Ist das Grundeinkommen machbar? Welche Auswirkungen hat es auf die Gesellschaft? Antwort auf diese Fragen gibt jetzt ein Pilot-Versuch – und der wurde nicht etwa in Europa durchgeführt, wo man so etwas hätte erwarten, ja sogar verlangen müssen, sondern in Namibia. In Otjivero-Omitara, einer für ihre Armut und hohe Kriminalitätsrate bekannten Gemeinde wurde für knapp ein Jahr ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle Bürger unter 60 Jahren gezahlt. Für die über 60 jährigen griff der staatliche Pensionsanspruch, so dass diese Menschen mit dem Grundeinkommen doppelt versorgt gewesen wären. Die Ergebnisse des Versuchs waren „nicht weniger als spektakulär“ heißt es im Abschlussbericht des Versuchs der BIG-Coalition (Basic Income Grant) und sie belegen die vielfältigen positiven Auswirkungen eines Grundeinkommens erstmals auch empirisch.

 

Pilotversuch selbstgemacht

Die BIG-Coalition ist ein Zusammenschluss von Kirchen, Handelsgesellschaften, NGOs und AIDS-Hilfsorganisationen, die gemeinsam das Geld aufbrachten, um der Gemeinde ein Jahr lang das Grundeinkommen zahlen zu können. Unterstützung von der Regierung erhielt die Initiative nicht. Ein ambitioniertes Projekt also – und vielleicht eines, das Geschichte schreibt.

Ausgezahlt wurde ein Grundeinkommen von 100 N$ – ein sehr niedriger Betrag, denn die Grenze für absolute Armut liegt bei 152 N$ und wer mit weniger als 316 N$ pro Monat lebt, gilt schon als arm. Das ausgezahlte Grundeinkommen reicht also nicht mal ganz, um eine Hunger-Armut zu verhindern, so dass das Projekt kaum mit dem verglichen werden kann, was in Europa unter dem Begriff Bedingungsloses Grundeinkommen verstanden wird.

 

Die Auswirkungen des BGE

  • Die Anzahl der Menschen, die unter der Armutsgrenze leben, fiel von 76% auf 37%
  • Die Kriminalitätsrate sank um 47 %
  • Die Arbeitslosenquote sank von 60 % auf 45 %
  • Die Anzahl Existenzgründungen stieg um 11 %
  • Das Durchschnitts-Einkommen aus Beschäftigungen außerhalb des BGE stieg von N$ 118 auf N$ 152
  • Der Prozentsatz untergewichtiger Kinder sank von 42% auf 10%
  • Die Zahl der Kinder, die aus finanziellen Gründen nicht zur Schule gehen, sank um 42 %
  • Vorzeitige Schulabgänge reduzierten sich von 40 % auf 0 %

Grundeinkommen BildungAußerdem gab es zahlreiche Auswirkungen, die sich nicht in Zahlen ausdrücken lassen: Mehr Engagement in der Gemeinde, verbesserte Gesundheitsversorgung und aufmerksamere Schüler zum Beispiel.

Die Ergebnis sind bei genauerem Hinsehen wenig überraschend: Das ein Auszahlen von Geld die Armut reduziert, hätte man sich fast denken können. Dass dadurch auch die Kriminalitätsrate sinkt, ist auch nicht unbedingt Raketenwissenschaften. Dass ein so kleines Grundeinkommen jedoch so große Auswirkungen zu haben scheint, ist schon erstaunlich.

 

Machbar für ganz Namibia?

Grundeinkommen Namibia 2Die BIG-Coalition rechnet in ihrem Abschlussbericht vor, dass Namibia die finanziellen Ressourcen hat, um ein Grundeinkommen in dieser Höhe einzuführen, ohne den Staatshaushalt zu gefährden und verweist mit Hinblick auf die positiven Auswirkungen darauf, dass sogar eine Verbesserung des Haushalts nicht unrealistisch ist. Die Einführung ist also nicht eine Frage der Finanzierbarkeit, sondern nur des politischen Willens.

Dennoch: ein Modellversuch kann kaum die Auswirkungen im ganzen Land vorhersagen. Zum Beispiel befürchten viele Kritiker, dass die Mieten und die Pacht für Land im Anschluss an die Einführung eines BGE so sehr steigen würden, dass sie der Bevölkerung das Geld direkt wieder aus der Tasche ziehen und in die Hände der Großgrundbesitzer treiben würden.

 

Kritik

Grundeinkommen AuszahlungZunächst mal wurde der Bericht von der BIG-Coalition selbst verfasst und nicht von einem unabhängigen Institut, was ja immer keine gute Kombination ist. An der Glaubwürdigkeit der Ergebnisse besteht aus meiner Sicht trotzdem kaum Zweifel, da kein Grund ersichtlich ist, diese zu manipulieren.

Es gibt aber einen Punkt, der etwas übel aufstößt: Das BIG wurde zu Beginn nur in Verbindung mit einer biometrischen Chip-Karte und Fingerabdruckerkennung ausgegeben – da dürften bei Verschwörungstheoretikern alle roten Lampen angehen. Andererseits muss man den Initiatoren zu Gute halten, dass diese Chip-Karten erstens auch bei der Pension in Namibia schon üblich sind (und es daher nahe liegend war, das selbe System zu verwenden) und dass es zweitens auch kaum eine andere Lösung gibt. Das Problem zu Beginn war nämlich, dass viele Menschen in Namibia kein Bankkonto haben, auf welches das Geld hätte überwiesen werden können. Und wie sollte man die Ausgabe sonst regeln? Im Laufe des Versuchs bekamen jedoch alle Teilnehmer ein Konto bei der Post, von dem sie mit ihrem Pass das Geld abheben können.

 

Fazit

Der Versuch zeigt, dass gerade auch für arme Länder das BGE sicherlich eine gute Idee ist. Man muss aber auch ganz klar sehen, dass die Armut in diesen Ländern in der Ausbeutung durch die Industrieländer begründet ist und mit dem Grundeinkommen eher Symptome bekämpft werden. Andererseits versetzt vielleicht gerade ein Grundeinkommen die Bevölkerung dieser Länder in eine Position, in der Widerstand gegen diese Ausbeutung überhaupt denkbar ist. Denn wer um sein Überleben kämpft, fragt sich nicht an erster Stelle, warum die Ressourcen des Landes eigentlich nicht der Bevölkerung zu Gute kommen, sondern hat ganz andere Probleme.

Die positiven Erwartungen, die auch hierzulande an ein BGE geknüpft werden, haben sich in dem Versuch mehr als bestätigt. Mehr Initiative und Wohlstand, höherer Bildungsstand, bessere medizinische Versorgung, ein verbessertes soziales und kulturelles Leben waren selbst in sehr kurzer Zeit und mit einem sehr geringen Einkommen deutliche Zeichen dafür, welche positiven Auwirkungen das BGE hat.

Es wird Zeit, dass BGE mal „auf der großen Bühne“ auszuprobieren!

 

Quellen

Bild und Text: Big Assesment Report
weitere Text-Quellen: crookedtimber.org, Wikipedia

 

3 Responses

  1. Erhard

    Interessante Sache, auf jeden Fall. Was hier noch gezeigt wird ist, dass auch mit einem Grundeinkommen die Ausbeutung nicht zu beseitigen ist. Auch ist die geäußerte Kritik durchaus berechtigt.

    Was wirklich benötigt wird, ist der Wechsel zu einem anderen Geldsystem, einem natürlichen Geldsystem. Dann ist ein BGE nicht nur eine echte Bereicherung, sondern eine Notwendigkeit, denn bei einem natürlichen Geldsystem lässt sich Geld nicht horten, Geld wird nicht selber zur Ware und Zinsen gehören der Vergangenheit an.
    Schade, dass dies unter dem Sozialismus bzw. Kommunismus nicht erkannt wurde. Das Wissen war da (Silvio Gesell). Leider glaubte man, mit der Ökonomie des Kapitalismusses sozialistische Verhältnisse schaffen zu können. Das Privateigentum an Produktionsmitteln ist eben bei weitem nicht für die Abschaffung der Ausbeutung ausreichend.

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  2. Hassberg

    Eine sehr gute Zusammenfassung.

    Auch für Deutschland gilt: Es mangelt nur am politischen Willen. Das Bedingungslose Grundeinkommen ist die ideale soziale Ergänzung zur freien Marktwirtschaft.

    Nur wird leider jede Oppositionspartei verhindern wollen, dass der politische Gegner diesen wichtigen Weg erfolgreich beschreitet. Es muss mehr Druck aus der Bevölkerung kommen. Parteiübergreifend!

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