Für Schamanen geht es darum, in allen Beziehungen ein Krieger zu sein. Das bedeutet, wach und aufmerksam zu sein und die eigene Energie bewusst, kraftvoll und heilend für das Ganze einzusetzen. Zentraler Aspekt auf diesem Weg ist die eigene Beziehung zur Welt, denn sie ist maßgebend für das, was uns in unserem Leben widerfährt. Diesen Weg zu meistern führt zu einem kraftvollen, intensiven und reichen Leben.

Von Marius Enrico Hannig

 

Alles ist Energie und alles ist energetisch miteinander verbunden, daher bewirkt jedes Tun, jede Aktion eine Veränderung im großen Gefüge der Welt. Es kommt nur auf die energetische Qualität deiner Kraft an, ob dein Tun in einer konstruktiv heilenden oder destruktiv zerstörenden Weise wirkt.

Für die Schamanen, von denen ich in ihrem traditionellen authentischen Umfeld lernen darf, ist der Umgang mit der Energie das Wesentliche im Leben. Sowohl in den Heilritualen, in der persönlichen Entwicklung als auch in den alltäglichen Beziehungen ist der bewusste und konstruktive Umgang mit der Lebensenergie der Indikator für ein gesundes, kraftvolles, glückliches und erfülltes Leben.

Den Weg des Herzens zu gehen bedeutet für sie, sich ganz dem Mysterium des Lebens hinzugeben und demutsvoll den natürlichen Gesetzen der großen Energie zu folgen. Dabei greifen die Schamanen innerhalb ihrer Tradition auf das Wissen ihrer Vorfahren zurück, von denen sie einen Teil ihrer persönlichen Kraft geerbt und auf deren gelebte Erfahrungen sie weiter in ihrem eigenen Leben aufbauen können.

Die Schamanen entwickeln und bewahren über viele Generationen hinweg eine geheimnisvolle Beziehung zu den großen Kräften der Natur. Sie können sich mit ihnen verbinden und lernen diese für das Leben zu nutzen. Das privilegiert sie zu heilen und große Veränderungen zu erwirken. Der Weg, dem sie dabei folgen, ist der Weg des Herzens. In der stetigen Auseinandersetzung mit den Gegebenheiten des Lebens meistern sie die Schwierigkeiten, auf die sie dabei treffen, indem sie die Haltung eines Kriegers einnehmen.

Krieger sein – Die Welt als Abbild deiner selbst

Was bedeutet es ein Krieger zu sein? Zuerst einmal ist zu verstehen, dass alles miteinander in Beziehung steht und dass die Welt, in der du lebst, eine Illusion und gleichzeitig ein Abbild deiner selbst ist. Mit allem, auf das du dabei triffst, reagierst du, agierst du oder du tust nichts. Die Dynamik in deinem Leben ist stets angetrieben von den Entscheidungen, die du triffst, den Entwicklungsschritten, die du gehst, und von dem höheren Bewusstsein, das du erreichst. Deine Beziehung zur Welt und zu allen Geschöpfen ist stets durchdrungen von Aufmerksamkeit, Achtsamkeit und innerer Stille. Du weißt: Die Energie, die du in deinem Leben zur Verfügung hast, hängt vor allem davon ab, wie du mit deiner Energie umgehst. Die Verantwortung liegt bei dir selbst. Für alle Entscheidungen, für alles, was dir widerfährt. Bestenfalls stehst du dem großen Mysterium, dem großen göttlichen Ganzen, der Erneuerung und Schöpfung in Demut gegenüber. Du folgst dem Weg deiner Entscheidungen ohne zu zweifeln. Deine Hingabe an das Leben und die Liebe, mit der du alles durchdringen kannst, strebt nach Vergrößerung und Transzendenz. So sind alle Entscheidungen auf dem Weg des Herzens Entscheidungen der Kraft.

Ein Krieger zu sein bedeutet nicht, im Krieg zu sein. Es geht eher um das „Kriegen“ von Energie. In der Auseinandersetzung mit sich selbst entwickelt ein Krieger eine verantwortungsund friedvolle Lebensweise, um sich in das Gefüge der Welt zu integrieren.

Die Selbstwichtigkeit ist die größte Herausforderung für einen Krieger innerhalb jeglicher Beziehungen. Sich selbst zu wichtig zu nehmen, macht dich plump, schwerfällig und eingebildet. Du gibst damit deine Freiheit, deine Kraft und jede Möglichkeit, über deine eigenen Grenzen hinauszuwachsen, auf. Du verwehrst dir selbst den Zugang zu deiner eigenen persönlichen Entwicklung. An der Selbstwichtigkeit festzuhalten zerstört jede Form einer Beziehung, macht sie manipulativ und einseitig und nimmt ihr das Potenzial zum Wachstum.

Krieger sein – Dem Eigendünkel auf die Schliche kommen

Sich selbst nicht so wichtig zu nehmen ist eine wichtige Tugend auf dem eigenen Pfad des Herzens. Um deinem Eigendünkel wirklich auf die Schliche zu kommen, ist es notwendig, dass du deinen eigenen Gewohnheiten, deinen Bequemlichkeiten und Bedürfnissen ihre selbstdefinierte Wichtigkeit entziehst und sie in Frage stellst. Das sorgt für einen klaren Geist, mit dem du neue Entscheidungen treffen kannst. Daraus folgt ein Zugewinn an persönlicher Energie, die du nutzen kannst, um dich den wirklich wichtigen Dingen deines Lebens zuwenden zu können.

Als Krieger/in bist du leicht und fließend in deinem Tun. Die Widerstände, auf die du triffst, betrachtest du als Herausforderung. Du entscheidest, ob und wie viel Energie du für eine Sache verwendest. Gleichzeitig befindest du dich mit allen Handlungen in Resonanz zu deinem Umfeld, und du trägst die volle Verantwortung für jede getroffene Entscheidung. Du kannst niemand anderen für deine Entscheidungen verantwortlich machen als dich selbst.

In jedweder Beziehung und in jeder Situation. Wie können wir die richtigen Entscheidungen treffen? Es scheint für die Menschen in der heutigen Zeit sehr schwierig zu sein, sich zu entscheiden. Bei dem Überangebot an Möglichkeiten fallen viele Menschen entweder in geistige und körperliche Lethargie oder verlieren sich in Maßlosigkeit. Nicht zu wissen, was das Richtige ist, oder es zu wissen und keine Handlungs- und Gestaltungskompetenzen entwickeln zu können, scheint ein weitverbreitetes Phänomen zu sein.

Zum Leben eines Kriegers gehört es, ein Gleichgewicht im Leben herzustellen zwischen dem Verlust von Energie, zum Beispiel bei unbewussten alltäglichen festgefahrenen Routinen, und dem Gewinn von Energie, wie beim bewussten Umsetzen von neuen Entscheidungen, die das eigene Leben persönlich bereichern. Zu leben wie ein Krieger bedeutet in diesem Sinne auch, aus dem Herzen zu handeln und im Einklang mit den Konsequenzen bei jeder deiner Entscheidungen zu sein. Wenn du die Liebe fühlst und mit der Liebe in Resonanz bist, dann stellt sich die Frage nicht mehr, was richtig und falsch ist – du weißt es einfach von innen heraus.

Krieger sein – Die eigenen Illusionen enttarnen

Aus den schamanischen Hochkulturen des alten Mexikos stammt ein Ausspruch, der bis heute seine Wirkung und Bedeutung nicht verloren hat und der die Haltung eines Kriegers wiedergibt. Wenn sich zwei oder mehrere Menschen begegnen, treten sie auf eine besondere Art und Weise in Beziehung zu einander. Sie begrüßen sich mit den Worten „in lak‘ech“. Das bedeutet: „Du bist mein anderes Selbst.“ Das ist die Grundlage einer jeden Begegnung und die Basis einer jeden Kommunikation. Dieser Begriff geht sogar weit über die Begegnung mit Menschen hinaus und beschreibt die Haltung, die ein Krieger gegenüber allen Geschöpfen und Erscheinungen der Natur einnimmt. Wenn du dich in diesem erweiterten Bewusstsein befindest, eröffnet sich dir die Welt in ihrer Ganzheit und du enttarnst die eigenen Illusionen, die du selbst auf die Welt projizierst.

Die Schwierigkeiten, auf die du stößt, wenn du deinen Weg der Freiheit gehst, entspringen entweder den noch nicht gelösten Verstrickungen deiner eigenen biografischen Vergangenheit oder den Ansprüchen deiner Selbstwichtigkeit. Um diese Hürden zu meistern, ist es aus schamanischer Sicht notwendig, initiale Rituale zur Auflösung der persönlichen Geschichte durchzuführen. In den alten schamanischen Traditionen gibt es bis heute, insbesondere in Mexiko, sehr effektive Techniken, um sich von energetisch belastenden Verflechtungen der persönlichen Biografie zu lösen und damit gebundene Energie zu befreien. Beispielsweise gewinnt man mit der toltekischen Technik der Rekapitulation1 (des eigenen Lebens) durch das Auflösen von energiebindenden biografischen Traumata wertvolle Energie zurück.

Damit die neugewonnene Lebensenergie dann auch dauerhaft uneingeschränkt zur Verfügung steht, ist es wichtig zu verstehen, dass alle energieverzerrenden Emotionen, Routinen und schwächenden Gewohnheiten wie Selbstmitleid, Neid, Depression, Abhängigkeit, Missgunst, endloses Grübeln, Vorverurteilung usw. nur entstehen können, weil du dich selbst zu wichtig nimmst. Daher ist es sinnvoll, den Fokus auf energiegewinnende Handlungen auszurichten. Am besten gelingt dies, indem du beginnst, dich selbst zu beobachten, ohne dich parteiisch zu positionieren. Das heißt, dass du keinen deiner Standpunkte verteidigst oder zu rechtfertigen versuchst. Durch dieses Beobachten erreichst du sehr intensive Aufmerksamkeitszustände und befreist dich in der jeweiligen Situation von energetischen Verhaftungen. So kannst du deine innere Stimme hören, ihr vertrauen und der Intuition deines Herzens folgen.

Krieger sein – Der Tod als Ratgeber

In dem Zustand gesteigerten Bewusstseins verbinden sich einige Schamanen, um die richtigen Entscheidungen treffen zu können, mit einem sehr wichtigen Verbündeten und Ratgeber – dem eigenen Tod.

Die Tatsache der Unvermeidlichkeit des eigenen Todes gibt dir in jedem Augenblick, in dem du dir dies vergegenwärtigst, die Möglichkeit, innezuhalten und eine Bestandsaufnahme deiner aktuellen Gefühle und Emotionen zu machen. Was ist wirklich wichtig, wenn du die Dinge im Angesicht deines wartenden Todes betrachtest? Woran lohnt es sich festzuhalten? Was kannst du loslassen? Ein Krieger betrachtet jede Handlung so, als wäre es die letzte.

Auf dem Weg des Herzens und im Angesicht der eigenen Vergänglichkeit und der Endlichkeit aller Dinge erscheinen alle Beziehungen im Leben als Zeichen dafür, wie wir mit uns und unserem Umfeld energetisch interagieren. Ist eine Liebesbeziehung wirklich fruchtbar, sind alle Beteiligten bereit, sich auf das Mysterium des Lebens einzulassen und die eigenen Beschränkungen zu durchschauen. Selbstwichtigkeit und Kleingeistigkeit erblassen dann im Antlitz des großen Ganzen.

Fühle die Verbundenheit mit allem. Fühle Dankbarkeit für die Kraft, die alles erschaffen hat und alles stetig neu erschafft – du bist ein Teil davon. Auch du kannst alles erschaffen, wenn du in der Kraft des Kriegers/der Kriegerin bist.

 


1 Eine systematische Betrachtung des eigenen Lebens, ohne etwas daran zu kritisieren oder abzuwerten.

 

Die nächsten Termine für die Krieger/ innen-Workshops:
Berlin/Brandenburg mit Huichol-Schamanen/Wirrarika-Marakamés aus Mexiko
17.-18.9.2016, 2.-3.10.2016 und 22.-23.10.2016
Anmeldung und Infos unter
Tel.: 030-32301995 oder
info@mother-earth-project.de
info@mother-earth-project.de

Eine Antwort

  1. Sabine

    Hallo,
    ja, ein Krieger zu sein bedeutet auch, manchmal ein Rebell zu sein.Wenn man mit dem Herzen denkt und alles überprüft, liegt man immer richtig – auch wenn man als Krieger des Herzens oft gegen Windmühlen ankämpft.
    Aber wer hat behauptet,d as Leben sei einfach?
    Schrierigkeiten lassen uns wachsen.
    LG
    Sabine

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