Ein Erfahrungsbericht von Ursula Grether

Im Frühjahr 1977, in den Semesterferien, erkundete ich zum ersten Mal das hinduistische Königreich Nepal. Seine überaus freundlichen Menschen und die grandiosen Landschaften legten einen Zauber über mich. Seither hat mich dieses Land nicht mehr losgelassen. Meine vorerst letzte Reise dorthin vor ein paar Jahren trat ich mit einem dunklen Vorzeichen an: Ich hatte die Diagnose Parkinson erhalten.

Was hat Parkinson mit Nepal zu tun?

Zunächst hatte ich als Ärztin die Krankheit selbst an mir vermutet und bekam sie dann von einem Neurologen bestätigt. Dennoch verließ ich mich auf mein Bauchgefühl und wollte mich auf keinen Fall – wie empfohlen – lediglich auf die Schulmedizin verlassen. Meine Recherchen nach einer alternativen Behandlung führten mich in die ayurvedische Abteilung des Immanuel Krankenhauses hier in Berlin. Die empfohlenen ayurvedischen Kräuter und Ölmassagen wirkten gut und ohne Nebenwirkungen. Noch besser wäre natürlich eine große ayurvedische Reinigungsbehandlung, meinte mein behandelnder Arzt Dr. Kessler und empfahl mir einen sehr kompetenten Kollegen in Nepal, der sowohl schulmedizinisch als auch im Ayurveda ausgebildet sei. Und so landete ich im „Ayurveda Health Home“ in Kathmandu – überglücklich, weil ich dafür nicht in die Hitze von Südindien oder Sri Lanka reisen musste, sondern nach Nepal, in meine geliebte zweite Heimat.

Nepal – zweite Heimat

Von diesem verwunschenen Flecken Erde erzählte mir einst meine erste große Liebe. Hier gelandet lauschte ich damals den hingebungsvollen nächtlichen Gesängen in den Hindutempeln, kraxelte in den Bergen, zunächst spontan auf den berühmten Trekkingpfaden und später auch als Expeditionsärztin mit Extrembergsteigern in den höchsten Höhen. Hier lernte ich meinen späteren Ehemann kennen und richtete mit ihm eine kleine Klinik in einem Flüchtlingscamp für Tibeter ein. Und hier fand ich meinen ersten buddhistischen Lehrer, Lama Yeshe. Ich trage also mehrere Nepal-Stempel in meiner Seele.

Ayurvedische Tradition in Nepal

Ein Großteil der Bevölkerung in Nepal wird noch heute medizinisch nach dem Ayurveda versorgt. Als Teil des Großraums Indien hat das kleine Land eine viele Jahrtausende alte Ayurveda-Tradition. Sehr viele seiner besonders potenten Heilpflanzen wachsen in den alpinen Regionen des Himalaya.

Ayurveda bei Parkinson – Behandlung vor Ort

Der leitende Arzt, ein äußerlich zierlicher und ruhiger Mann, scheint seine Patienten über viele Antennen zu erkunden. Jedenfalls habe ich mich nach anderthalb Stunden Anamnese und Untersuchung von ihm erkannt und beschrieben gefühlt wie noch nie zuvor. Nicht umsonst wird er Rishi genannt, die Bezeichnung der Hindus für einen Heiligen oder einen Seher.

Dr. Rishi Koirala und sein Team arbeiten an zwei Standorten: in Kathmandu, der Hauptstadt, und in Pokhara, der weiter westlich gelegenen, ebenfalls touristisch sehr gut erschlossenen Stadt mit Blick auf mehrere Achttausender. Das „Ayurveda Health Home“ ist ein nepalesischdeutsches Projekt mit hohem Hygieneund Organisationsstandard. Meine zweiwöchige Reinigungs- und Aufbaukur konnte beginnen: Yoga, Pranayama (Atmung), Öl-Güsse und Massagen mit zwei und vier Händen, Nasen-, Mundund Darmreinigungen, Klangmassagen über verschieden große Klangschalen und eine speziell auf meine Person und den Stand der Behandlung ausgerichtete feine ayurvedische Kost.

Ich fühlte mich liebevollst verwöhnt und umsorgt von dem ganzen Team. Dessen langjähriges Training und ganz spezielle Ausbildung im Haus übernimmt der Bruder von Rishi. Fünf Jahre, ließ ich mir sagen, übt eine Massagetherapeutin, bis sie ihre eigene erste Behandlung gibt. Nach zwei Wochen war ich schlank wie seit Jahrzehnten nicht mehr und fühlte mich wie neu geboren. Den ohnehin nicht leichten Abschied erschwerte eine warme Ölbad-Massage – von sechs Therapeutinnen ausgeführt – mit anschließendem heißem Bad in einem Blumenmeer. Ein überbordendes Fest für alle Sinne. Noch mehr Schönes hätte ich kaum ausgehalten.

Hand in Hand: Schulmedizin und Ayurveda

Wieder zurück in Deutschland sorgte zunächst mein guter Gesundheitszustand für erstaunte Bewunderung, aber nach und nach forderte die ganz normale Arbeit im ganz normalen Stress von Berlin ihren Tribut. Mein Freund „Parki“, wie ich meine laut Lehrbuch fortschreitende neuronale Erkrankung nenne, ließ mehr und mehr seine Muskeln spielen. Ich war reif und bereit, Schulmedizin zu schlucken, als ich von Prof. Przuntek, einem bekannten Neurologen hörte, der gegen Parkinson und Multiple Sklerose ein spezielles Konzept entwickelt hat, bei dem die ayurvedische Medizin eine tragende Rolle spielt. Er würde also nicht über meine Kräuter lachen, sondern auf ihnen aufbauen und gemeinsam mit einem sehr kompetenten indischen Ayurvedaarzt weitere Möglichkeiten empfehlen.

Ayurvedabehandlung auf Kassenrezept?

Was man im Ayurveda schon seit Hunderten von Jahren weiß, ist inzwischen in der westlichen Hochleistungsmedizin angekommen und wird von ihr intensiv beforscht: Parkinson beginnt im Darm. Und dessen spezifische – zum Beispiel ayurvedische – Reinigung und Pflege machen Sinn. Die Kosten werden von einigen Krankenkassen sogar teilweise erstattet.

Ich konnte es nicht glauben: Für mich gab es Ayurveda in Deutschland auf Krankenschein! Auf ins Ruhrgebiet nach Hattingen! Über zwei Wochen erhielt ich dort eine Behandlung ähnlich der in Kathmandu parallel zur klassischen neurologischen Diagnostik und Therapie. Sehr liebevoll, sehr einfühlsam, sehr präsent und kompe- Spielende Mädchen im Changu Narayan, einem der ältesten Tempel im Kathmandutal, Foto: Ursula Grether tent – sowohl die Ayurveden als auch die Neurologen! Ein absoluter Glücksfall in der bundesdeutschen Krankenhauslandschaft.

Seither nehme ich neben meinen bisherigen ayurvedischen Kräutern eine geringe Dosis pharmakologischer Pillen, die die Neurologen zwar für unterdosiert halten, aber staunend akzeptieren. Ich ernähre mich so weit wie möglich nach den ayurvedischen Empfehlungen, mache Qigong und Yoga, bewege mich viel und in frischer Luft und meditiere regelmäßig. Mein Leben ist langsamer und intensiver und bewusster geworden. Mein Freund Parki begleitet mich weiterhin, aber er ist nicht so groß, dass ich in seinem Schatten stehe.

 


Unterstützung für Nepal nach dem Erdbeben 2015

Nepal wurde im April 2015 von einem furchtbaren Erdbeben getroffen. Die beste Spende, die Sie dem bitterarmen Land nach dieser Katastrophe zukommen lassen können, ist meiner Meinung nach ein Besuch als Gast. Als Gast, der die vielen Kompetenzen im Land abruft und dafür bezahlt. Sei es beim Bergsteigen, beim Whitewater Rafting auf reißenden Flüssen, bei Safaris auf Elefantenrücken im tropischen Dschungel, beim Trekken in Nepals Traumlandschaften, beim Essen, beim Übernachten oder – wie oben beschrieben – in einer Ayurveda-Therapie.

So ermöglichen Sie den Menschen, Ihnen selbstbewusst und auf Augenhöhe das zu bieten, was Sie vielleicht suchen: Entspannung, Entschleunigung, Gelassenheit, Zeit zum Durchatmen, zum Loslassen von Vergangenem, Finden einer neuen Perspektive und vieles mehr. Aber Achtung: Nepal macht süchtig.

Spielende Mädchen im Changu Narayan, einem der ältesten Tempel im Kathmandutal, Foto: Ursula Grether

Spielende Mädchen im Changu Narayan, einem der ältesten Tempel im Kathmandutal, Foto: Ursula Grether

Über den Autor

Avatar of Dr. Ursula Grether

ist engagierte Mutter, Ärztin, Familientherapeutin und Weltwanderin. Sie begleitete als Expeditionsärztin und Partnerin Reinhold Messner auf mehrere Achttausender. Seit vierzig Jahren praktiziert sie nach tibetisch-buddhistischer Tradition und der Advaita-Lehre. Auch dadurch kann sie heute ihre Parkinson- Diagnose als Chance zu weiterem innerem Wachstum betrachten und Menschen in Krisen spirituell unterstützen. Jetzt erschien ihr erstes Buch: Aufstieg in die Tiefe – Meine Reise mit Messner, Buddha und Parkinson, J. Kamphausen Verlag 2019

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