Das „Honig-Urteil“

Anfang September hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass Honig nicht in den Verkehr gebracht werden darf, wenn er Spuren von nicht als Lebensmittel zugelassenen Gentechnikpollen enthält. Das Bündnis zum Schutz der Bienen vor Agrogentechnik, das den klagenden Imker unterstützte, möchte auf Basis dieses Urteils nicht nur Schadensersatzansprüche für Imker, sondern auch Schutzzonen durchsetzen, die den Flugradius der Bienen berücksichtigen. Damit wäre dem Gentechnik-Anbau in Europa praktisch ein Riegel vorgeschoben. Das Bündnis, dem der Deutsche Imkerbund DIB, der Deutsche Berufsimkerbund DBIB sowie mehrere Ökoverbände angehören, wurde von Thomas Radetzki, Vorstand von Mellifera e. V., initiiert und organisiert. Hier ist seine Stellungnahme zu dem wegweisenden Urteil.

 

Imker Karl Heinz Bablok hat sich erfolgreich gegen den Eintrag von Pollen des Genmaises MON 810 in seinen Honig gewehrt. Schon im Jahr 2005 wurde Pollen dieser Pflanze, die nicht als Lebensmittel zugelassen ist, in seinem Honig gefunden. Nachdem das Verwaltungsgericht Augsburg 2008 feststellte, das sein Honig mit solch einer Verunreinigung nicht verkehrsfähig ist, musste er die gesamte Ernte vernichten und klagte gegen das Land Bayern auf Schadensersatz. Er konnte den Gang durch die gerichtlichen Instanzen wagen, weil er dabei vom Bündnis zum Schutz der Bienen vor Agrogentechnik unterstützt wurde.

Das wegweisende Urteil des EuGH, des Europäischen Gerichtshofs, ist nur im großen europäischen Ringen um die Zukunft unserer Landwirtschaft angemessen zu bewerten. Die Gentechnik ist ein weiterer Intensivierungsschritt weg vom bäuerlichen Betrieb hin zu einer industriellen Produktion mit destruktiven sozialen und ökologischen Folgen sowie gesundheitlichen Risiken. Die Richter sind sich dieser Situation zweifellos bewusst gewesen und haben einem enormen Druck von Lobbyisten und Politikern standgehalten. Mit dem Stopp jeglicher Verunreinigung von Honig durch nicht als Lebensmittel zugelassene gentechnisch veränderte Organismen haben sie die sogenannte „Nulltoleranz“ für alle Lebensmittel aufrechterhalten, die die EU-Kommission schon kippen wollte. Diesen Dammbruch haben die Richter glücklicherweise verhindert.

Honig, der in diesem Jahr in Deutschland geerntet wurde, ist in aller Regel gentechnikfrei. Denn der Genmais MON 810 darf hierzulande seit 2009 nicht mehr angebaut werden. Nur die gentechnisch veränderte Stärkekartoffel „Amflora“ hat in Europa noch eine Anbauzulassung. Sie wird in Deutschland derzeit nur an einem Standort angebaut. Außerdem gibt es hierzulande auf kleinen Flächen sogenannte „Freisetzungen“ genetisch veränderter Pflanzen zu Forschungszwecken. Jeder Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen wird in Deutschland in einem Anbauregister grundstücksgenau eingetragen. Das Register ist im Internet öffentlich zugänglich, so dass jeder Imker einfach feststellen kann, ob es im Flugradius seiner Bienen gentechnisch veränderte Pflanzen gibt. Wenn dies nicht der Fall ist, kann eine Verunreinigung mit gentechnisch verändertem Pollen ausgeschlossen werden. Für Honig aus anderen EU-Staaten und mehr noch aus Ländern außerhalb der EU ist ein weitergehendes Risikomanagement nötig, weil dort in größerem Umfang genetisch veränderte Pflanzen angebaut werden und die Standorte teilweise nicht so genau und öffentlich zugänglich registriert sind wie in Deutschland. Für alle Länder gilt jedoch, dass im Grunde genommen kein Bauer und keine Versuchsanstalt mehr riskieren kann, gentechnisch veränderte Pflanzen anzubauen, die keine Zulassung als Lebensmittel haben, weil die Schadensersatzforderungen der Imker unkalkulierbar und auch nicht versicherbar wären. Damit ist die Gentechnik praktisch „vom Acker“.

Es ist jedoch zu befürchten, dass sich Monsanto ebenso wie Gentechnik-Lobbyisten in Wirtschaft und Politik mit allen Mitteln dagegen wehren werden. Bei einem Treffen Anfang Oktober im Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz hat der ökölogische Imkerverband Mellifera e. V. zusammen mit anderen Imkerverbänden gefordert, dass im Rahmen der laufenden Novellierung der Gentechnik-­Pflanzenerzeugungsverordnung klare Schutzvorschriften für die Imkerei aufgenommen werden – beispielsweise Mindestabstände, die den Flugradius der Bienen berücksichtigen. Nach den bisherigen Gesprächen ist jedoch von der Bundesregierung leider nicht zu erwarten, dass diese Schutzmaßnahmen, die übrigens auch 2007 vom Bundesrat gefordert wurden, tatsächlich geschaffen werden. Deshalb dürfte nun noch ein Gang durch die Instanzen bis zum Bundesverwaltungsgericht nötig werden.

Die Finanzierung der juristischen Auseinandersetzungen ist aus steuerrechtlichen Gründen völlig von unserem Verein Mellifera e.V. getrennt. Die Gelder des Bündnisses werden von einem Notar verwaltet und dienen ausschließlich dazu, die klagenden Imker von den Verfahrenskosten freizustellen. Bisher sind Kosten in Höhe von nahezu € 150.000,- entstanden. Dem stehen Zuwendungen von € 128.000,- gegenüber. Der Differenzbetrag sind unbeglichene Rechnungen. Die abschließenden Instanzen werden weitere Kosten verursachen. Wir können dies nur schaffen, wenn viele Menschen mithelfen – so wie die Bienen kleine Nektartropfen einsammeln und in einen Topf geben.


Treuhandkonto für Verfahrenskosten
bei Notar Maier, Stichwort „GVO Rechtshilfe“
Leider ist keine Spendenbescheinigung möglich.
Konto Nr. 452 162 050 BLZ 642 920 20,
Voba Schwarzwald-Neckar,
Ausland: BIC GENODES1SBG   IBAN: DE22 6429 2020 0452 1620 50


Abb: Mellifera e. V.

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