Jeder Mensch ist kreativ. Er kann sich dem kreativen Strom in sich öffnen, in Einklang gehen mit der schöpferischen Energie des Universums und dabei einen Zugang finden zu seinem ganz individuellen kreativen Ausdruck: dem Ausdruck der Seele.

von Christine Mayer

Als Modedesignerin werde ich oft gefragt: Woher nimmst du all deine kreativen Ideen? Es ist ganz einfach: Alles, was aus mir herausströmt, fließt nur durch mich hindurch und kommt aus einer anderen, einer höheren Quelle. Ich nenne es „aus dem Inneren schöpfen“, doch es kommt aus dem unendlichen Raum der Seele, aus der universellen Dimension. Ich bin nur Kanal, durch den dieser Strom fließen kann.

Es geht also in allen kreativen Prozessen immer um eine Öffnung und Rückverbindung an einen universellen göttlichen Raum, um durchlässig zu werden für die kreative Kraft. Wenn es uns gelingt, aus dieser höchsten Quelle zu schöpfen, erhält unsere Arbeit und unser Leben eine Authentizität und Unmittelbarkeit, die berührt, weil sie etwas Transzendentes und Universelles widerspiegelt, das größer ist als alles Persönliche.

Ich glaube, es ist ein ganz ursprüngliches Bedürfnis nach kreativem Ausdruck, das uns Menschen antreibt, immer größere und schönere Dinge zu kreieren. Wie die Natur und der Kosmos sich in ständiger Entfaltung befinden, so ist auch unser System auf Wachstum ausgelegt. In der Natur wie im Kosmos gibt es keinen Stillstand, es gibt nur Bewegung und schöpferische Ausdehnung. Wie könnten wir annehmen, dass es in uns anders sein sollte? Wir sind kreative schöpferische Wesen; wir sind hier, um unserem Inneren einen Ausdruck zu verleihen.

Kreativität = Leben

Wahre Kreativität ist das Leben selbst. Wenn wir sie gefunden haben, beschränkt sie sich nicht auf einen Teil von uns. Sie wird zum Leben, weil sie uns lehrt, alles, was wir tun, durch den Blick des Schöpferischen zu betrachten und alles, was uns begegnet, als Inspiration zu erleben. So erhält unser Leben durch die Kreativität eine Ganzheitlichkeit.

Ich persönlich erlebe Kreativität nicht beschränkt auf das Entwerfen von Kleidung oder das Arbeiten mit Textilien. Sie zieht sich durch mein ganzes Leben hindurch. Ihr Ausdruck ist die Art zu wohnen, zu reisen oder mich zu ernähren. Neben Kreativ-Retreats, in denen wir in vielen verschiedenen gestalterischen Techniken arbeiten, gebe ich Kreativ-RAW-Food-Workshops und vermittle darin, wie sich Kreativität im Spiel mit Farbe, Geschmack und wunderbaren Zutaten in unserer Ernährung widerspiegelt. Liebevoll zubereitetes Essen nährt nicht nur unseren Körper, es nährt ebenso unsere Seele. Es spricht zu all unseren Sinnen und erfreut durch seinen Duft, seinen Geschmack und seine Schönheit unser Herz.

Es ist alles nichts anderes als ein Spiel. Jedes Kind möchte spielen, und auch in uns Erwachsenen steckt dieser Spieltrieb. Wir können uns erleben, erforschen und ausdrücken in dem, was wir tun. Wir können uns diesem inneren Bedürfnis nach Ausdruck hingeben. Wenn wir verbunden sind mit dem Schöpfer und mit der Natur, wird jeder Vorgang bewusst erlebt. Wir werden achtsam und tun die Dinge aus der Liebe heraus. Durch diese Liebe tritt Schönheit in unser Leben. Doch wie kommen wir dahin, diese ganzheit – liche kreative Erfüllung und Sinnhaftigkeit in unserem Leben zu erfahren? Wie finden wir unseren individuellen kreativen Ausdruck? Wie erhält unser Tun die schöpferische Kraft zurück?

Die Seelenbestimmung erkennen

Dies ist ein Weg, auf den wir uns jederzeit einlassen können. Es ist ein Weg, der uns nach innen führt und der am Ende unsere wahre Seelenbestimmung offenbaren wird. Oftmals höre ich zu Beginn meiner Workshops und Retreats Sätze wie: „Mein Wunsch als Kind war es, Künstlerin zu werden, doch meine Eltern wollten, dass ich etwas Vernünftiges lerne. So habe ich BWL studiert. Aber es hat mich nie erfüllt.“

Nachzuforschen, was unsere Träume und Wünsche als Kind waren, ist oft ein wichtiger Wegweiser zu unserem ganz individuellen Ausdruck und zum Finden unserer Seelenaufgabe. Dies ist ein Prozess, der ins Rollen kommt, wenn wir beginnen, uns nach innen zu wenden und uns auf die Suche nach unserer Kreativität zu begeben. Zunächst geht es darum, in einen Flow zu kommen und Kontakt mit unserer Seele aufzunehmen. Dabei können verschiedene Instrumente helfen, durch die wir Pforten durchschreiten, die uns Stück für Stück tiefer zu uns selbst führen und die uns dafür öffnen, das große Ganze wieder wahrzunehmen. In den Retreats arbeiten wir dazu mit verschiedenen Tools: Handwerkliches und künstlerisches Schaffen wie Arbeiten mit Textilien, Drapieren, Experimentieren mit verschiedenen Materialien, Malen, Fotografieren, morgendliches Schreiben helfen hier, aber auch Klangmeditationen, Versenkungen in der Natur, Tai Chi, Yoga, Seelengesang und Toning. All dies sind wunderbare Methoden, um die Teilnehmer zu sich selbst und in ihren Innenraum zu führen und um die Schichten freizulegen, unter denen der Strom der Kreativität vergraben zu sein scheint.

Zugang zum Inneren finden

Ich erlebe immer wieder, wie sehr das einfache Gestalten mit den Händen einen Zugang zu unserem Inneren, zur Seele offenbart. Es macht uns innerlich ruhig und öffnet die erste Pforte auf diesem Weg zu uns selbst. Dabei ist es zunächst gar nicht wichtig, dass wir etwas besonders Einzigartiges tun. Es geht um ein rhythmisches beständiges Arbeiten, um innerlich still zu werden, sich zu leeren, sich zu finden. Durch dieses achtsame Tun und den liebevollen Umgang mit Materialien beginnt eine innere Kommunikation zwischen uns und dem Entstehenden.

Wenn ich dreidimensional mit Textilien arbeite, also das Material an der Schneiderbüste drapiere, ist es, wie wenn der Stoff zu mir „spricht“. Doch er spricht nicht in Worten, er spricht in Energie und Form. Dies zu spüren und umzusetzen, ist meine Aufgabe als Designerin. Das Material trägt die perfekte Form bereits in sich. Wir dürfen zuhören und sie aufnehmen, ihr folgen und sie in die Materie bringen.

Wenn wir also genau hinhören, geht beim künstlerischen Schaffen etwas in Resonanz mit uns. Dies ist der Moment, wo wir beginnen, für etwas zu brennen. Dieser Energie können wir nun folgen und uns entscheiden, für diese eine Sache. Wenn uns etwas im kreativen Prozess berührt hat, dann gibt es kein Zurück mehr. Dann geht es darum, dies innerlich zu formulieren, dem zu folgen und sich nicht mehr vom Weg abbringen zu lassen. Wenn wir diese eine Sache gefunden haben, dann können wir damit spielen, behalten aber immer das Ziel vor Augen, und alles, was wir tun, bringt uns diesem Ziel ein Stück näher. Unser Geist ist ausgerichtet auf das Ziel, wie ein Stein, der ins Wasser fällt und von alleine unausweichlich zum Grund sinkt. Dies ist ein ganz wichtiger Punkt, der sich durch diese Übung auch in anderen Lebensbereichen widerspiegeln kann. Wenn wir in dieses erste künstlerische Tun kommen, können wir eine große Blockade überwinden, die viele Menschen von ihrer Kreativität abspaltet, nämlich die innere Affirmation: Ich bin nicht kreativ! Es kann ein erster Schritt zu einem persönlichen Ausdruck oder einer eigenen Arbeitsweise innerhalb des kreativen Prozesses sein. Weil wir uns trauen anzufangen.

Den Einstieg erleichtern kann uns dabei ein weiteres Tool, das morgendliche Schreiben. Dabei geht es darum, direkt nach dem Aufwachen einen Stift zur Hand zu nehmen und einfach draufloszuschreiben, bevor unser Kopf aktiv wird. Dieses intuitive Aufschreiben von Gefühlen und Stimmungen aus dem Bauch heraus hilft uns ebenfalls, innerlich leer zu werden, in unsere Intuition zu kommen und aus dieser inneren Kraft heraus zu agieren.

Vertrauen in den Strom des Lebens

Die Pforte Nummer zwei ist für mich die Natur. Wenn wir bedenken, dass wir ein Mikro-Teilchen des großen Ganzen sind, können wir aus einer anderen Perspektive auf unser Leben blicken. Die täglichen Themen und sogenannten Probleme, die uns beschäftigen, verlieren ihre Wichtigkeit. Wir öffnen unseren Blickwinkel und werden achtsam gegenüber allem Leben und allem Sein. Betrachten wir nur eine Blume genau und nehmen mit ihrer Energie Kontakt auf, so werden wir feststellen, dass sie ein perfektes, vollendetes Wesen ist, das in ständigem Wandel seine Schönheit auf immer neue Art und Weise entfaltet. Eines von meinen persönlichen großen Erkenntnissen hatte ich durch das Beobachten einer Amselmutter, die dabei war, ihr Kind zu füttern. Als sie dem Kleinen einen besonders großen und wohl sehr köstlichen Brocken geben wollte, ließ der Kleine den Brocken los und dieser fiel zehn Meter in die Tiefe. Ich dachte sofort: „Ach, so ein Tollpatsch.“

Doch die Mutter flog, ohne zu urteilen, dem Brocken hinterher, um ihn einfach wiederzufinden. Daran denke ich oft. Wie schnell sind wir dabei, unsere Urteile zu fällen. Doch wenn wir es schaffen, wie diese Amselmutter, nur bedingungslose Liebe zu sein, ohne zu urteilen, dann lösen sich Widerstände und Ängste einfach auf und wir können uns voller Vertrauen dem Strom des Lebens hingeben und Menschen so akzeptieren, wie sie sind. Auf die Kreativität übertragen hilft uns dies, Blockaden und Widerstände zu durchschreiten, die uns immer wieder daran hindern, ins Tun zu kommen. Durch das Öffnen des Blickwinkels relativiert sich unsere manchmal enge Wahrnehmung der Dinge und wir begreifen uns nicht mehr als einzelnes Wesen im Zentrum allen Seins, sondern sind verbunden und in Einklang mit allem Lebendigen und allem Sein.

In den Meditationen arbeite ich gerne mit dem Bild des Lebensbaumes. Wir schlagen Wurzeln, verbinden uns mit Mutter Erde, mit unserer Kraft, unserem Urvertrauen und dehnen uns dann nach oben hin aus, indem wir aus unserem Kronenchakra Äste wachsen lassen in den weiten, universellen schöpferischen Raum hinein. Wir stehen aufrecht, in der Erde wurzelnd, die Krone zum Himmel hin öffnend. Durch diese Rückverbindung mit beiden Energiepolen, der Erde und dem Kosmos, kommen wir in ein Gleichgewicht. Indem wir dann visualisieren, wie uns die schöpferische Lebenskraft durchfließt, können wir diese Energie nutzen und uns anbinden an die endlose kreative kosmische Dimension.

Vom Herz beseeltes Tun

Die Pforte Nummer drei – und die für mich größte und wichtigste Pforte – ist das Herz. Der Zugang zu unserem Seelenraum geht über das Herz und über die Liebe in unserem Herzen. In den Meditationen führe ich die Teilnehmer nach der Rückverbindung mit Erde und Kosmos immer in ihren Herzraum und lasse sie in Resonanz gehen mit der unendlichen bedingungslosen Liebe. Diese Liebe können wir wachsen lassen, um sie zunächst uns selbst zu schenken. Selbstliebe ist für mich die Basis für jede Form der Liebe, sie ist die Basis für ein erfülltes Leben.

Klänge alter Klangschalen und Tempelgongs sowie unsere eigene Stimme beim Toning helfen in den Meditationen dabei, störende Gedanken oder Gefühle gehen zu lassen und Blockaden und aufkommende Widerstände zu durchschreiten. Wir finden langsam in unseren Herzraum und werden innerlich ruhig und weit. Ein schönes Bild dafür ist es, unser Herz als stillen See wahrzunehmen, dessen Oberfläche ohne Bewegung ist. Über diese Weite und Tiefe im Herzen dehnen wir uns immer mehr aus und können in einen unendlichen Raum fließen, in dem es kein Drinnen und Draußen, kein Ich und Du mehr gibt. Wir sind dann dieser Raum, der gleichzeitig unser Seelenraum ist. Wir sind gegenwärtig. Wir sind Liebe.

Wenn wir in diesem Raum und im Flow sind, dann arbeiten und schaffen wir nur noch über unsere Intuition aus einer höheren Dimension heraus, nicht mehr aus der Ebene des Verstandes. Dann sind wir verbunden und Es arbeitet durch uns. Unser Tun ist beseelt und durchdrungen von göttlichem Spirit.

Wir werden dann zum kreativen Schöpfer unseres eigenen Lebens, weil wir durch die Verbindung mit unserem Seelenraum erfahren, was unsere wahre Bestimmung ist und warum wir diese Erdenreise angetreten haben. Wir lernen dann, unser Leben kreativ zu gestalten. Wir wissen, wie wir Liebe und Glück in unser Leben ziehen können. Wir sind eins mit allen Manifestationen des Kosmos. Wir lernen selbst zu manifestieren und diese Kraft nur zum Wohle des großen Ganzen einzusetzen. Wahre Kreativität ist nichts anderes als die Verbindung mit der Seele, dem Höheren Selbst, die Verbindung mit Gott. Wahre Kreativität ist die Findung der eigenen Seelenbestimmung – und ihr Ausdruck wird zur Quelle für ein erfülltes glückliches Leben.

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