Die Musiker Satyaa und Pari sind seit vier Jahren fester Bestandteil des Yogafestivals und berühren und bewegen mit ihren Konzerten Herz und Beine. Stefan Datt befragte sie zu ihrer Musik, ihrem Weg zu sich selbst und gelebter Spiritualität im Alltag. Gott ist tanzbar!

 

Pari, du bist ein Mensch, für den Spiritualität sehr wichtig ist. Wie würdest du die Begriffe „Yoga und Spiritualität“ erklären?
Es ist schon als ein großer Segen anzusehen, wenn ein Mensch sich überhaupt für sich selbst interessiert und herausfinden möchte, was seinem Leben Sinn, Freude und Erfüllung geben könnte. Meistens lebt man nur so vor sich hin und erfüllt Pflichten, läuft sogenannten Sachzwängen hinterher und nimmt sich nicht die Zeit innezuhalten. Die Suche nach mehr Stille, nach einem Sinn oder gar Erfüllung – hier und jetzt – führt zwangsläufig zu Methoden wie Yoga und allgemein zu Spiritualität. Yoga ist ein ganzheitlicher Weg, um zu sich selbst zu finden und sowohl körperlich wie emotional und geistig zu gesunden. Spiritualität drückt sich in allen Bemühungen aus, herauszufinden, „wer ich bin“ und Glück zu finden.

Seit es den Menschen gibt, sucht er – mit der Gabe des fragenden Geistes ausgestattet – nach seinem Ursprung und seiner wahren Identität. Dies ist nichts Neues. Alle Religionen und philosophischen Richtungen inklusive aller atheistischen Erklärungen basieren auf dieser Suche des Menschen nach seinem eigenen Selbst. Schon die ersten Fragen unserer Kinder sind Spiritualität in Aktion! Es ist das Grundrecht des Menschen, danach zu forschen, und dies sollte als solches anerkannt werden. Erst dies zeichnet ein menschliches Leben aus und kann es zu einer Feier und Freude am Hier-Sein werden lassen.

Was hat damals dein Interesse für Spiritualität geweckt? Und hattest du ein sogenanntes „Erwachen“?
Es gab einen inneren Durst, einen Drang herauszufinden, was dieses Leben bedeutet. Ich hatte keine sonderlichen Probleme und mein Leben verlief in ruhigen Bahnen. Es gab keine sonderlich „traumatischen“ Erlebnisse – nur immer dieser innere Drang, nach etwas zu suchen, von dem ich nicht mal genau wusste, was es sein könnte. Als ob da eine Ahnung war, dass „dies“ nicht alles ist. Ich entdeckte Yoga in den Mitt-Siebzigern – da war es noch nicht so modern und man bekam kaum Literatur darüber. Wie ganz von selbst fing ich an zu meditieren und verschiedene Asanas zu praktizieren. Jedes Mal konnte ich feststellen, dass ich mich besser fühlte nach so einer selbst zusammengestellten Yoga-Stunde.
Eines Tages erlebte ich bei einer Meditation etwas, was sich als ein Stillstand meines Geistes/Verstandes beschreiben ließe. Ich fühlte mich zwar nicht „erleuchtet“, aber extrem erleichtert! Diese Erfahrung hielt tagelang an, und danach wollte ich diesen Zustand irgendwie wieder haben. Aber es war unmöglich, ihn zu erzeugen. Ich war mit einem großen Paradoxon konfrontiert: Meine eigene unbeabsichtigte Abwesenheit war gleichzeitig eine wunderbare, erfüllende und zutiefst friedliche Anwesenheit von etwas anderem.

An diesem Punkt suchte ich nach jemandem, der mich verstehen und mir hier weiter helfen konnte. Es fing eine Suche an, eine Suche nach Meistern, bei denen ich nicht nur Antworten suchte, sondern einen Weg, in diesen wunderbaren Zustand zu gelangen. Da ich diese absolut merkwürdige Erfahrung gemacht hatte, hatte ich einen Geschmack davon und wollte mich nicht mit anderen Dingen aufhalten – lange Vorbereitungen, schwierige Übungen und Selbst-Kasteiungen zogen mich nie an, da ich wusste, dass die Lösung schon hier und ganz einfach sein muss. Nur stand mir meine eigene Erfahrung – obwohl so schön – als Erinnerung im Weg.

An diesem Punkt traf ich einen Meister: Papaji aus Lucknow in Indien. Die süße Erinnerung wich und gab den Raum frei für das lebendige Leben von Moment zu Moment. Ich kann nicht sagen, dass ich da „erleuchtet“ wurde, denn irgendwie war ich nicht anwesend, während eine enorme Präsenz anwesend war, die alles in mir verstummen ließ. Mittlerweile kann ich sagen, dass selbst diese andere Präsenz keine „unterschiedliche“ ist, es gibt nur diese eine. Ein Rätsel, ein Wunder geradezu, wie man es schafft, eine andere, eigene kleine Präsenz zu formen und dann innerhalb dieser nach allem Möglichen zu suchen. Nach Liebe, nach Gott, nach Glück. Wenn man es „Erwachen“ nennen möchte, könnte man es eine spontane Erkenntnis nennen, die Erkenntnis, dass es nur diese eine Präsenz gibt, ohne jemanden, dem sie gehört. Und diese Erkenntnis kann von niemandem erarbeitet oder gar erzwungen werden, weil sie bereits der Fall ist.

Du wirst auf dem Berliner Yogafestival, neben dem mitreißenden Konzert mit deiner Frau Satyaa, auch einen Satsang, also eine Art Vortrag geben. Weißt du schon, was du den Menschen dort sagen möchtest?
Das Gute am Satsang ist, dass er immer frisch ist, das heißt, es braucht weder Vorbereitung noch Nachbearbeitung. Jedes Mal sind die Menschen neu, ihre Fragen und Anliegen anders.

Es ist ja keine so ernste Angelegenheit, eigentlich sehr humorvoll, nach sich selbst zu suchen. Wenn man über sich selbst lachen kann, hat auch Gott eine Chance – er hat ja nicht erst das Leid geschaffen, um uns anschließend nach der Lösung suchen zu lassen. Wir sind wirklich Schöpfer von beidem: des Problems und der Lösung. Daher hat auch so ein Problem nicht ewig Bestand und die jeweiligen Lösungen eben auch nicht. Wie heißt es so schön: „zum Tango gehören zwei“. Was wir tun können, ist zu lernen, immer mehr zu entspannen, immer mehr die Schönheit dieses kleinen unschuldigen Moments zu erleben. So sehr zu entspannen, dass es nicht mehr so spannend ist, unlösbare Probleme zu besitzen und neue spannende Lösungen zu finden. Dann macht sich ein stilles Schmunzeln im Herzen breit. Jegliche Spiritualität besteht darin, unsere liebevolle Aufmerksamkeit auf Bewusstsein, auf das Gewahrsein, auf das Selbst, das „Ich Bin“ zu richten.

Was war das schönste Erlebnis deines Lebens, an das du dich erinnern kannst?
Oh, jetzt muss ich in meiner Foto-Galerie nachschauen… da gibt es viele schönste Erlebnisse, jedoch würde ich jetzt das schönste Erlebnis als das bezeichnen, woran ich mich nicht erinnern kann. Erinnerung ist wie ein schöner gepflegter Friedhof – nichts gegen schöne Friedhöfe, ich gehe gerne dort spazieren, da ist eine schöne Stille und viele schöne Blumen.

Viele Menschen meinen, dass wahrscheinlich der Moment des „Erwachens“, der Erleuchtung, der schönste Moment im Leben ist. Tatsache ist, dass Erleuchtung keine Erinnerung sein kann und in keinem Moment geschieht, das heißt, es ist ein spontanes Gewahr-Werden außerhalb von Zeit.

Satyaa und Pari: Wenn ihr beide auf der Bühne seid, berührt ihr die Herzen der Menschen so, dass viele mitsingen, tanzen oder zu Tränen gerührt sind. Wie kommt das?
Satyaa und ich singen zu den Herzen der Menschen, die zu unseren Konzerten kommen. Wir machen dies nicht als Projekt oder als Trick oder sonst etwas, sondern wir leben so.

Es ist eben keine Musik, die unterhalten soll, obwohl sie auch wirklich „die Zeit vertreibt“ – sie berührt die Sehnsucht im Herzen nach Stille, nach Einheit und Geborgenheit. Nach Gott.

Diese Sehnsucht hat nichts Heiliges an sich, sie ist höchst reell, menschlich, tanz- und singbar. Wir versuchen nicht die Menschen irgendwohin zu bringen, wo man sich gut fühlt, sondern hier und jetzt so zu lieben und zu leben, wie es unseren menschlichen Herzen entspringt. Gott, Liebe ist sing- und tanzbar! Dies ist der Weg des Bhakti-Yoga, des Yoga der Hingabe an Gott. Man braucht ihn nicht ergründen, sondern lediglich sein Herz für ihn zu öffnen. In dieser Hingabe offenbart sich die im Herzen wohnende Freude als das, was sich selbst so sehnlich sucht und sich manchmal auch in Tränen der Freude ausdrückt. Wir haben dies jahrelang bei unserem Meister in Indien getan, der uns vorgelebt hat, dass Wissen und Hingabe letztlich dasselbe sind.

Seit vier Jahren seid ihr ein fester Bestandteil und immer wieder ein Highlight auf dem Berliner Yogafestival. Was hat euch besonders gefallen?
Die Lebendigkeit und die einfache, menschliche Atmosphäre! Wir fühlen uns hier sehr wohl, weil das Berliner Yogafestival eine erfrischende Mischung aus Open-Air-Happening und vielen Angeboten mit wirklich interessanten Beiträgen zu Yoga und Meditation ist. Es gibt viele Veranstaltungen mit ähnlichen Themen, die sich sehr ernst darstellen, und man bekommt gleich ein schlechtes Gewissen, wenn man heute noch nicht an sich gearbeitet hat! Man spürt, dass es gut organisiert ist, ohne den Charakter von einem Live-Happening mit viel Raum für Spontaneität zu verlieren. Hier hat jede Richtung des Yoga ihre  Gleichwertigkeit, so dass die Atmosphäre entspannt bleibt. Wir lieben es, vor Leuten zu singen, die sich auch trauen zu singen und zu tanzen – und davon gibt es in Berlin mehr als genug!

Ihr wirkt auf der Bühne und privat durch und durch authentisch und entspannt. Gibt es für euch auch Dinge des „Alltags“, die euch schwerfallen oder über die ihr streitet?
Ja ja, der Alltag… hier entscheidet sich alles! Nun, da wir ständig im Alltag leben, erleben wir auch ständig Situationen, die mal mehr oder mal weniger angenehm sind. Viele Menschen möchten dem Alltag entfliehen – dabei ist er doch der einzige Ort, in dem Gott, die Wirklichkeit sich abspielt! Allein dadurch, dass wir nicht mehr an einen anderen Tag glauben als an den Alltag, fängt er an, sich zu verändern. Er ist nicht mehr langweilig oder nervig – er ist einfach das, was er nun mal ist.

Wir haben eine neunjährige Tochter, die in München zur Schule geht. Ständig gibt es Dinge und Situationen, die zu entscheiden und zu tun sind. Da der Streit immer weniger Spaß macht, taucht er immer seltener auf. Alles, was im Leben, im Alltag, auftaucht, hat für uns genauso das Potenzial zum Drama oder zur Komödie. Entscheidend ist, dass man ehrlich ist und sich keine erleuchteten Konzepte überstülpt! Dann weiß man spontan immer, was zu tun und zu lassen ist – ganz einfach so, aus der Intelligenz des Moments heraus. Klar: Ich ärgere mich auch mal, wenn ich im Stau stecke. Doch wenn ich es nicht täte, wäre etwas verkehrt – nicht mit dem Stau, sondern mit mir.

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