzwirtschaft Paroli bieten sollen. Die EU-Parlamentarier riefen die Bürger um Hilfe, da sie täglich unter dem ständigen Druck des Finanzsektors stünden und es in der heutigen Zivilgesellschaft keine ausreichende Gegenmacht gebe, die den Einfluss der Finanzindustrie abwehren könne. Auch der Chef der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, ist gefrustet, weil die Banker allen Ernstes glauben, sie können so weitermachen wie bisher. “Die wären alle weg, wenn wir sie nicht gerettet hätten”, sagte Trichet der Welt am Sonntag. Das Verhalten der Banker sei “mit den bestehenden demokratischen Grundwerten nicht vereinbar.”

Doch warum sollten wir das alte Geldsystem weiter am Leben erhalten, das Monster zähmen wollen? Würden wir nicht ständig den Finanzmarktakteuren hinterher hecheln, weil wir nicht wirklich verstehen, welche neuen Finanzmarktprodukte sie sich wieder ausgedacht haben, um uns, und sich gegenseitig, über den Tisch zu ziehen? Wir werden sie nur abschütteln, wenn wir das Geldsystem neu erfinden, so wie es der Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler (FDP) im März in einem Artikel für die Süddeutsche Zeitung gefordert hat: “Die Ursachen der Überschuldungskrise liegen im Geldsystem, doch dies wird von den verantwortlichen Staats- und Regierungschefs bislang nicht einmal diskutiert. Die Rettungspakete bestehen bisher aus purer Geld- und Kreditschöpfung. Dieser unsere freiheitliche Wirtschaftsverfassung gefährdende Schneeball aus ungedecktem staatlichen und schlechten Geld durch die vermeintlichen Rettungspakete wird immer größer. Das Schneeballsystem wird früher oder später zusammenbrechen. Wir müssen deshalb über eine neue Geldordnung nachdenken.” Weiter fordert Frank Schäffler freie Wahl zwischen  staatlichem und anderem Geld: “Da niemand freiwillig schlechtes Geld hält, wird der sich entwickelnde Währungswettbewerb die privaten, aber auch die staatlichen Geldproduzenten dazu anhalten, besseres Geld zu produzieren. Die Produktion von schlechtem Geld und die Verschlechterung von gutem Geld wird von den Menschen aufgrund ihrer freien Wahlmöglichkeit zwischen unterscheidbaren privaten und staatlichen Währungen, also aufgrund ihrer Konsumentenfreiheit, sofort durch Abwanderung zu konkurrierendem Geld bestraft werden.”

Sie haben richtig gelesen. Offensichtlich bewegt sich etwas im Lande. Der Wettbewerb der Systeme wird ausgerufen und er macht vor keinem Bereich des täglichen Lebens halt. Ob das Gesundheitssystem (faires Nebeneinander und Wettbewerb der Schulmedizin und der Naturheilverfahren, wie in der Schweiz 2009 durch Volksentscheid beschlossen) oder die Energieversorgung (Bürger-Energiegenossenschaften konkurieren mit verantwortungsresistenten Atomstromproduzenten, die die Kosten für die Entsorgung des Atommülls der Allgemeinheit aufbürden), oder die Bio-Landwirtschaft, die die Naturgesetze respektiert und den Boden bewahrt, statt die Gefahren der Gentechnik kleinzureden, ohne auch nur eine Spur persönlicher Verantwortung hierfür tragen zu wollen, so wie es die Bundestagsabgeordnete Frau Christel Happach-Kasan (auch FDP) auf Kosten des Steuerzahlers praktiziert. Usw., usw.

Ein neues System muss her, daran zweifeln selbst unsere Beamten nicht mehr, weil sie die blanke Existenzangst umtreibt, seit klar ist, dass ihre Beamtenpensionen durch keinerlei nennenswerte Rücklagen gedeckt sind und nur auf dem Papier stehen.
Schlussendlich ist der Souverän gefragt, der, keinesfalls dumm, wie immer behauptet, allenfalls noch nicht ausreichend gebildet, den Wettbewerb der Systeme befeuert, indem er die Seiten wechselt. Diese Entwicklung  wird sich wie in einer Sanduhr z.B. im Internet abbilden und ihren Höhepunkt in der Umsetzung des Artikels 146 des Grundgesetzes finden, der da lautet: 
“Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.”

 


Inflation und Geldentwertung:

Seit Januar 1999 bis Januar 2010 ist das Wirtschaftswachstum in der Eurozone um ca. 40 Prozent gestiegen. Die Geldmenge hat sich in diesem Zeitraum nahezu verdoppelt.

Legt man die Differenz zwischen Geldmengenausweitung und Wachstum als Maßstab für die tatsächliche Inflation im Zeitraum von 11 Jahren zugrunde, lag die Geldentwertung im Durchschnitt bei 5,45 Prozent pro Jahr.

 

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Geschäftsführer des One World Verlages und Herausgeber des SEIN-Magazins

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Eine Antwort

  1. juko

    Ich bin froh, diesen Artikel gelesen zu haben. Es mag profan klingen, aber ich wohne nahe der Landesbausparkasse und erlebe im kleinen deren Gedankengut. Wie sie alles wegplanieren, wie jegliches Grün verschwindet. Grossgewachsene Pappeln gefällt werden, damit nur noch Autos Platz finden. Das Bäume gefällt werden sollen, weil der Staub der Blüten die grossen Karosserien dieser Bänker beschmutzen könnte. Blüten auf ihren Karosserien, undenkbar. In welcher Welt leben diese Menschen? Sie wollen alles unter Ihrer Kontrolle haben, nur was ihnen richtig erscheint wird gemacht, gerne vergehen sie sich an der Natur, als würden sie nichts von Klimaerwärmung, Ozeanverschmutzung wissen. Es geht ihnen nicht um das Gemeinwohl. Sie kümmern sich nicht darum, dass Bäume durch Photosynthese aus CO2 Sauerstoff machen, eben die Luft, die wir zum Atmen benötigen. Ja, für mich sind es diese Art von „Menschen“, die unsere Demokratie ausser Kraft setzen, Gesetze unterlaufen nur zu ihrem Vorteil. Aber haben sie nicht dabei vergessen, dass es das Geld der Bürger ist, das auf Ihren Banken liegt, mit denen sie herumspielen, unseriöse Geschäfte machen. Warum ihnen nicht einfach das Geld entziehen? Kein Geld mehr übergeben zum spekulieren nach ihren Regeln. Das würde doch sicher sehr schnell zu einem Systemwechsel führen. Wir behalten das Geld solange unter unserer Matraze, bis sich eine moralisch, ethische Lösung gefunden hat oder legen es anderweitig sinnbringend an. Eine sicher kühne Vorstellung, aber warum eigentlich nicht.

    Ich persönlich möchte nicht erleben, dass etwas eintritt, wie nach der Weimarer Republik, aber leider bereiten diese Bänker, Multies etc. den Boden, auf dem sich solches Gedankengut wieder entwickeln kann. Noch gelingt es ihnen, die Masse der Menschen für dumm zu verkaufen, noch sind sie willige Konsumenten in jeglicher Hinsicht. Noch nehmen sie in Kauf betrogen und belogen zu werden. Noch übernehmen sie keine Verantwortung zur Mitgestaltung einer Demokratie. Noch lassen sie es für sich richten. Noch…!

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