Als der bekannte amerikanische Psychologe und Autor Sam Keen verzweifelt über das Scheitern seiner Ehe und der nachfolgenden Beziehung zu einer anderen Frau war, besuchte er einen alten Freund, den Mystiker Howard Thurman.
Thurman gab Keen den besten Ratschlag in Bezug auf Liebesbeziehungen, den dieser je in seinem Leben gehört hatte:

“Sam“, sagte er, “zwei Fragen muß sich wohl jeder Mann stellen: Die erste heißt ‚Wohin gehe ich?’ und die zweite ‚Wer geht mit mir?’ Wenn du diese Reihenfolge durcheinanderbringst, kommst Du in Teufelsküche.“

 

Die Problematik moderner Beziehungen

Heutzutage ist einer der ausschlaggebenden Faktoren für das Scheitern von Ehen derjenige, daß diese beiden Fragen in der falschen Reihenfolge gestellt werden. Viele Menschen versuchen, sich für einen Weg zu entscheiden, nachdem sie eine Beziehung eingegangen sind. Oder sie versuchen, einen Weg durch die Beziehung zu finden, indem sie entweder die Dominanz des einen Partners akzeptieren, oder Kompromisse machen.
Wenn Sie ernsthaft über Howard Thurmans beiden Fragen nachdenken, dann wird Ihnen bewußt, daß Sie sich nach Möglichkeit vorher Ihres Lebensweges bewußt werden sollten, wenn Sie möchten, daß Ihre Beziehung gelingt. Und dann sollten Sie sich vergewissern, daß Ihr Partner bzw. Ihr zukünftiger Partner denselben Weg geht. Andernfalls werden sich an einem bestimmten Punkt ihre Wege voneinander trennen. Es ist wirklich recht einfach.
Den eigenen Weg zu finden, d.h., die Werte, die Sie haben und was Sie leisten möchten, ob spirituell oder materiell, ist die wesentlichste Frage im Leben. Es ist sicherlich eine Frage, die wenige Menschen wahrhaftig beantworten. Viele Menschen versuchen, mit dem Fluß zu gehen. Sie akzeptieren die Werte und Ziele der umliegenden Kultur. Wenige Menschen in unserer Gesellschaft geben dieser wesentlichen Frage die Zeit, die sie braucht, um sie zu beantworten.

In unserem Bildungssystem fehlt etwas ganz Grundsätzliches. Unsere Lehrer vermitteln uns einen großen Reichtum an Informationen und an Wissen. Weisheit wird vergessen. Informationen ändern sich heutzutage schneller als wir sie aufnehmen können. Weisheit verändert sich nie. Man bringt uns in der Regel nicht bei, wie wir herausfinden können, wer wir sind. Wir müssen uns vielmehr an die persönlichen und kulturellen Bilder anpassen, die uns unsere Eltern und die Gesellschaft um uns herum abverlangen.

 

Was bedeutet das Konzept männlich?

Steht es für den rauhen, harten Manager, der kaum Zugang zu seinen Gefühlen hat? Oder bedeutet es, ein Softie zu werden?
Was bedeutet weiblich? Wie stark haben wir uns – oft mit geringem Erfolg und unter großen Schmerzen – an kulturelle Bilder angepaßt bzw. versucht, uns anzupassen?
Sieht eine moderne Beziehung so aus, daß zwei Menschen, die nicht wissen, wer sie sind und wohin sie gehen, versuchen, Frieden, Harmonie und Liebe miteinander zu finden? Wenn das stimmt, täten wir gut daran, etwas anderes auszuprobieren, denn sonst werden die Scheidungsrichter noch mehr Zulauf bekommen. Was wir brauchen, bevor wir uns in die Beziehung zu einem anderen stürzen, ist eine klare und harmonische Beziehung zum SELBST. Mit SELBST in Großbuchstaben meine ich nicht so sehr das eigene Selbst, wie wir es von den Mauern unseres dreidimensionalen Ego aus wahrnehmen, sondern vielmehr unser göttliches Selbst, das auf einzigartige Weise individuell und gleichzeitig Teil der gesamten Schöpfung ist. Ich meine damit, daß wir in Beziehung zu uns selbst und zu Gott treten sollten, bevor wir in Beziehung zu anderen treten. Nur dann können wir wissen, wohin wir gehen. Dann können wir uns jemand anderem gegenüber öffnen, der sich auf dem gleichen Weg befindet.

 

Wie finden wir unser Selbst, und wie können wir in Beziehung zu unserem Selbst treten?

Hier geht es darum, einen uralten Kampf zu beenden: den Kampf zwischen Ego und Seele.
Wer bin ich?
Wenn wir der Psychologie die Frage stellen “Wer bin ich?“, würde sie höchstwahrscheinlich eine ziemlich ausweichende Antwort geben: “Nun ja, sehen Sie, das ist nicht so ganz leicht. Sie bestehen aus vielen Einzelteilen. Und es hängt davon ab, welchen Teil Sie sich gerade anschauen, welchen Teil Sie im Moment erfahren. Da gibt es Ihr wütendes Selbst. Und dann gibt es da noch Ihr liebendes Selbst. Da gibt es den Teil, der Sie die meiste Zeit kritisiert. Und dann gibt es da noch einen sehr starken Vaterintrojekt; die Art, wie Ihr Vater Sie gerne gesehen hätte…“

Was aus vielen Teilen besteht, ist das Ego. Es ist bruchstückhaft. Man könnte sagen, daß wir in einem gewissen Sinne eigentlich alle schizoide Wesen sind; das heißt, daß wir viele ungleichartige bzw. antagonistische Elemente in uns haben. Genauso sieht die Psychologie den Menschen und reduziert ihn damit auf sein Ego, selbst in den fortschrittlichsten Theorien. In Bezug auf die therapeutische Arbeit hegt man nun die Hoffnung, daß man eine geschicktere Anordnung dieser Teile vornehmen kann. Die traurige Wahrheit ist jedoch, daß durch eine solche Vorgehensweise zwar eine Verbesserung herbeigeführt werden kann, diese jedoch kein Heilmittel darstellt. Die Patienten bleiben in der Trennung gefangen; sie leben weiterhin in Angst, sich selbst entfremdet.

“Warum kann ich nicht einfach nur ich selbst sein?“ “Sie können es sein, aber Sie werden im Ego kein einheitliches Selbst finden. Sie müssen das Ego und die dreidimensionale Realität verlassen, um wirklich herauszufinden, wer Sie sind“.
Natürlich sind wir, wie R.D. Laing vor einiger Zeit herausgestellt hat, eine kranke Gesellschaft, die viele geistig recht gesunde Individuen, die mit dieser Gesellschaft nicht zurechtkommen, in psychiatrische Anstalten steckt. Wir sind eine Gesellschaft, die hoffnungslos in Linearität und Trennung gefangen ist. Wir leben eine irrsinnige Illusion und versuchen voller Verzweiflung, mit Hilfe irrsinniger Lösungen die Krankheiten einer äußerst kranken Kultur zu überwinden. Im besten Fall versuchen wir, die Symptome zu kurieren, ohne den Ursachen auf den Grund zu gehen.

Die Wahrheit ist, daß linearer Raum und lineare Zeit eine Illusion sind. Die Physiker wissen das jetzt. “So etwas wie lineare Zeit existiert nicht“, schreiben und sagen sie. Solche Aussagen finden sich jetzt auch in der populären Presse, wie etwa in einer der letzten Ausgaben des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“. Aber fast niemand weiß, was er mit einer solchen Information anfangen soll.
Das Problem liegt in dem Versuch, das Bewußtsein aus der Perspektive der Linearität her zu verstehen. Das Bewußtsein erscheint nur komplex, wenn man versucht, eine multidimensionale Realität in linearen, dreidimensionalen Begriffen zu beschreiben. Um es zu verstehen, muß man die Grenzen des rationalen, linearen Verstandes hinter sich lassen und multidimensional leben und erfahren. Der eigentliche Witz für den Bewußtseinsforscher besteht darin, daß wir “hier drinnen“ sind und versuchen, das zu beschreiben, was “da draußen“ ist. Nun, wenn Sie wirklich verstehen wollen, was da draußen ist, dann werden Sie dort hinaus gehen müssen, um es zumindest mit Ihren Sinnen erfassen zu können.
Wenn Sie dort draußen sind, dann beginnen Sie zu begreifen, daß wir in Wirklichkeit einheitliche Wesen sind, die in der Illusion von separaten Teilen, einer separaten Zeit und separaten Orten leben. Sie beginnen, die Einheit zu erleben, die da ist; zu erleben, daß Gott eins ist, daß wir und alles andere eins sind, und daß Zeit eins ist. Verschiedene Zeiten in Wirklichkeit gar existieren nicht. So verrückt es von hier drinnen auch erscheinen mag, alles passiert jetzt in diesem Moment.

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