Interview mit Marika Heinemann über den Tanz der 5Rhythmen

„Zwischen dem Kopf und den Füßen eines jeden Menschen ist jede Menge unerforschte Wildnis.“
Gabrielle Roth

Das Tanzen der 5Rhythmen ist bewegte und ­bewegende Selbsterfahrung. Es ermöglicht über äußeres Bewegen das Innere zu bewegen. Es hilft dabei, sich im Jetzt bewusst zu werden und alles, was in uns wohnt, in Harmonie zu bringen. In der Hingabe an den Tanz schaltet sich das Denken ab. In diesen Momenten sind wir mit uns und der Welt verbunden. Lydia Poppe sprach mit der 5Rhythmen-Lehrerin Marika ­Heinemann über den Hintergrund dieser Methode.

Was bedeuten die 5Rhythmen für dich?

Mein Leben war ein ständiges Suchen nach Erfüllung, Liebe und Zugehörigkeit. Ich war eine Einzelgängerin und habe nach einem Stamm, einem Tribe, gesucht. Tanzen und Musik nahmen dabei schon immer einen großen Platz in meinem Leben ein. Als ich schließlich die 5Rhythmen entdeckte, habe ich gespürt: Hier bin ich zu Hause. Mein Leben veränderte sich nachhaltig. Bewegung und Rhythmus bekamen nochmals eine andere Intensität und vertiefte Bedeutung. Präsent zu sein für eine Bewegung, meinen Atem, eine Idee, Intuition oder mein Gegenüber – das war neu für mich. Der Tanz half mir, zu erspüren, was im jeweiligen Moment in meinem Leben ansteht, wie ich mich weiterbewegen will und welche Lösungen und Losungen mein Körper für die Wellengänge des Lebens für mich bereithält.

Geht es dabei um eine Befreiung des Körpers?

Wir sind ja in Körpern geboren, die flüssig und frei sind. Doch dieser Zustand ist für die meisten von uns von kurzer Dauer. Urteile, emotionale Wunden, Angst und Verlust werden tief innerhalb unserer Muskeln und Knochen gespeichert, was sich auf den körperlichen Zustand auswirkt: verspannte Schultern, unbewegliche Wirbelsäule, Herzen, die verhärtet und verborgen gehalten werden. Wenn wir den Körper bewegen, schütteln wir fest eingewurzelte Systeme der Gedanken, alte Muster des Verhaltens und emotionale Reaktionen auf, die einfach nicht mehr funktionieren. Rhythmus, Atem, Musik und Bewegung werden Werkzeuge für das Erkennen und das darauf folgende Loslassen der Gewohnheiten, die uns davon abhalten, so zu sein, wie wir sind.

Wenn wir den Körper befreien, beginnt sich das Herz zu öffnen. Wenn der Körper und das Herz Freiheit schmecken, wird der Geist nicht weit hintenanstehen. Und wenn wir die Seele in Bewegung setzen, wird sie anfangen, sich selbst zu heilen.

Durch das Tanzen geschieht also eine Befreiung auf allen Ebenen?

Ja. Jeder von uns ist ein Raum des göttlichen Geheimnisses. Und obwohl wir die meiste Zeit auf der Oberfläche verbringen in den täglichen Details der gewöhnlichen Existenz, hungern die meisten von uns danach, mit diesem Raum im Inneren in Verbindung zu treten. Wir leben heute in einer Zeit, die dominiert wird durch den Rhythmus „Chaos“. Sich damit zu bewegen, ist eine Überlebenskunst, die es zu lernen gilt. Es ist unsere Verantwortung, das Chaos zu kennen, sich wohl damit zu fühlen, all seine Lehren anzunehmen und sie an künftige Generationen weiterzugeben. Wenn wir zentriert sind, ist es egal, was in der Welt los ist – in der inneren und äußeren Welt –, wir können lernen, unser Gleichgewicht zu halten.

Was bewirken die 5Rhythmen in der Praxis?

Die 5Rhythmen wurden von Gabrielle Roth in den 60er Jahren in den USA entwickelt, basierend auf fünf elementaren Rhythmen des Lebens: Flowing, Staccato, Chaos, Lyrical und Stillness. Während ihrer Arbeit in einer Psychiatrie entdeckte sie einen Weg, die Patienten mittels Bewegung aus ihrer Lethargie, Konfusion und Anspannung zu bringen. Daraus entwickelte sie diese Meditation in Bewegung. Und dieses Werk, in den sechziger Jahren geboren, ist jetzt gereift zu einer zeitgenössischen Bewegungspraxis, die ihre Wurzeln tief in der Erde hat und ihre Flügel auf der ganzen Welt ausbreitet.

Jeder einzelne Rhythmus hat seine eigene Energie und repräsentiert eine besondere Qualität des Seins. Hintereinander getanzt ergeben sie eine energetische Welle. Diese Welle bietet in ihrer Ganzheit den Rahmen für die körperorientierte Erforschung des aktuellen Daseins. Es gibt keine speziellen Schritte oder Bewegungen zu lernen – wir folgen der Welle, die den Körper einlädt, sich in verschiedenen Mustern, Verfassungen, Niveaus und Energien zu bewegen. Es gibt kein Richtig oder Falsch, wir „lauschen“ auf das, was unser Körper und jeder einzelne Körperteil erzählen wollen. Es geht darum, das in deinen Tanz zu bringen, was jetzt in diesem Augenblick für dich stimmt, was dich bewegt, was bewegt werden will und bis jetzt noch nicht in Bewegung kam.

Unsere Körper sind „Ablagerungskästen“. Alles, was wir je erlebt haben, steckt in unseren Zellen. Viele dieser Erinnerungen blockieren unser Dasein. Bei den 5Rhythmen bringen wir diese Zellerinnerungen in Bewegung, wodurch Heilung entsteht. Die Blockaden lösen sich auf und die Lebensenergie kann wieder fließen. Die Praxis bringt die Menschen raus aus dem Kopf, rein in die Füße, in die Hände, in die Hüften – rein in den Körper. Dein Tanz beginnt immer da, wo du körperlich, psychisch und emotional gerade bist.

Was genau passiert in den einzelnen Phasen?

Durch Flowing entdecken wir unsere schamanischen Füße – Füße, die auf die Erde hören, mit ihren Sohlen die Haut der Erde streicheln und sich durch ihr Lied bewegen. Wenn wir aufrichtig zuhören, was in uns los ist, und das in die Bewegung bringen, sind wir mit dem Körper als dem Tempel unserer Meditation verbunden. Die Wiederverbindung mit unserem Körper schafft Bewusstsein und Präsenz. Von dort können wir uns die Erlaubnis geben, das, was auftaucht, zu bewegen und ihm Raum zu geben. Wir werden völlig empfänglich, flüssig und weich, um uns mit der kommenden Energie zu bewegen. Dieser fließende weibliche Rhythmus bringt uns nach Hause in unseren Tempel.

Wenn wir uns die Erlaubnis geben, uns durch Bewegung auszudrücken und mit der Außenwelt zu kommunizieren, befreien wir die männliche Stakkato-Energie. Sie kommt aus dem Herzen und schafft Klarheit und Grenzen, verbindet uns klar und direkt mit der Liebe und Leidenschaft. Wir treten vor und zeigen aufrichtig, wer wir sind. Wir entdecken unser Herz in den Hüften und eine riesige Heiligkeit in Kopf und Händen, die sich aus unseren Wurzeln erstreckt. Wir entdecken, dass der Geist uns bewegt, jeden von uns, alle.

Wenn wir uns die Erlaubnis geben, sämtliche Bilder oder Gedanken, die unserem wahren Selbst im Wege sind, im Chaos loszulassen, sind wir imstande, sie im Lyrical umzugestalten. Die Stille zeigt sich dann als ein Platz, wo wir bleiben, wo wir heilen dürfen.

Jeder Rhythmus ist ein dynamischer Zustand des Seins. Die Fünf Rhythmen sind eine riesige, dynamische und komplette Praxis, die in mehrere Stufen eingeteilt ist. Wie tief du in die Praxis eintauchst, liegt an dir. Der Tanzpfad beginnt mit der ersten Stufe, den „Waves“, der Grundlage der Praxis. Hier liegt der Fokus darauf, den Körper als Einheit mit dem Geist zu erleben. Wir entdecken unsere Füße und lernen, den Atem nicht mehr anzuhalten. Wir verstehen, dass das Leben Energie in Bewegung ist, die uns von allen festen Vorstellungen über Menschen, Orte, Gegenstände oder Ideen befreit.

In der zweiten Stufe, „Heartbeat“, arbeiten und erforschen wir unsere Emotionen als Energie, als Power, als Teil von uns als Menschheit. Wir lernen, alte Gefühle, die in unseren Gliedern festsitzen oder in unserer Brust gefangen sind, abzuschütteln. Wir befreunden uns mit unseren Gefühlen, anstatt an ihnen zu hängen oder sie wegzudrücken. Das Ergebnis ist, dass wir fühlen, wann unser Herz offen und wann es zu ist und was das alles mit Liebe zu tun hat.

In der dritten Stufe, „Cycles“, geht es um unsere Lebenszyklen, unser eigenes Leben, unsere Geburt, unseren bevorstehenden Tod und alles, was dazwischen liegt. Wir schaffen Verbindungen, lassen Verletzungen und Demütigungen gehen, um die Menschen und Ereignisse wieder ehren zu können, die geprägt haben, wer wir sind. In „Mirrors“ schließlich geht es um unser Ego und wie wir alle von endlos aufbereiteten Rollen besetzt sind. Wir können lernen, sie zu erkennen, sie zu benennen, zu verkörpern, sie in einer Art rituellem Theater zu übertreiben, um Heilung und liebevollen Umgang mit ihnen zu erlangen.

Wenn du die Bedeutung der 5Rhythmen für dich in wenigen Sätzen zusammenfassen würdest – wie würden sie lauten?

Die 5Rhythmen schaffen den Raum, in dem ich mir die Erlaubnis geben kann, meinen persönlichen Pfad zu tanzen und Körper, Herz, Geist und Seele zu heilen, um ein freier Geist zu werden. Das Gefühl, bei mir anzukommen, lässt mich immer wieder ruhig und gelassen werden. Der einzige Platz, um zu sein, ist genau hier in meiner Haut – darum geht es für mich bei den 5Rhythmen.

Vielen Dank!

Das Interview führte Lydia Poppe.


 Workshops

Berlin: „Self Love“ – 7.-8.3.2015  
Potsdam: „YES!“ – Tagesworkshop am 20.6.2015
Anmeldung und weitere Termine in Berlin, Dresden, ­Korfu, Basel auf www.5rhythms-­mahe.de

Eine Antwort

  1. Dieter
    Gleichgewicht durch Tanzen

    Tolles Statement .. zum mitmachen einladend! Danke, Marika! Meine Lieblingsstelle daraus: Zentriert können wir, egal was in der inneren und äußeren Welt los ist, unser Gleichgewicht halten. ?

    Antworten

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