Ohne Hoffnung versinken wir im Morast von Frustration, Zweifel und Resignation. Wozu uns bewegen, unsere Kraft aktivieren und auf ein Ziel hin fokussieren, wenn nicht ein kleines Licht im Inneren uns immer wieder zuflüstert: Durchhalten, du schaffst es, irgendwann! Gedanken über ein Phänomen, das mehr als nur unser Überleben sichert.

von Claudia Doerks

Hoffnung hat viele Gesichter. Die Hoffnung junger Menschen heute ist eine andere als die der Jugend vor 60 bis 80 Jahren. Als ich mich letztens mit einer 80-jährigen Frau unterhielt, konnte ich fühlen, dass sie mit Angst auf die weltpolitischen Geschehnisse von heute schaut. Angst, die sie seit ihrer Kindheit mit sich trägt und die sie nicht vergessen lässt. Sie hat den Krieg erlebt. Sie weiß, was es heißt, Hunger zu leiden und nicht zu wissen, ob man morgen noch lebt oder auch Geschwister und Eltern verliert. Damals war Hoffnung einfach notwendig, um zu überleben, und auch mit der Kraft des Willens verschmolzen, durchzuhalten und sich nicht unterkriegen zu lassen. Wer keine Hoffnung mehr hatte, war dann oft auch kraftlos und seine Überlebenschancen schwanden…

Hoffnung ist wie ein Licht im Dunkeln, ein wärmendes Wort oder ein sanfter, liebender Blick – sie erzeugt ein Gefühl, das uns trägt oder gar Flügel wachsen lässt. Verbunden mit dem bedingungslosen Glauben an uns selbst erwachsen aus ihr Zuversicht und Freiheit. Wenn wir dem Zweifel in uns keinen Boden geben, dann ist Hoffen kraftvoll und mündet vor allem in einem: TUN. Hoffnung sollte in diesem Sinne zielorientiert sein und zeitlich einen Rahmen bekommen. Die Kraft der Hoffnung und des Willens, dass sich etwas verändert, kann buchstäblich Berge versetzten, Grenzen verschwinden lassen, die Gesundheit wieder herstellen und Veränderungen in dieser Welt hervorbringen. Je mehr Menschen sich dessen bewusst werden, um so dynamischer wird deren Wirken auch kollektiv sein. Die schwedische Schülerin Greta Thunberg hat als einzelner Mensch begonnen – in der Hoffnung darauf, dass ihre Stimme gehört wird. Und was ist daraus geworden? Tausende von Menschen gehen auf die Straße. In mir selbst entstand dabei die Klarheit, dass es auch um mein Handeln geht. Dass ich wichtig bin. Dass es sich lohnt, daran zu glauben, dass mein Tun Auswirkungen hat. Ich kann mithelfen, die Welt zu verändern, indem ich achtsamer lebe – kein Essen vergeude, Plastikmüll vermeide und dankbar bin für das Leben, das ich habe. 

Hoffnung und Kraft

Es ist selbstverständlich geworden, dass wir in Häusern leben, genügend Essen haben und auch eine ärztliche Grundversorgung. In den Medien hören und sehen wir allerdings Bilder von Ländern, wo es das nicht gibt oder wo all das nur unzureichend zur Verfügung gestellt wird. Doch berühren uns diese Berichte und Bilder noch? Oder leben wir hinter einem Schleier, der all das von unserem Herzen fernhält? Was ist mit den Menschen, die bei uns auf der Straße leben? Berührt es unsere Herzen oder fühlen wir uns von ihnen gestört? Ich bin ehrlich – ich fühle mich von Zeit zu Zeit genervt von den Menschen, die durch die U-Bahnen gehen und Geld haben wollen. In diesem Moment habe ich nicht die Hoffnung, dass es etwas bringt, ihnen Geld oder Essen zu geben.

Ich fühle mich machtlos der Tatsache gegenüber, dass es auch Armut in unserer doch so reichen Zivilisation gibt. Und da kommt in mir der Gedanke auf, dass Hoffnung nicht immer gut tut, weil sie auch verhindern kann, dass ich einen klaren Blick auf bestimmte Dinge habe und statt gezielt Hilfe zu geben, kleine Notpflästerchen verteile. Denn grundsätzlich kann ich das Leben eines Obdachlosen nicht ändern. Die Veränderung kann nur aus ihm heraus kommen. Das ist außerhalb meiner Kontrolle, und dann fehlt der Hoffnung der Sinn und die Kraft.

Klarheit und Unterscheidungsfähigkeit

Nichts ist für uns Menschen schwerer, als uns selbst zu ändern. Denn es bedarf wirklich großer Anstrengungen. Wie oft haben wir uns für das Neue Jahr gute Vorsätze vorgenommen, und was ist mitunter daraus geworden? Wie oft hat mancher Raucher die Hoffnung gehabt, mit seiner Gewohnheit aufzuhören, und ist doch gescheitert? Hoffnung hat auch Grenzen und bringt uns buchstäblich an unsere inneren Grenzen. Ich finde es wichtig, Klarheit zu haben über das, was wir uns erhoffen. Hoffen wir auf uns selbst, auf Gott oder eine höhere Energie, auf unseren Partner, unsere Eltern oder den Chef? Sind wir vielleicht in unserer Hoffnung gefangen und sterben dabei seelisch, weil wir uns der Hilflosigkeit und Ohnmacht ergeben haben?

Für mich geht es ums Unterscheiden: Was kann ich verändern und was kann ich nicht verändern! Wann macht Hoffnung Sinn und schenkt Kraft zur Tat und wann fesselt sie mich? In meinem Leben ist diese Klarheit durch Qigong gereift. Qigong ist mehr als eine Methode, um Energie in unserem Körper in Balance zu bringen und Gesundheit wiederzuerlangen. Qigong hat auch die Kraft, uns mit uns selbst wieder zu verbinden und unsere Mitte fühlbar zu machen. Fühlen wir uns, können wir auch Klarheit haben über uns selbst und das, was wir uns für unsere Zukunft erhoffen. Das ist wichtig, denn was wir von der Zukunft erhoffen, das bestimmt unser Handeln in der Gegenwart. Das betrifft nicht nur unsere Gedanken und Taten, sondern besonders unsere Gefühle. Sie spielen eine wesentliche Rolle in unserem Leben. Durch das Qigong habe ich Lieben und Mitfühlen gelernt, kann mein Herz wieder spüren und es öffnen. Ein wunderbares Zitat des tschechischen Schriftstellers Václav Havel bringt es auf den Punkt: Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas einen Sinn hat, egal wie es ausgeht.

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