Das Land Ecuador hat der Welt ein Angebot gemacht: Es wird einen Großteil seiner Erdölreserven nicht fördern, sondern sie dort lassen, wo sie sind – unter dem Nationalpark Yasuní, dem Gebiet mit der größten Artenvielfalt auf der ganzen Welt. Aber dazu braucht das Land Hilfe von der Weltgemeinschaft.

Unterstützung zum Wohle des Ganzen

Da das Erdöl eine wichtige Größe für die Wirtschaft des Landes ist und Ecuador quasi seine Zukunft auf Spiel setzt, möchte sie dafür Unterstützung von der Weltgemeinschaft, die 50 Prozent des entgangenen Umsatzes auf ein Treuhand-Konto der UNO einzahlen soll. Was sich fast nach Erpressung anhört, ist eigentlich ein einmaliger Vorschlag: Wir sind bereit, aus dem Profit-Denken herauszutreten und unsere Erde zu schützen, aber wir brauchen eure Hilfe dabei. Länder, Organisationen, Institutionen und sogar Privatleute können in diesen Fond einzahlen, um Ecuador bei diesem Schritt zu helfen.

Und das Geld aus dem Treuhand-Fond wird gut angelegt: Ecuador möchte damit einen vollständigen Wandel in der Energieversorgung herbeiführen und sich völlig unabhängig machen von fossilen Brennstoffen. Ein starkes Signal an die Welt: Nicht nur werden 850 Millionen Barrel Erdöl unter der Erde bleiben und von den Industriestaaten nicht verbrannt werden können, das Land macht auch gleich noch vor, wie es anders geht.

Ganz auf das Geld verzichten kann Ecuador jedoch nicht – es braucht die Milliarden dringend, um sich zu entwickeln und seine hohen Ziele in puncto Umweltschutz zu realisieren – bisher ist das Land abhängig von Öl- und Dieselkraftwerken.

 

Das Öl unter dem Regenwald

Seit 1967 wird im Amazonasgebiet Ecuadors Erdöl gefördert – mit zum Teil dramatischen Auswirkungen auf die Natur und die indigenen Völker der Region. Doch seit sich Ecuador weitgehend aus dem Einfluss der USA befreit hat, wurde eine radikale Wende in der Politik vollzogen.

Ähnlich wie Bolivien hat Ecuador die Rechte der Natur in ihrer Verfassung verankert – ein juristisch neues philosophisches Konzept, dass der Natur eigene Rechte zugesteht. Außerdem wurde Wasser zu einem Menschenrecht erklärt und darf nie mehr privatisiert werden – dagegen muss beispielsweise in Berlin noch gekämpft werden.

Um ihrer Verfassung gerecht zu werden, sucht das Land nun nach unkonventionellen Wegen, ihre Visionen umzusetzen. Ein Projekt wie der Yasuní-ITT-Fonds ist dabei bisher einmalig in der Weltgeschichte, auch in seiner Ganzheitlichkeit. Denn hier wird nicht nur der Regelwald geschützt, wie in vielen anderen Projekten, es geht um die Transformation einer ganzen Gesellschaft, inklusive Umstieg auf erneuerbare Energien und vielen sozialen Projekten. Außerdem leben in dem Gebiet bisher unkontaktierte indigene Völker, deren Lebensraum für immer geschützt werden soll.

Yasuni ist eines der artenreichsten Gebiete auf der ganzen Welt, wie Ecuadors Botschafter Jorge Jurado im Interview mit Hintergrund erklärt:

„Dieser Nationalpark gilt als das Gebiet mit der reichsten Biodiversität in der Welt. Das ist durch mehrere Studien wissenschaftlich erwiesen. Dort leben auf einem Hektar mehr Arten von Pflanzen als in ganz Nordamerika zusammen, also dem nördlichen Teil von Mexiko, den USA und Kanada. Das Gebiet umfasst etwa eine Million Hektar.“

 

Internationale Unterstützung

Das Projekt will also ein Erbe der Menschheit sichern, weshalb sieht Ecuador den Fonds nicht als Hilfe, sondern als Kooperation wahrnimmt. Etwa 7 Milliarden Euro gehen Ecuador verloren. Ecuador selbst will davon die Hälfte tragen, also 3,5 Milliarden, die andere Hälfte erhofft sich Ecuador von anderen Spendern aus der Weltgemeinschaft.

Einige Länder wie Spanien, Chile und Italien haben bereits in den Fonds eingezahlt. Deutschland hatte eine Kooperation ebenfalls zugesagt, bis 2009 die Regierung wechselte und CDU und FDP dem Projekt eine Absage erteilten. Bisher ist zu wenig Geld eingegangen, als das Ecuador das Projekt starten könnte. Die Regierung sucht deshalb gerade nach Wegen, das Öl möglichst umweltfreundlich zu fördern, wenn auch widerwillig.

„Präsident Correa hat schon 2007 in der Generalversammlung der Vereinten Nationen gesagt, dass es der Wunsch unseres Landes ist, das Öl im Boden zu lassen. Er hat damals aber auch schon gesagt, dass Ecuador nicht auf das Geld für seine Entwicklung verzichten kann“, erklärt Botschafter Jorge Jurado das Dilemma.

 

Südamerika – ein Kontinent der Zukunft?

Es tut sich derzeit viel in Südamerika. Die immer enger werdende Staatengemeinschaft der südamerikanischen Länder überrascht seit Jahren mit einem großen Willen zur Kooperation und neuen politischen Ideen. Ecuador weigerte sich als erstes Land, die Zinsen für seine Auslandsschulden zurückzuzahlen, weil diese „umoralisch“ sein. Eine eigene südamerikanische Bank und eine gemeinsame Währung, die vom Dollar unabhängig machen soll, sind schon auf dem Wege. Und die neuen Verfassungen von Bolivien und Ecuador bieten einigen interessanten Diskussionsstoff, der auch oder gerade für die Menschen im Westen relevant ist.

„Was heute im Andenhochland an Mobilisierung entsteht, was in Venezuela oder Ecuador entsteht, das ist radikal neu. […] Die kreative, gemeinschafts- und solidaritätsschaffende Geschichte findet auf den Anden, in den 12 000 indianischen Stämmen, die Bolivien ausmachen, statt. In vielen Teilen Südamerikas wird Geschichte geschaffen, und wir sollten von ihnen lernen,“ rät Jean Ziegler.

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