von Lutz Berger

Immer öfter ertappe ich mich dabei, daß ich mir meine Wege so lege, daß ein Abstecher in den idyllischen Kurort Bad Sulza führt, ins Herz der immer öfter ohne Anführungszeichen so genannten Thüringer ”Toskana des Ostens”. Mental voraus eilend, denke ich dann zwischen Burgen und Weinbergen und auf Straßen, deren Mark und Bein durchschüttelnde Kopfsteinpflasterquote in den letzten Jahren zwar gesenkt, aber noch lange nicht abgeschafft wurde, an farbdurchpulstes, körperwarmes Wasser, an schwereloses Schweben und vor allem an Unterwasser-Klänge, die einen ganz umhüllen und dennoch so klingen, als ob sie nicht von außen, sondern von innen kämen. Kurz, ich denke an Liquid Sound, das Baden in Licht und Musik, den Relaxgenuß, der auf halber Strecke zwischen futuristischer Multimedia-Stimulation und archaischem Wasservergnügen angesiedelt ist. Und ich denke an Micky Remann, den Weltautor, Impresario und Kommunikations-Künstler, der sich die Idee zum flüssigen Klang bei den nordpazifischen Walen geholt und sie in Thüringen erstmals verwirklicht hat.

In seinen eigenen Worten:
Diese Beschränkung ist aber ebenso sinnlos, als ob man sagen würde: riechen kannst du nur bei Tageslicht, nicht aber bei Dunkelheit. Der Schritt ins Klangmedium Wasser hebt diese Selbstbeschränkung auf, es ist, als ob sich ein neuer Planet der Hörerfahrung auftut.
Um diesen Planeten zu erkunden, braucht man nicht mehr zu wagen als einen Schritt ins körperwarme Wasser. Was die LIQUID SOUND Inszenierung und Technik dazu beitragen möchte, ist, daß Menschen dieses Bad in einer anderen Stimmung und mit einer anderen Aufmerksamkeit betreten, weniger wie ein Schwimmbecken, eher wie einen Konzertsaal – manchmal sogar wie einen Tempel.”

Als die Pläne für das neue Berliner Tempodrom vorgestellt wurden, dem bekanntlich ein eigener Liquid Sound Bereich (”Liquidrom”) angegliedert wird, schloß Micky Remann seine Präsentation mit der Behauptung:
”Von Bad Sulza lernen, heißt siegen lernen!”

Manchmal scheint es, als sei der Witz dabei, daß es gar kein Witz ist.

Als ich vor vier Jahren das erste Mal nach Bad Sulza kam, waren alle Straßen holprig, viele Häuser grau und Liquid Sound ein enthusiastisch weitergereichter Geheimtip, feierabends zu genießen in den Thermalsolebecken des Klinikzentrums Bad Sulza, einer modernen und kunstsinnigen Reha-Einrichtung zur Behandlung chronischer Krankheiten der Atemwege, der Haut, der Gelenke und psychosomatischer Beschwerden.
Wenn ich jetzt wiederkomme, weisen Schilder auf ein neues ”Hotel an der Therme” hin, an der Rezeption hängen Zeitungsausschnitte über das Baden in Licht und Musik aber vor allem deuten Kräne auf eine rege Bautätigkeit: schließlich entsteht hier mit der ”Toskana Therme Bad Sulza” der erste Liquid Sound Tempel der Welt, ein musisches Entspannugsbad mit Klang- und Licht-Inszenierungen auf sieben Becken verteilt. Die EXPO 2000 hat die Anlage bereits in die Reihe ihrer weltweiten Projekte aufgenommen – als Beispiel für eine zukunftsweisende Nutzung des kostbaren Kurmittels Thermalsole. Und Micky Remann steht davor und versucht einer Gruppe von Seminargästen zu erläutern, wie er demnächst die Dämpfe, die sich in der kalten Jahreszeit über den Außenbecken der Toskana – Therme bilden werden, nachts mit wechselnden Pastellfarben zu illuminieren gedenkt, selbstverständlich abgestimmt auf die unter Wasser zu hörenden Klangkompositionen.

Die hedonistische Grundströmung ist weder zu überhören noch zu übersehen, was aber letztlich ins Gewicht fällt, ist die Tatsache, daß sich Liquid Sound da plaziert hat, wo Entertainment und Therapie gemeinsame Teilmengen bilden, von denen viele dachten, daß es sie gar nicht gibt. Denn nach Bad Sulza kommen nicht nur sensible Workshopgäste aus dem Wassermannzeitalter, sondern ganz normale Menschen mit manifesten Leiden. Es waren die Patienten aus dem Klinikzentrum, die mit den überraschendsten Rückmeldungen aus dem Liquid Sound Pool kamen und die Vermutung stärkten, daß die Kombination von Wasser, Klang und Licht eine effektive Form des Entspannungstrainings darstellt.
Pionierarbeit in dieser Hinsicht hat die Diplom Psychologin Renate Maerten geleistet, die in Bad Sulza zwei Jahre lang Liquid Sound Entspannungsgruppen geleitet hat und dabei erfahren hat, daß die Patienten danach fröhlicher, aufgeweckter, kontaktbereiter und offener sind. Nach einer erklärenden Einführung begleitet sie die Teilnehmer ins LIQUID SOUND Bad, wo sie Musik und Walgesängen unter Wasser lauschen, die farbigen Lichtspiele genießen oder einfach mit geschlossenen Augen im warmen Solewasser schweben. Sanfte Berührung und spezielle Bewegungsabläufe durch die Therapeutin vertiefen die Entspannung und das Gefühl der Geborgenheit. Gelegentlich werden auch Texte oder Integrationstrancen in das Wasser gesprochen. Daß sich in der Kombination von Sprache und Musik, im Wasser schwebend gehört, neue Möglichkeiten der Sinneswahrnehmung und Verarbeitung eröffnen, ist für den
Schriftsteller Micky Remann und die Psychologin Renate Maerten gleichermaßen spannend. Über ihre Erfahrungen sagt sie:

Unter solchen Vorzeichen finden in Bad Sulza verstärkt Seminare und Veranstaltungen statt – Raucherentwöhnung, systemische Familientherapie, Aqua Wellness Seminare, Atemwork-shops, Sound Therapie, Wellness-a-la-carte-Weekends, bei denen das Liquid Sound Bad als gemeinsamer Katalysator genutzt wird, auch wenn sie von sehr unterschiedlichen inhaltlichen Voraussetzungen ausgehen.
Nicht zu vergessen die Künstler, die für kreative Auseinandersetzungen mit dem Wasser hier ein ergiebiges Medium vorfinden: Musiker wie die Berliner Grupe ”Kirit” oder ”Starsounds Orchestra”, die speziell fürs Unterwasserhören geeignete Musik komponieren (die erste Liquid Sound CD ”Sea You One” von Kirit liegt vor); und Fotokünstler wie die New Yorkerin Linda Troeller, die die traumartig schwebende Atmosphäre des ”Liquid Sound Experience” mit der Kamera eingefangen hat (auch in den Bildern für diesen Artikel). Ihr ist es mit zu verdanken, daß inzwischen eine wachsende Zahl amerikanischer Gäste den Weg nach Bad Sulza findet – sie lassen sich von der Meisterin ein Porträt ihres ”aquatischen Selbst” im Liquid Sound Pool anfertigen. Eine probate Erinnerung an die Kunst, erfolgreich baden zu gehen.

Berichte von Patienten aus der Liquid Sound Entspannungsgruppe
von Dipl. Psych. Renate Maerten.

”Am Anfang hatte ich das Gefühl, mich auf einem orientalischen Basar zu befinden. Dann kam es mir vor, als tauche ich in die Südsee. Ich sah Korallen und viele Fische in den schönsten Farben. Ich war aber auch selber ein Fisch und schlängelte mich durch das klare Wasser. Es war aber auch zeitweise das Gefühl da, daß ich tanze. In einem großen Ballsaal über das Parkett schwebe im Walzertakt.”

”Ich meinte, als Seifenblase in lauer Sommerluft zu schweben. Ein Zeitempfinden war mir vollkommen abhanden gekommen. Noch ganz im Banne des Erlebens waren meine ersten bewußten Gedanken: So muß sich ein Embryo im Leib einer rundum glücklichen Mutter fühlen.”

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