Intuition ist eine “überbegriffliche, durch unmittelbares Schauen ­gewonnene Erkenntnis” – so sagt   es das Fremdwörterbuch meines ­Vaters von 1965. Sie ist eine ­Fähigkeit, mit der wir auf die Welt kommen. So normal und lebenswichtig wie Atmen. Sie verbindet Gefühl und Verstand in uns und uns mit dem kollektiven Bewusstsein im Außen. Genau genommen lässt sie die Grenzen zwischen ­“Innen” und “Außen” verschmelzen oder sogar verschwinden. Intuition: der Weg zurück zu uns.

 

 

Lebensweg oder weg vom Leben

Ein Automatismus, den wir alle – die meisten zumindest – durchlaufen in unserem Leben, ist die Tatsache, dass wir anfangs verbunden sind mit allem, keinen Unterschied zwischen “ich” und “wir” machen, keine Grenzen sehen zwischen unserer Mutter und uns selbst. Je größer wir werden, je mehr Erziehung und Erfahrungen wir durchlaufen, desto mehr trennen wir uns davon ab. Auf den meisten Lebenswegen tritt immer mehr das Funktionieren in den Vordergrund. Das Ego bildet sich aus, wird immer mehr zum Ich, geformt durch das, was uns vorgelebt und vorgegeben wird. So machen wir Werte unserer Eltern zu unseren, ihre Ängste und Selbstschutzprogramme auch.

Dann folgt oft eine Phase der Revolution, wir wollen alles anders machen, nicht so werden wie die Alten. Angetrieben durch Trotz und Wut trennen wir uns noch mehr ab, diesmal ganz bewusst und gewollt. Treiben manchmal ab und entfernen uns von uns selbst. Landen dann doch in irgendeinem Beruf und entwerfen einen Plan, der dem unserer Eltern gar nicht so unähnlich ist, gründen Familien, bauen ein Haus, alles ist geregelt und vorgesorgt.

Und dann gibt es diesen Punkt, ein Erwachen oder vielleicht eher ein Aufschrecken, dass es das nicht gewesen sein kann. Nicht immer ganz freiwillig, denn Mensch ist ein Gewohnheitstier und liebt seine Bequemlichkeit. Eine Trennung, eine Krankheit oder das derzeit sehr “beliebte” Burnout-Syndrom lassen nicht mehr zu, dass wir so weitermachen wie bisher. Nach dem Drama und dem Trauern kommt auf einmal die Stille und wir horchen in uns hinein, nach langer Zeit, und sind ganz erstaunt, was da zu hören ist.

 

Selbstfindung

An dem Punkt des Prozesses treffe ich in meiner Praxis dann diese Menschen. In vielen Fällen gab es schon eine Psychoanalyse, eine Gesprächstherapie, systemische Familienaufstellungen, manchmal auch Klinikaufenthalte und jahrelangen Gebrauch von Psychopharmaka. Was wir dann gemeinsam tun, ist das Schicht-um-Schicht-Freilegen der Seele, um die eigene Intuition wieder hören zu lernen. Denn sie ist uns zu ­unserem Glück ja nicht abhanden gekommen, sondern nur zugeschüttet, verspannt wie verklebte Muskeln, eingerostet und eingeschüchtert – meist über mehrere Generationen. Wir tragen noch das Erbe unserer Eltern und Großeltern in uns, die aufgrund der äußeren Umstände noch viel weiter von sich selbst entfernt waren. Im Krieg und danach war kein Raum für die Frage: Was will die Seele? Was ist meine Berufung? Aber wir dürfen das wieder, wir dürfen sein, wer wir sind. Aber damit stellt sich eben die Frage: Wer bin ich denn eigentlich? Das herauszufinden, die ganz eigene Wahrheit zu hören, braucht die innere Stimme, die Intuition. Und die muss erst mal wiedergefunden werden.

 

Die ersten Schritte

Eine Gemeinsamkeit, die die Menschen haben, die in meine Praxis kommen, ist, dass sie sich selbst (wieder) ernst nehmen. Sie brauchen einfach jemanden, der noch ein bisschen Gehhilfe leistet und vor allem die Bestätigung, dass sie nicht ver-rückt sind.
Auf seinen Bauch hören bedeutet, der Seele das Laufen wieder beizubringen. Ersten wackeligen Schritten folgen Staunen, größere Sprünge, und nach und nach kann auch ein Auf-die-Nase-Fallen nicht mehr davon abhalten, den gefühlt richtigen Weg zu gehen. Und das hat meist nichts mit Vernunft – im herkömmlichen Sinne – zu tun. Also kommen wir da auch nicht über den Kopf ran. Denn im Gegenteil, er wehrt sich mit Händen und Füßen gegen das, was da kommen könnte, was vielleicht erst mal an Wut und Schmerz herausplatzen könnte. Und wenn sich dann nach und nach herauskristallisiert, dass der Beruf, die Stadt oder die Partnerschaft nicht mehr stimmig sind, dann bricht vielleicht Chaos aus, etwas, was Kopf mit allen Mitteln vermeiden möchte. Wir haben Angst vor dem Kontrollverlust.

 

Der sanfte Weg

Aber es muss gar nicht so ausarten. Seele möchte wieder an sich selbst ­gewöhnt werden. Deswegen sind die uralten Heilmethoden oder das, was wir jetzt heutzutage als “ganzheitlich” ­bezeichnen, oft so sanft, dass ein Normalsterblicher mit unserem üblichen gesellschaftlichen und kulturellen Hintergrund meist erst mal sagt, er spüre ja gar nichts – hat also nix geholfen. Wir sind geprägt von Hauruck-Einrenken, Spritze-und-der-Schmerz-ist-weg sowie Psycho-Konditionierungen, die uns den Eindruck vermitteln: Das hilft. Ja schon, aber nur der Aufrechterhaltung des “Funktions-Modus” und für – eben – den Kopf, der sich gerne von schnellen, direkten und oberflächlichen Ergebnissen beeindrucken und zufriedenstellen lässt. Der Rest bleibt, wie er ist, und hält fest in der Bequemlichkeit von Widerstand, Wegschauen, Leblosigkeit und Unsensibilität. Doch Intuition ist das Zarteste und Verletzlichste, was wir haben, eng und untrennbar verbunden mit Herz und Liebe. Niemand, der sein Herz verschlossen hat, hat eine gute Intuition! Und ein Herz wieder zu öffnen funktioniert eben nicht so einfach, wie an einem Haus die Fensterläden aufzureißen.

 

Eine Möglichkeit

Mein Arbeitsfeld ist das schamanische Reisen. Ich reise für andere, stelle mich als Vermittler zwischen der alltäglichen und der nichtalltäglichen Wirklichkeit zur Verfügung – oder man könnte auch sagen, zwischen Bewusstsein (ein sehr kleiner Teil von uns) und höherem Selbst (ein sehr großer Teil von uns!). Oder, das ist die Sprache, die die meisten immer sofort verstehen: zwischen temporärem Ordner und Festplatte… Was wissen wir schon darüber, welche Programme auf der Festplatte im Hintergrund noch  ablaufen? Um bei diesem Beispiel zu bleiben: Es braucht mal ein Update, dringend. Nicht nur einmal, sondern immer wieder. Jedes Update triggert ein neues altes Programm an, es hört vielleicht nie auf, und doch schälen wir immer mehr unsere Seelenessenz frei.
Sich von außen das anzugucken, neutral, wie ich als Vermittler und geübte Bilderguckerin bin, ist ein  faszinierendes und großartiges Arbeitsfeld. Die Schönheit von Seele sehen zu dürfen, ist immer wieder eine Ehre! Aber mindestens genauso spannend ist es, Menschen diese Form der Innenschau – das schamanische Reisen – beizubringen. Denn dann sehen sie ihre eigenen Bilder. Wenn wir uns dann, zum Beispiel in meiner schamanischen Reisegruppe, darüber austauschen, fallen anfangs oft Sätze wie: “Das war sehr beeindruckend, aber woher weiß ich, dass ich mir das nicht nur einbilde?” oder: “Naja, das Krafttier habe ich vielleicht nur gesehen, weil ich es mir so sehr gewünscht habe!” Dann entsteht gerne eine interessante Diskussion darüber, was eigentlich Realität ist, ob es “richtig” und “falsch” überhaupt gibt, und wir einigen uns am Ende immer wieder darauf, dass es viele Wahrheiten gibt und dass Mensch seine Wirklichkeit sowieso selbst kreiert, egal ob die alltägliche oder die sogenannte schamanische nichtalltägliche Wirklichkeit. Und lieber eine, die sich gut anfühlt, als eine fremdbestimmte unglückliche. Also mein Aufruf: Hör auf deine Intuition. Die Energie folgt den Gedanken!

 


„Die höchste Weisheit bleibt
Die des Herzens
Vor ihr gibt sich das Universum demütig
Und beschützend zugleich
Und die Sterne beginnen zu beten“
(Indianische Weisheit)

 


Abb: © lassedesignen – Fotolia.com

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