Homöopathische Antworten am Puls der Zeit

von Werner Baumeister

 

Wie alle Insekten zeigt sich die Libelle in zwei völlig verschiedenen und oft gegensätzlichen Formen. Sie muss sich einer Metamorphose unterziehen, also ihre Gestalt komplett wandeln, um tun zu können, wozu sie bestimmt ist: ein fliegendes Wesen zu werden! Einfach nur wachsen und sich häuten, wie etwa die Schlange, genügt nicht, es braucht eine Totalveränderung. Als Larve ist die Libelle eine gefährliche Unterwasserjägerin. Am Ende dieses Entwicklungsstadiums krabbelt sie an die Oberfläche und klammert sich an einer Wasserpflanze fest. Das darauf folgende Schlüpfen ist die gefährlichste Lebensphase der Libelle, in der sie möglichen Feinden schutzlos ausgeliefert ist. Sie stellt jetzt von Wasser- auf Luftatmung um, fängt also an, Luft einzuatmen und in ihr Blut zu leiten, womit sich der innere Druck erhöht. Dies ist eine gewaltige, immer wieder von Ruhepausen unterbrochene Anstrengung: Der Druck im Inneren des Körpers wird unermüdlich so lange gesteigert, bis die Larvenhaut von innen am Nacken aufplatzt. Die Metamorphose der Libelle geht dann plötzlich und vollständig vonstatten. Der Libellenkörper schält sich durch eine überspannte Rückwärtsbewegung, ähnlich dem Überstrecken eines zornigen, wütenden Kindes, aus seinem Chitinpanzer, welcher als „Exuvie“, als leere Hülle zurückbleibt. All das ist für die Libelle wie ein Kampf auf Leben und Tod.

Die Geburt als Kampf auf Leben und Tod

Auch wir kommen in Situationen, wo sich unser Leben anfühlt wie ein Kampf auf Leben und Tod – oder anders gesagt: wie im Geburtskanal. Wir sind bis an die Grenzen unserer Möglichkeiten gegangen, haben alles in die Waagschale geworfen und dennoch – trotz aller Anstrengungen: Wir kommen nicht voran. Die Geburt des Neuen will sich einfach nicht einstellen. Wut, Verzweiflung und Todesangst ergreifen uns angesichts der sich anbahnenden Vernichtung alles dessen, was uns bisher ausgemacht hat. Wir sind wie in einer aussichtslosen Situation gefangen und stecken oft in der Verzweiflung fest.

Stanislav Grof (Begründer des „Holotropen Atmens“) hat die Geburt in Phasen eingeteilt. Er betrachtet den ganz individuellen Verlauf unserer Geburt als die Grundmatrix, der all unsere späteren Lebens-/Geburtskrisen ähneln. Während wir uns durch den Geburtskanal kämpfen, so Grof, kommen wir kurz vor der Geburt an einen Punkt, wo die Zeit zu sterben gekommen zu sein scheint. Dies ist der Moment des „Todes des Egos“, ein Gefühl vollständiger Vernichtung. Unser Kampf endet hier in Verzweiflung und wir geben auf – oder unser Kampf verwandelt sich in schiere Zerstörungskraft, eine blinde Wut, die nur noch vernichten will. Dieser Moment unmittelbar vor der plötzlichen und vollständigen Transformation (unserer Geburt) erinnert an den Vogel Phönix, also Tod und Wiedergeburt aus der Asche. Ich nenne diesen Moment deshalb den Phönixpunkt.

Homöopathie heilt durch Ähnlichkeit, und da auch die Verwandlung von Insekten wie Libelle und Schmetterling plötzlich und vollständig, gleich einem „Stirb und Werde“ vonstatten geht, sind sie hervorragend geeignet, uns in solchen Lebensumbrüchen durch unseren persönlichen biographischen Phönixpunkt zu begleiten. Und Lebensumbrüche erleben ja viele von uns zur Zeit – sei es beruflich, partnerschaftlich oder gesundheitlich. In einem solchen von Todesangst begleiteten Moment erfuhr ich selbst die verblüffend kraftvolle Arzneiwirkung dieses kleinen Raubinsekts.

Mit der Libelle wieder „in der Spur“

Libelle LM 6 stoppte bei mir augenblicklich den freien Fall in den Abgrund der Angst und hellte die seit Tagen über mir schwebende dunkle Wolke augenblicklich auf. Auch eine Klientin, der ich aufgrund tagelanger Unruhe und Herzklopfen bis zum Hals homöopathisch Libelle verordne, ist, wie sie berichtet, „sofort wieder in der Spur“ nach dem Mittel. Das unangenehme Herzklopfen verschwindet sofort. Sie träumt daraufhin von einem schönen Ort. Um an diesen zu kommen, muss sie sich aber erst durch ein Dickicht durchkämpfen.

Es ist nur verständlich, dass wir in einer solchen Phase unseres Lebens extrem verletzlich sind (homöopathisch ein Insektenthema!). Körperlich und seelisch leicht angreifbar, fühlt es sich jetzt so an, als seien andere Menschen in der Lage, regelrecht physisch in unseren Eigenraum einzudringen und uns dort zu verletzen. Hochsensibel und angespannt, sind all unsere Sinne bis hin zur Hellsichtigkeit gesteigert (Libelle-Leitsymptom: Träume von Gewalt, Angriff, Krieg).

Aktuell inszeniert hatte sich genau das sehr unangenehm in Form einer wochenlangen Shisha- (arabische Wasserpfeife) Geruchsattacke durch meinen neuen Wohnungsnachbarn. Nach Auschöpfung aller persönlichen und formellen Möglichkeiten fand ich mich in einer Situation wieder, wo ich vorerst selbst „nichts mehr machen konnte“, außer auf Veränderung von außen zu warten, was in mir eine bedrohliche Eskalation bewirkte. Gerettet hat mich auch da die Libelle mit einer verblüffenden Sofort-Lösung. Plötzlich konnte ich mich mit dem Geruch, den ich Stunden vorher noch als feindlichen Angriff, ja förmlich als eindringende Körperverletzung wahrnahm, anfreunden, ihn als vorübergehende Stufe annehmen. Mein extremes Hadern mit dieser neuen Situation wich augenblicklich der Gewissheit und dem Vertrauen, dass, auch wenn ich aktuell nicht verstehe, wozu dieses Hindernis gut sein soll, genau dieses für meinen nächsten Entwicklungsschritt die optimale Zutat ist.

 

Schlagworte (mit Links zu weiteren Artikeln von Werner Baumeister):
HomöopathieInsektenSchmetterlingMetamorphoseTransformation – „stirb-und-werde“ – GeburtTodesangstPhönix

 

Werner Baumeister

ist Arzt und bietet individuelle homöopathische Begleitung an.

30 Jahre Erfahrung in eigener Praxis in Berlin.

Einzeltermine nach Vereinbarung, Behandlungstermine zum Thema des Artikels jederzeit möglich.

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Die homöopathischen Arzneibilder von Werner Baumeister verstehen sich auch

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