Meine Eltern sind jetzt seit 36 Jahren verheiratet und ich bin im stabilen Rahmen dieser Partnerschaft aufgewachsen. Vor diesem Hintergrund war eine glückliche Beziehung zu einer Frau spätestens seit meiner Pubertät ein sehr wichtiges, wenn nicht sogar das wichtigste Lebensziel für mich. Das Verlieben und auch das Zusammenfinden fielen mir meistens leicht, doch nach einigen gemeinsam verbrachten Jahren, Monaten oder auch nur Wochen zerrann mir das anfängliche Glück immer wieder zwischen den Händen und die Suche nach der Frau meines Lebens begann erneut.
Nach jedem weiteren Zusammenbrechen einer gemeinsam aufgebauten Partnerschaft wurde ich ratloser im Hinblick auf die Frage, wie denn eine stabile und zugleich lebendige Paarbeziehung aussehen könnte. Vor ungefähr sechs Jahren lernte ich dann die Methode des Familienaufstellens kennen – und einige Zeit später auch die Frau, bei der ich (nach vier Jahren gemeinsamen Wachsens) zum ersten Mal in meinem Leben den inneren Impuls spürte, sie zu fragen, ob sie mich heiraten möchte. Sie wollte, und nun bieten wir schon seit fast einem Jahr gemeinsam unsere Arbeit als Familienaufsteller an und erfahren auch aus dieser Perspektive die Ordnungen und Regeln einer lebendigen Liebesbeziehung.

Eine grundlegende Bedingung für das Gelingen scheint uns dabei zu sein, dass mensch wieder den Kontakt zu seinen Wurzeln aufnimmt, zu seiner ureigenen Lebensenergie. Sie hat ihren Ursprung, wenn sich bei der Zeugung die Samenzelle des Vaters und die Eizelle der Mutter verbinden und damit eine wundersame Kettenreaktion auslösen, die uns entstehen und, manchmal sogar über hundert Jahre hinaus, atmen, fühlen und erleben lässt. Dieser Kontakt zur Ur-Lebensenergie kann beim Familienaufstellen konkret erfahrbar gemacht und als sehr heilsam erlebt werden. War die Mutter bereit, das gezeugte Kind auch auszutragen und zu gebären, haben wir das vollständige Geschenk unserer Existenz erhalten – nicht mehr und nicht weniger. Jeder, der jetzt diesen Artikel liest, hat dieses Geschenk in seiner ganzen Vollkommenheit erfahren und bekommen. Es verbindet uns alle und ist die Basis unseres Erlebens. Wir alle haben schließlich einen Vater, der uns gezeugt und eine Mutter, die uns geboren hat. Diese scheinbare Selbstverständlichkeit in ihrer Vollständigkeit dankbar anzuerkennen, macht uns den Weg dafür frei, die Verantwortung für die Befriedigung unserer Wünsche und Bedürfnisse selbst zu übernehmen und uns damit von unseren Eltern (oder Zieheltern) zu lösen und sie aus ihrer Verantwortung oder vermeintlichen Schuld zu entlassen – egal, was auch immer gefehlt haben mag.
So können wir unsere Energie dazu nutzen, uns gleichgesinnte Menschen und kompetente Lehrer zu suchen, die uns unsere Wünsche nach Anerkennung, Berührung und Mitgefühl erfüllen können. Daraus entsteht ein neues Gefühl von Würde und Selbstwert, und mit dem Nachlassen der eigenen Bedürftigkeit hat mensch zum ersten Mal den Raum und die Chance, den Partner als ein eigenständiges, lebendiges, energetisches Wesen wahrzunehmen. Es beginnt die Neugierde auf gemeinsames Erleben und Erfahren des Kontaktes, zueinander und auch zur Welt, ohne unablässig alle offenen Wünsche auf das Gegenüber projizieren zu müssen.

Beim Familienaufstellen hat jeder immer wieder die Möglichkeit, diesen Prozess des Loslösens und der Übernahme von Verantwortung für das eigene Handeln darzustellen, zu erfahren und zu seinem persönlichen Wachstum zu üben. Mit der Zeit wachsen auch das Vertrauen und der Spaß daran, das Leben selbst in der Rolle der Eltern weiterzugeben und in der Rolle des Kindes anzunehmen. Gelingt es im Rahmen einer Aufstellung, die eigenen Empfindungen in der jeweiligen Rolle sich selbst und den Anderen gegenüber respektvoll zuzulassen und auszudrücken, kann sich der innere Raum erweitern und Beziehungen gewinnen an Tiefe.
Ich freue mich jedenfalls auf unseren 1. Hochzeitstag.

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