Über das geheime Leben der Pflanzen, Vernetzung, das Bewußtsein der Steine und das „sogenannte Übernatürliche“.

Aus einem Gespräch zwischen Mathias Bröckers und Wolfgang Rühle
im Hanfhaus Berlin-Kreuzberg, Januar 1999.

Wolfgang Rühle: Was mich seit einiger Zeit beschäftigt ist ein Gedanke, der ja auch in deinem Buch*) auftaucht: Ist eine Pflanze eine Wesenheit, so wie auch Tiere und Menschen als Wesenheit angesehen werden können?

Mathias Bröckers: Also, erst mal muß ich sagen, daß ich auch noch keinen Faun und noch keinen Waldgeist gesehen habe. In meinem Garten und auf meinem Kreuzberger Balkon, wo ich so allerlei züchte, ist mir leider noch keiner begegnet. Und ich bin nun auch nicht der mit dem supergrünen Daumen, da geht es mir wie dir.
Mir hat aber schon vor einigen Jahren eine Pflanze selbst, ein Pilz, dabei geholfen, mit meinem Verständnis und meinem Bewußtsein tiefer in das Reich der Pflanzen und der Natur  einzudringen, als ich das sonst gekonnt hätte. Ich habe dabei unter einem Baum gesessen und auf einmal fing der Baum an, mit mir zu reden und seitdem habe ich eine Vorstellung davon, daß es etwas Reales ist, wenn zum Beispiel der Heilige Franziskus mit Tieren und Pflanzen geredet hat.

Wolfgang Rühle: Es ist in der Zwischenzeit ja sogar wissenschaftlich nachgewiesen, daß Pflanzen auf menschliche Zuwendung reagieren. Darüber steht auch eine Menge in deinem neuen Buch…

Mathias Bröckers: Das bekannteste Beispiel ist ja der Backster-Effekt. Cliff Backster war ein ganz biederer CIA-Beamter, der den Lügendetektor entwickelt hat und in den fünfziger Jahren gelangweilt in seinem Büro rumsitzt und denkt: Da hinten steht ein Gummibaum oder irgend so eine Zimmerpflanze. Schließ ich doch meinen Detektor mal an. Und ohne etwas zu tun, als er nur den Gedanken faßt,  ein Streichholz unter ein Blatt dieser Pflanze zu halten, schlägt der Zeiger aus.
Ich denke, es ist eines der ganz wichtigen Dinge, ohne die wir die Welt heute gar nicht mehr wahrnehmen und verstehen sollten, daß auch Pflanzen Bewußtsein haben – und daß letztlich alle Materie, also auch Steine Bewußtsein haben.

Wolfgang Rühle: An dieser Stelle muß man wohl den Begriff des Bewußtseins etwas näher definieren. Wenn ich es richtig verstehe, meinst du Bewußtsein hier im umfassenden Sinne, also fast als Synonym für ”lebendig”. Und du meinst nicht ”Bewußtsein” im Sinne einer Fähigkeit zur Selbst-reflexion, denn das können Pflanzen wahrscheinlich nicht.

Mathias Bröckers: Das können Pflanzen wahrscheinlich nicht, wobei man da auch nicht sicher sein kann. Terence McKenna (der bekannteste Erforscher psychedelischer Pilze) hat mir eine Geschichte erzählt. Der Pilz, der aus der Erde rausguckt, ist ja nur der Fruchtkörper. Der eigentliche Pilz ist ein Rhizom, das unterirdisch wächst, und das wächst über Quadratkilometer und Quadratkilometer und ist vernetzt in einer Komplexität und Dichte, gegen die selbst unsere neuartigen Supercomputer eine Lachnummer sind. Ein Pentium III Prozessor ist nichts gegen die Geschwindigkeit, die in diesem Netzwerk, dem Pilznetzwerk kursiert. Die Chaostheorie sagt uns: Intelligenz und Bewußtsein sind nicht unbedingt etwas, was ein großer Geist einhustet; sie entstehen durch Komplexität und Vernetzung, das ist ein Gruppenphänomen, ein Mannschaftssport könnte man sagen. Es müssen genügend Einzelteile auf eine genügend komplexe Weise vernetzt sein, und schon entsteht etwas Neues, schon denkt auf einmal das Ganze. Und insofern kann man durchaus auch der Materie insgesamt Bewußtsein zugestehen. ”Auch der Stein hat Bewußtsein” wie etwa Meister Eckart oder andere Mystiker sagen, die sich tief versenkt und das dann irgendwann erkannt haben.

Wenn man das, was uns die neue Komplexitätsforschung sagt, ernst nimmt, dann kann man auf einmal auch das verstehen, nämlich daß der Stein ein aus vielen Molekülen vernetztes Ganzes ist, was natürlich auch ein Bewußtsein hat, nur nicht in unserem Zeitrahmen. Der Biologe Freeman Dyce sagt es in dem schönen Satz: in einem Zeitraum von 10 hoch 23 Jahren verhält sich jedes Bergmassiv wie eine Flüssigkeit

Wolfgang Rühle: Ich kenne diese meditative Erfahrung, sich ganz in die Vorstellung einer Welt ohne den Faktor Zeit zu begeben. Und wenn man den Faktor der Zeit herausnimmt, löst sich der Unterschied zwischen Geist und Materie vollkommen auf. Dieser Tisch hier zum Beispiel erscheint uns fest, stellt man sich die ”Bewegung” dieses Tisches innerhalb von ein paar hundert Jahren vor, so wird er ganz langsam seine Form verlieren und ist – nur in einer anderen Größenordnung – immer in Bewegung. Unsere menschliche Wahrnehmung ist eigentlich nur zu träge, das zu sehen.

Mathias Bröckers: Genau, dann ist ein Stein auf einmal auch wie eine Flüssigkeit. 10 Milliarden Jahre fließt der jetzt und hat in diesem Moment die Form, die wir sehen. Es ist wie eine Welle im Meer.
Wenn man die Erkenntnisse der Quantenphysik und der Chaosforschung über die Zusammenhänge und die Komplexität in der Natur ernst nimmt, dann wird auf einmal so ein Satz wie: ”Bewußtsein und Geist regiert die ganze Materie” – was man vielleicht vor 50 Jahren noch als esoterische Hypothese hingestellt hat – auf einmal völlig logisch, selbstverständlich, ganz normal.
„Was ist Leben?“ Das wäre sofort die nächste Frage, wenn wir die Frage: „Was ist Bewußtsein“ geklärt haben. Auch die wird auf einmal hochinteressant, wenn wir die Forschungen im Bereich ”künstliche Intelligenz” anschauen, wo im Computer bestimmte Wesen, Ameisen oder sonstwas mit einem bestimmten Verhalten programmiert werden. Die schmeißt man zusammen in einen Topf und nach der Mathematik müßte vorhersagbar sein, was da abgeht. Sobald die Geschichte aber genügend komplex ist, sobald genügend Individuen zusammen sind und vernetzt sind, entsteht Evolution. Dann fangen die Einzelwesen an, sich zu verändern.

Wolfgang Rühle: Ein schönes Beispiel, um das selbst mal auszuprobieren ist ein Computerspiel mit dem Namen „Creatures”. Da zieht man solch kleine Wesen im Computer auf, gibt ihnen aus einer Auswahl bestimmte Dinge zu essen, spielt mit Ihnen, bringt Ihnen alles mögliche bei und je individueller und komplexer solch ein einzelnes Computerwesen ist, um so unvorhersehbarer wird seine Reaktion. Neulich habe ich gelesen, daß es ein Forschungsprojekt gibt, wo man mit solchen individuell geprägten ”Creatures” im Computer simuliert, wie eine Menschenmasse sich im Fall einer Panik im Fußballstadion verhalten wird, um eine optimale Verteilung der Notausgänge und ähnliches zu bauen.

Mathias Bröckers: Also, um zur Ausgangsfrage zurückzukommen: hat die Natur ein Ge-dächtnis, hat die Natur Geist, hat die Natur Bewußtsein? Die Technik, die sich in den letzten 20 Jahren mit dem Computer entwickelt hat, ermöglicht uns jetzt, alles mögliche zu simulieren. Und wir stellen fest, sobald wir leblose, wertlose, scheinbar völlig bewußtlose Einzelteile zusammenschließen und vernetzen, da entsteht auf einmal so etwas wie Geist. Geist ist, wie gesagt, ein Mannschaftssport und das ist eigentlich die wissenschaftliche Grundlage auch all der Phänomene, die ich in meinem Buch an den Grenzen der Wissenschaft untersuche und angucke – ohne eine definitive Antwort haben zu vielen Problemen. Was die Quantenphysik über die Beschaffenheit der Wirklichkeit sagt, ist seit 60 Jahren ungeklärt und paradox und es ist oft schwierig, damit umzugehen.

Wolfgang Rühle: Weil unser eingeschränkter Geist es eigentlich nicht fassen kann. Meine Erfahrung ist, daß wir uns gerne an eine Art von Logik und sogenanntem ”gesunden Menschenverstand” klammern, um die Dinge in unserem Leben klarzukriegen. Und wie will man etwas klarkriegen wie eine ”Wahrscheinlichkeitswolke”, eine Vorstellung, daß etwas ein Teilchen oder eine Welle sein kann, abhängig vom Beobachter…

Mathias Bröckers:
Sobald wir das abstellen, dieses Denken in Dualitäten und Logik, ist es kein Denken mehr im eigentlichen Sinne und unser Bewußtsein erweitert sich. Dann entwickeln wir Antennen und Sensoren, um die Wesenheiten von Pflanzen und aller anderen Dinge um uns herum überhaupt wahrzunehmen, das Leben als Ganzes wahrzunehmen. Vieles, was in Religionen, Weisheitslehren und in der Esoterik seit Jahrtausenden bekannt ist, wird von unserer heutigen Wissenschaft nach und nach bestätigt. Die Quantenphysik sagt im Grunde nichts anderes, als daß die Schöpfung und die ganze Realität überhaupt nichts dauerhaftes ist, sondern sich ununterbrochen neu manifestiert. Daß auch Materie nichts festes ist, sondern nur in der Struktur von Raum und Zeit – wie wir ja schon erörtert haben – so erscheint.

Wolfgang Rühle: Ich würde gerne nochmals zum Thema ”Wesenheit” zurückkommen. Als Menschen sind wir eine Wesenheit. Der einzelne Mensch ist dann die individuelle Ausformung des Wesens ”Mensch”. Und Tier und Pflanzenarten könnte man auch als ”Wesenheit” begreifen, auch in individuellen Unterschieden, allerdings weit weniger ausgeprägt als der Mensch.

Mathias Bröckers: Arthur Koestler hat ja den schönen Begriff ”Holon” erfunden, um so etwas wie Wesenheit als abgeschlossene Einheit zu definieren, die aber gleichzeitig nicht nur als abgeschlossenes System verstanden wird, sondern vernetzt ist mit dem Ganzen. Es ist genau dieser Zwischenzustand, also einerseits eine abgeschlossene Einheit zu sein und andererseits aber auch möglichst offen. Wenn ich zu offen bin, dann zerfließe ich, dann bin ich kein Individuum mehr, wenn ich aber zu „zu“ bin, dann bin ich isoliert und lebe eigentlich nicht mehr. Das gilt im biologischen Sinne und gilt auch im psychologischen.

Wolfgang Rühle: Das ist ein sehr interessanter Gedanke. Dasselbe Prinzip trifft zu für die Evolution wie auch für die Existenz des Einzelnen. Es geht immer um den lebbaren Balanceakt zwischen der Stabilität und Abgrenzung des eigenen Seins und dem Offensein, dem Vernetztsein. Zuviel Öffnen führt zur Zerstreuung, zum Verlust der Mitte, zuviel Abgrenzung führt zu Isolation und Tod.

Mathias Bröckers: Durch die Aufklärung haben wir uns aus dem Bezug zum Ganzen rauskatapultiert. In ziemlicher Überheblichkeit hat der Mensch in der Aufklärung ge dacht: wir haben’s jetzt verstanden. Es ist ganz interessant zu sehen, daß die Wissenschaft schon immer behautet hat, wir haben die Welt verstanden, wir haben’s kapiert und es fehlt uns nur noch ganz wenig, dann haben wir den Stein der Weisen. Stephen Hawking erzählt heute wieder genau dasselbe. Es fehlen noch irgendwie drei kleine Kommas an meiner Formel, dann haben wir vom Urknall bis heute alles Wissen zusammen. Und können das Universum erklären. (…)
McKenna sagt, um die Natur zu verstehen brauchen wir so natürliche Hilfsmittel wie die Pilze, denn von alleine können wir das nicht. (…) Letztlich geht es darum auf eine neue Art und Weise über unseren Verstand hinauszugehen. Wir müssen bewußtseinsmäßig unsere Antennen wieder öffnen. Wir sind einfach auch zugekleistert worden in den letzten 200 Jahren und wir müssen uns jetzt wieder ein bißchen entkleistern und dazu ist vielleicht so ein Revival des Archaischen, sind solche alten Ideen und Methoden, eben auch mit Pflanzen, mit Atmen oder sonstigen Techniken, ja als Erkenntnismethoden ganz gut…  Die Aufklärung hat ja als einzige Erkenntnismethode den Maßstab des Verstandes zugelassen.

Wolfgang Rühle: Wenn man die Pflanzen als Wesenheiten ernstnimmt, kommt man zu einem ganz anderen Verhältnis zu seiner Umwelt und Mitwelt.

Mathias Bröckers:
Ja, da gehört ja auch Empathie, Liebe, Gefühl dazu. Das kann man im Gartenbau ganz einfach sehen, es ist vielfach nachgewiesen, daß Pflanzen durch Zuwen- dung besser wachsen.

Wolfgang Rühle: Oder zum Beispiel Findhorn…

Mathias Bröckers: Ja, die mit den riesigen Kohlköpfen auf unfruchtbarem Boden, die ihnen von den kleinen Erdgeistern produziert werden. Aber das kann jeder auf seinem Balkon machen: Wenn man zwei Tomatenstauden hat, die eine einfach nur gießt und behandelt wie mans eben behandelt und die andere liebevoll und mit Sympathie: mit diesen Tomaten sprechen, die einzelnen Pflänzchen streicheln, nicht nur Wasser und Licht zukommen zu lassen, sondern auch positive Gefühle – es ist einfach erwiesen, daß die positiv behandelten Tomaten 15%-20% mehr Ertrag bringen als die ignorierten. Das funktioniert.

Wolfgang Rühle: Wenn ich die Erde als Lebewesen wahrnehme und Tiere und Pflanzen als bewußte Wesen, dann folgt daraus ein anderes umgehen mit der Welt, als wenn ich den Menschen als Krone der Schöpfung sehe und alles andere als mehr oder weniger unwichtig.

Mathias Bröckers: Wir sind weniger die Krone der Schöpfung als viel eher die Läuse im Pelz von einem riesigen Lebewesen, das uns ernährt seit Milliarden von Jahren, das uns von der Ursuppe hat hochkrabbeln lassen bis jetzt zum multiplen, computergesteuerten Internetuser. Diese 4 Milliarden Jahre, die wir hier heimisch sind, die können zu Ende sein für uns, wenn wir nicht unser Verhalten ändern.

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